Montag, 15. Februar 2021
Mars02-Der Besucher (2)
Die Männer scheinen es eilig zu haben. Es geht in einen Aufzug hinein. Nachdem wir den Aufzug verlassen, übergeben mich meine Begleiter an Männer in lindgrüner Kleidung mit Atemmasken und einer Gasflasche auf dem Rücken. Man führt mich durch eine Luftschleuse und in einen spärlich eingerichteten Raum. Hier darf ich endlich meinen Raumanzug ausziehen und erhalte sterile Kleidung. Dann lässt man mich in Ruhe.
Die nächste Zeit, ich habe aufgehört die Tage zu zählen, erhalte ich Speisen durch eine kleine Schleuse. Auch meine Schmutzwäsche und saubere Kleidung nimmt diesen Weg. Wenn ich Besuch bekomme, ist er ebenfalls lindgrün gekleidet und trägt eine Atemmaske.
Ich werde in dem Zimmer intervallartig gründlich untersucht und man verabreicht mir Impfungen gegen mögliche Marsmikroben, die mir gefährlich werden könnten. Daneben will man meine Geschichte genauestens erfahren.
Irgendwann, bestimmt nach mehreren Wochen, erhalte ich Besuch von einem älteren weißhaarigen Mann ohne die übliche Atemmaske. Erstaunt blicke ich auf. Der Mann stellt sich höflich vor und erklärt mir, dass meine Quarantäne vorbei sei und ich zu einem Treffen mit Wissenschaftlern im „Amt“ eingeladen bin.
Er begleitet mich zu der U-Bahn-Station, über die ich in ihr Institut gekommen bin und übergibt mich an einen jüngeren Mann, der mich wohl fahren und führen soll. Vor mir am Bahnsteig steht wieder ein Triebwagen, wie ich ihn schon kenne.
Unterwegs frage ich den jungen Mann:
„Mister Carlson, was ist das eigentlich für ein Treffen, zu dem sie mich hinführen sollen?“
Der Mann schaut mich lächelnd an und erklärt:
„Zum einen wollen die Wissenschaftler ihre Geschichte noch einmal aus ihrem Mund hören. Vielleicht ist davon etwas interessant für sie. Zum anderen werden sie bestimmt gefragt, wie Sie sich ihre Zukunft vorstellen. Wollen Sie von einem irdischen Raumschiff abgeholt werden? Oder wollen Sie Bürger des Mars werden?
Für alle diese Fragen sind Sie im Amt in Olympia an der richtigen Adresse!“
„Ah, okay. Unser Ziel ist also die Hauptstadt des Mars.“
„Ja, und dort das Präsidialamt…“
Ich mache große Augen. Ob ich etwa das Staatsoberhaupt zu Gesicht bekomme? Eigentlich ist mein Fall doch gar nicht so wichtig. Andererseits, wann hat es so einen Fall, wie meinen, schon einmal gegeben? Ob es zu diplomatischen Verwicklungen zwischen den Planeten kommen wird?
Nach etwa drei Stunden Fahrt, in denen ich mir unter anderem die Technik der Rohrbahn erklären lasse, erreichen wir eine separate Haltestelle in Olympia. Mein Begleiter erklärt mir zur Rohrbahn, dass sie selbständig eine Haltestelle anfährt und auch abfährt. Dann schließt sich das Rohr hermetisch hinter uns und ein Überdruck schiebt das Fahrzeug mit bis zu 500 Stundenkilometer vorwärts.
„Unser Rohrnetz,“ sagt er, „ist vom öffentlichen Netz getrennt. Dafür sind unsere Fahrzeuge auch deutlich kleiner.“
An der Haltestelle in Olympia steigen wir aus und fahren mit einem Aufzug hoch, der uns in einem größeren Raum ankommen lässt. Neugierig schaue ich mich um und erkenne links in einer Raumecke ein Treppenhaus. Ihm gegenüber rechts liegt ein großzügiger Eingangsbereich mit vier Glastüren. Vor mir sitzt eine Dame hinter einem Schalter und schaut bei unserem Näherkommen auf. Mein Begleiter ergreift das Wort:
„Hallo Mistress Albright. Ich bringe Ihnen den Raumfahrer, den wir in den letzten Wochen unter Quarantäne hatten.“
Mistress Albright nickt und lächelt mich an:
„Ah, Sie sind Mister Armstrong. Warten Sie einen Moment. Ich rufe jemand, der sich um Sie kümmert.“
„Ich verabschiede mich dann,“ meint mein Begleiter zwinkernd. „Ich muss zur Station zurück.“
Ich nicke ihm freundlich zu. Während er zum Aufzug zurückgeht, sagt Mistress Albright zu mir:
„Setzen Sie sich ruhig einen Moment.“
Also gehe ich nun zu einer Sitzgruppe neben dem Treppenhaus. Mistress Albright nimmt einen Handapparat auf und spricht hinein.
Vielleicht fünf Minuten darauf kommt ein älterer Mann die Treppe hinunter. Er schaut sich kurz um, sagt freundlich: „Hallo, Mistress Albright.“ Und wendet sich danach mir zu:
„Guten Tag, Mister Armstrong, oder ‚Sol‘, wie man hier sagt,“ begrüßt er mich. „Ich bin John Berlin. Würden Sie mich bitte begleiten?“
Ich stehe auf und strecke ihm meine Hand entgegen. Mister Berlin lächelt entschuldigend, zeigt seine offene Hand und legt sie sich auf die Herzgegend. Dann macht er eine einladende Handbewegung Richtung Treppe und sagt, immer noch lächelnd:
„Kommen Sie bitte mit.“
Wir steigen zwei Etagen höher und gehen einen Gang entlang, bis wir vor einer Tür halten. Unterwegs hat Mister Berlin mir erklärt, dass das Händeschütteln seit einer Pandemie nicht mehr praktiziert wird. Damals mussten sich die Menschen gegen marsianische Viren und Bakterien wehren. Gut die Hälfte der Bevölkerung ist damals gestorben bis Impfstoffe entwickelt worden sind. Mir fällt ein, darüber einmal gehört zu haben. Mein Begleiter klopft schließlich an eine Tür und öffnet sie einen Moment später. Mit einer Handbewegung gibt er mir den Vortritt und schließt die Tür hinter mir wieder, nachdem auch er den Raum betreten hat.