Donnerstag, 18. Februar 2021
Mars02-Der Besucher (5)
Also erkundige ich mich zuerst bei der Bank, die mir Mister Berlin empfohlen hat, wo ich in seinem Beisein mein Gehaltskonto eingerichtet habe. Ich darf mir eine Wohnung suchen im Wert von 12000 Stein im Mietkauf, sagt man mir dort. Also müsste ich fünf Jahre, oder einhundert Marsmonate lang 140 Stein an die Bank zahlen, die dafür der Wohnungsbau-Gesellschaft die 12000 Stein auszahlt. Hinzu kommen noch die Gebühren und Nebenkosten, von denen die Wasserkosten die höchsten sind. Das ist verständlich, denn auf dem Mars ist Wasser ein rares Gut.
Nun schaue ich in den Angeboten der Wohnungsbau-Gesellschaften, die jeweils einen Wohnblock bewirtschaften. Ich finde in dem Wohnblock, auf dem das Haus der Berlins steht, tatsächlich eine ansprechende Wohnung. So unterschreibe ich nach der Besichtigung schon den Mietkauf-Vertrag. Eigentlich ist es eine ‚Drei-Zimmer-Wohnung‘. Ein Zimmer ist jedoch als großer Balkon ausgebildet, zur Hälfte in den Außenmauern, zur anderen Hälfte auf einer Bodenplatte aus der Fassade herausschauend. Jede zweite Wohnung in dieser Etage und zum Innenhof des Wohnblocks gelegen, hat diesen Zuschnitt, wie ich sehen kann.
Nun heißt es als nächstes, wie Mister Berlin mir angeraten hat, mir einen ‚Heimstein‘ zu suchen. Dafür nähere ich mich der Wand des Lavatunnels und schlendere ziellos an ihr entlang. Ein schwarzer Stein fällt mir nach einer ganzen Weile ins Auge, der irgendwie glasartig aussieht und in der Wand steckt.
Auf Anraten von Mister Berlin habe ich einen metallenen Pickel dabei, mit dem ich das Mineral aus der Wand löse. Anschließend nehme ich ihn mit nachhause.
Als nächstes kümmere ich mich um die Möblierung und Dekoration. Frau Berlin deckt mich mit einer Erstausstattung an Heimtextilien ein. Die Eheleute lassen es sich nicht nehmen und schenken mir Gläser, Geschirr und Besteck, sowie Küchenutensilien.
Dann habe ich alles beisammen und lade das Ehepaar Berlin zum Dank in meine Wohnung ein. Zu Essen gibt es, was das teure Restaurant im Erdgeschoss liefern kann. Ich versuche, dabei die gleiche Teezeremonie in Verbindung mit meinem neuen Heimstein zu machen, die ich bei den Eheleuten Berlin kennen gelernt habe. Dabei lädt mich Mister Berlin in das Dressurstadion der Stadt ein. Dort ist in zwei Wochen wieder ein Dressurwettbewerb. Bei dieser Gelegenheit könnte ich auch seine Söhne mit ihren Frauen und seine Enkel kennen lernen. Ich sage gern zu.

*

Unruhig liege ich ,WIND, in meiner Box. Ich bin eine Stute, die seit meiner Umwandlung vor einem Marsjahr für die Dressur trainiert. Ich habe die ganze Nacht sehr unruhig geschlafen und bin jetzt schon eine lange Zeit wach. Dass der Tag endlich anbricht, kann ich kaum erwarten.
Heute ist mein großer Tag. In ein paar Stunden werde ich das erste Mal in meinem Leben an einer Dressurveranstaltung teilnehmen. Ich spüre ein nervöses Kribbeln in meinem Bauch, wenn ich daran denke. Eigentlich sollte nicht viel schief gehen. Alle geforderten Figuren beherrsche ich inzwischen und mache im Training nur noch sehr selten einen Fehler.
