Mittwoch, 10. Februar 2021
Mars01-Die Besiedelung (5)
Völlig außer Atem bleibe ich irgendwann stehen und schaue Frau Baker an. Meine Beine schmerzen. Die Trainerin nickt und nähert sich mir. Sie gibt mir einen leichten Klaps mit der Hand und lobt:
„Sehr gut, Sunshine! Deine Leistungen sind bis hierher in Ordnung. Ich bringe dich wieder in deine Box. Folge mir!“
Schweißüberströmt trotte ich hinter ihr her. Das wird einen schlimmen Muskelkater geben, bin ich überzeugt. Kurz darauf bin ich wieder in meiner Box. Frau Baker nimmt mir das Kopfgeschirr ab und hängt es an einem Haken außen an der Box.
„Jetzt kannst du dich ausruhen,“ sagt sie zu mir und lächelt mich an. „Morgen geht es weiter! Etwas zu fressen findest du in dem Trog an der Wand.“
Danach schließt sie die Boxentür und ist kurz darauf verschwunden.
Tatsächlich entdecke ich neben dem Wassertrog noch einen weiteren Behälter an der Wand. Er hängt ebenfalls an der Seitenwand der Box und ist mit einer Art Müsli gefüllt. Etwas ungeschickt beginne ich nur mithilfe der Lippen zu essen.
Diesmal höre ich Geräusche aus den anderen Boxen. Sie scheinen alle besetzt zu sein. Da wir nicht sprechen dürfen und ein Impulshalsband tragen, das auch schon einige leichte Elektroschocks abgegeben hat, höre ich es hin und wieder schnauben oder leise wiehern um mich herum. Erst einmal interessiert mich aber etwas anderes. Ich erleichtere mich noch einmal über dem kleinen Strohhaufen, ehe ich mich vorsichtig auf meinem Schlafplatz niederlasse. Bald darauf bin ich eingeschlafen.

*

Als der Mitarbeiter des Ministeriums mich, Abram oder zukünftig Doggie-Rüde Draco, zum Gesundheitscheck bringt, begegne ich auf dem Gang Florian, der später Hengst Sunshine sein wird. Wir haben nur kurz Zeit, uns einander vorzustellen, während die beiden Mitarbeiter ein paar persönliche Worte miteinander wechseln.
Danach geht es weiter in die Arztpraxis und anschließend bekomme ich in einem anderen Raum meine vorläufige Ausrüstung. Sie besteht aus einem Impulshalsband, das mir das Sprechen abgewöhnen soll und Pfotenfäustlingen und -schuhen. So ausgestattet werde ich in eine große Halle geführt an dessen Wand in Türnähe zwei große Zwinger stehen.
Beide Zwinger sind schon belegt. In einem Zwinger befinden sich die Fähen und in dem anderen die Rüden. Man steckt mich natürlich zu den Rüden. Drei Rüden befinden sich schon im Zwinger. Ich bin der Jüngste. Zwei sind ein wenig älter und einer dürfte drei Marsjahre älter sein.
Während der Mitarbeiter des Ministeriums vor dem Zwinger steht und beobachtet, was nun passiert, kommt der älteste Rüde auf mich zu, fletscht die Zähne und knurrt mich an. Instinktiv beuge ich die Ellbogen und schaue demonstrativ weg. Der Rüde legt sein ‚Vorderbein‘ über meine Schultern.
Als ich seine Berührung spüre, sinke ich vollends zu Boden und drehe mich auf den Rücken. Noch einmal knurrt das ‚Alphatier‘, dann lässt er von mir ab. In Zukunft muss ich darauf achten, immer als Letzter bei der Fütterung dran zu kommen. Ich bin hier im Zwinger der ‚Underdog‘.
Am ersten Tag im Zwinger lässt man uns von Seiten des Ministeriums in Ruhe. Zuerst wird wohl die Rangordnung im Rudel geklärt. Als die Rüden zur Nacht zusammenrücken und ich Gleiches auch nebenan im Zwinger der Fähen beobachten kann, nähere ich mich den Anderen ebenfalls und schlafe irgendwann an sie gekuschelt ein.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück kommt eine Frau an das Gitter des Zwingers, etwa sechs Marsumläufe älter als ich. Sie trägt eine Hose und darüber eine Bluse in gedeckten Farben. Sie mustert einen Augenblick die Szene im Zwinger und ruft dann:
„Draco!“
Ich nähere mich neugierig dem Gitter des Zwingers. Sie reicht mir einen Keks durch das Gitter und greift mein Halsband. Anschließend klickt sie eine Leine an den Ring, öffnet die Tür des Zwingers und zieht die Leine durch das Gitter, bis sie sie frei hat. Nun lockt sie mich:
„Na, komm, Draco! Komm zu mir. Hol dir dein Leckerlie!“
Irgendwie hat sie einen weiteren Keks in der Hand. Ich nähere mich der Hand mit dem Keks und trete vor den Zwinger. Nun erhalte ich auch den zweiten Keks, während sie die Tür des Zwingers wieder schließt.
„Du kennst mich noch nicht,“ sagt sie und stellt sich vor: „Ich bin Frau Kelly. Ich werde dir die Grundbegriffe beibringen, die du kennen musst, bevor du in einen Haushalt vermittelt wirst.“
Im hinteren Bereich der Halle ist ein Agility-Parcours aufgebaut. Aber soweit führt sie mich nicht. Auf halbem Weg etwa sagt sie:
„SITZ!“
Ich setze mich auf meine Fersen, wie ich das von Yucca kenne, der Fähe meiner Eltern. Frau Kelly lächelt.
„Ich sehe, mit dir werde ich wenig Mühe haben. Das ist übrigens immer so, wenn wir Doggies erhalten, die mit anderen Doggies im Haushalt ihrer Eltern groß geworden sind.“
Frau Kelly führt mich den ganzen Tag durch die Hundekommandos, zeigt mir Ball-, Zerr- und Apportierspiele und fragt das Ausdrücken verschiedener Gefühle, Gestik und Mimik ab. Sie korrigiert meinen Vierfüßler-Gang, und schon ist es Abend geworden. Wieder schlafe ich an die anderen Rüden in meinem Zwinger gekuschelt.
Tags darauf kontrolliert Frau Kelly noch einmal die Kommandos, die ich am Vortag nicht zu ihrer Zufriedenheit ausgeführt habe. Auch die Gestik und Mimik der Caniden geht sie mit mir noch einmal durch. Anschließend darf ich beobachten, wie weitere Hundetrainer die anderen Rüden aus meinem Zwinger durch den Agility-Parcours treiben.
Als am nächsten Tag im Zwinger nebenan zwei neue Fähen hinzukommen, dürfen wir zuschauen, wie das dortige Alphatier Respekt einfordert. Es geschieht genauso, wie anfangs bei mir. Dann wird das Training geteilt. Wir haben die Halle vormittags, die Fähen nachmittags.
Nach etwas mehr als einer Woche sind drei Doggies aus den Zwingern genommen worden. Sicher haben sie inzwischen ein Zuhause gefunden. Da kommt Frau Kelly an unseren Zwinger und holt mich heraus.