Endlich höre ich das vertraute Knarren der Stalltür. Aufgeregt schaue ich durch die Gitterstäbe auf den Gang vor meiner Box. Ich höre wie sich die Schritte nähern. Mein Herz klopft wild, als ich mich nun von dem Strohhaufen erhebe, auf dem ich die Nacht verbracht habe.
Trotzdem muss ich noch einige Augenblicke warten, bis endlich jemand vor meiner Box auftaucht. Es ist Mister Martin, mein Trainer. Er öffnet das Tor und betritt die Box.
„Na, meine Süße, hast du etwas schlafen können?“ fragt er und mustert mich von oben bis unten. Ich schnaube leise und schüttele den Kopf.
Mister Martin füllt jetzt den Trog, der an der Wand hängt, mit Müsli. Ich bin aber zu aufgeregt, so dass ich kaum Appetit habe. Lustlos blicke ich einige Augenblicke auf das Früchtemüsli hinunter. Endlich ringe ich mich dazu durch, wenigstens ein paar Bissen zu essen. Das Risiko, dass ich später vor lauter Hunger Magenschmerzen bekomme, will ich nicht eingehen.
Von meiner Box aus beobachte ich, wie sich der Mann nach dem Füllen meines Troges um die anderen Ponys im Stall kümmert. Danach schaut er auf seine Armbanduhr und kommt zu mir zurück. Er betritt meine Box, streicht mir fast zärtlich über meine Flanke und sagt:
„Du brauchst keine Angst haben, dir passiert dort nichts!“
Mit prüfendem Blick schaut er über meinen Körper. Am Vorabend hat er mich noch einmal gewaschen und meine Mähne frisch aufgestellt. Während der Nacht haben sich jedoch einige Strähnen gelöst, die er nun mit etwas Haarlack und einem Kamm wieder in Position bringt.
Stumm lasse ich das über mich ergehen. Wirklich beruhigen können mich seine Worte nicht. Er hat ja auch gut reden. Immerhin muss nicht er in ein paar Stunden vor hunderten von Menschen stehen und sich bewerten lassen.
Als Mister Martin fertig ist, befestigt er eine kurze Führleine an meinem Zaumzeug. Nur die Trense setzt er mir noch nicht ein. Darüber bin ich ihm sehr dankbar.
Danach führt er mich aus der Box. Mit langsamen Schritten folge ich dem Mann auf den Innenhof des Gestüts. Der Ponystransporter steht schon bereit und zwei Hengste sind angeschirrt. Ich werde über eine kleine Rampe in das Innere des Transporters geführt. Dort betrete ich die kleine Box. Sie ist fast einen Meter breit und genau so lang. Ich drehe mich innen gleich um, so dass ich meinen Trainer sehen kann.
Er wirft mir noch ein aufmunterndes Lächeln zu, dann verschwindet er aus meinem Blickfeld.
Schließlich setzt sich der Transporter in Bewegung. Irgendwann kommt er wieder zum Stehen. Wie lange wir gefahren sind, kann ich nicht genau sagen. Es schien eine halbe Ewigkeit gewesen zu sein. Kurz darauf taucht mein Trainer wieder auf. Er öffnet die Tür der Box und legt mir eine Hand auf die Wange.
„Na dann wollen wir mal, meine Süße,“ meint er und wirkt nun ebenfalls nervös. Sanft drückt er seine Finger in meine Wangen, so dass ich meinen Mund öffnen muss. Im nächsten Augenblick führt er die Trense zwischen meine Zähne und befestigt sie an meinem Zaumzeug.
„Bleib schön ruhig, ich passe auf dich auf,“ beruhigt er mich mit leiser Stimme und streicht mir über die ihm zugekehrte Wange. So gut es die Trense erlaubt, beruhige ich meinen Atem und schließe für einige Sekunden die Augen.
„So ist es gut,“ lobt er mich. „Na komm, ich bringe dich in den Stall!“
Ich folge dem sanften Zug der Führleine und verlasse hinter meinem Trainer den Wagen. Wir befinden uns auf einem großen, gepflasterten Parkplatz. Er ist zwar nicht gerade voll, aber es sind schon einige Ponytransporter anwesend.