Cherie - 15
Wir bezahlen nun und gehen zu den Bussteigen auf dem Bahnhofsvorplatz. Eine Viertelstunde später geht der Bus in unsere Richtung. Unterwegs frage ich sie:
„Was gefällt dir eigentlich am BDSM?“
„Ich kann mich ganz in meiner Rolle fallen lassen. Es ist ja nur für ein paar Stunden oder ein paar Tage. Die Kerle benutzen mich und zahlen dann dafür.“
„Hmm,“ brumme ich. „Dafür gibt es doch professionelle… Du fühlst nichts dabei? Doch, einmal hatte ich einen… Aber der war verheiratet…“
„Und was gefällt dir am Petplay?“
„Das ist ähnlich: Ich bin da eine Zeitlang in einer Rolle, weit weg vom Alltagsstress. Aber es ist doch etwas anderes: Petplay berührt mich mehr auf der emotionalen Ebene, nicht so sehr auf der Körperlichen…“
„Ich muss dir etwas erzählen,“ platze ich nach einigen Minuten Schweigen heraus. „Paul ist durch einen älteren Bekannten zum Petplay gekommen. Er hat viel von diesem - Dieter, heißt der Mann – übernommen und es dann weiter entwickelt. Aber im Grunde wollen beide das Gleiche. – Und dieser Dieter hat im Augenblick keine Doggie.“
„Du willst mich verkuppeln!“ grinst Biggi.
Wir sind inzwischen an der richtigen Bushaltestelle angekommen und verlassen den Bus. Auf dem kurzen Weg zu dem Mehrfamilienhaus, in dem wir wohnen, sage ich:
„Unsinn! Schau dir das Konzept der Beiden doch einmal an. Vielleicht ist es ja etwas für dich.“
„Joah, das kann ich gerne mal machen.“
„So, hier wohnen wir,“ sage ich und schließe die Haustür auf.

*

Eine gewisse innere Unruhe begleitet mich die ganze Zugfahrt. Was erwartet mich wohl an meinem Zielort? Was hat mich bloß bewogen letzten Samstag Lena anzurufen, nachdem ich den Kerl aus meiner Wohnung geworfen habe? Es ist wohl das, dass ich gegenüber einer Frau jetzt mehr Vertrauen aufbringe. Ich brauche jetzt einfach jemand, bei dem ich meine Seele erleichtern kann.
Auf dem Bahnsteig schaue ich mich erst einmal verloren um, während ich langsam den Treppen zustrebe. Da sehe ich plötzlich Lena, die mich wohl zuerst entdeckt hat. Sie winkt mir zu. Ich bahne mir meinen Weg zwischen den Reisenden auf Lena zu und begrüße sie herzlich. Dann gehen wir in die Bahnhofsvorhalle und dort setzen wir uns in ein Café.
Nachdem ich mir Luft gemacht habe und erfreut darüber bin, dass Lena so geduldig zuhören kann, bin ich mir sicher, dass mein Entschluss hierher zu kommen richtig gewesen ist. Obwohl Lena gut zehn Jahre jünger ist als ich, ist sie mir eine Seelenverwandte.
Sie schlägt mir schließlich vor bei ihnen zu übernachten, statt in einem Hotelzimmer im Umfeld des Bahnhofes. Ich willige ein und eine halbe Stunde später erlebe ich auch eine freundschaftlich respektvolle Begrüßung durch ihren Herrn Paul. Das tut meiner Seele gut und ich fühle mich hier gleich wohl.
„Ich habe gehört, dass ihr im Bahnhof Kaffee getrunken und euch schon einmal ausgesprochen habt,“ beginnt Paul eine leichte Konversation, während er mich ins Wohnzimmer bittet. „Wir wollen gleich zu Abend essen. Magst du einen Kurzen vorweg?“
„Gern,“ antworte ich lächelnd.
Lena und ich setzen uns in die Sitzgruppe, während Paul an das Buffet geht. Wenig später kommt auch er an den Couchtisch. Mit der rechten Hand trägt er ein kleines Tablett mit drei kleinen Gläschen, die er vor uns stellt und sich dann hinzu setzt.
„Wie lange hast du vor in der Stadt zu bleiben?“ fragt er, nachdem er uns zugeprostet und wir alle an den Gläschen genippt haben.
„Eigentlich wollte ich morgen schon wieder zurückfahren…“ antworte ich vorsichtig.
„Du könntest gerne ein paar Tage hierbleiben,“ meint er. „Die Couch gibt ein bequemes Gästebett ab. – Damit du ein wenig Abstand gewinnst und mental ruhiger wirst…“
„Vielen Dank,“ wehre ich seinen Vorschlag ab. „Auf meinem Ticket ist die Rückfahrt für morgen Vormittag vorgesehen.“
„Okay, du sollst kein Geld verlieren… Und dich auch mental auf ein paar Tage bei uns einstellen können vorher. Gerne machen wir ein späteres Treffen – vielleicht für ein ganzes Wochenende aus -, wenn du magst.“
„Hmm, wie würde solch ein Wochenende zusammen mit euch denn aussehen?“ frage ich vorsichtig.
Paul lächelt mich gewinnend an.
„Das kommt weitgehend auf dich an. Ich weiß nicht, was du bisher mit Doms erlebt hast, und was dir davon gefallen hat in deinem Sinne geschah oder eher nicht.
Du kannst auch genauso gut wie ein außenstehender Beobachter aus der Szene unseren Umgang miteinander als Herr und Doggie erleben, ohne selbst involviert zu sein. Dann kannst du dir einfacher ein Bild machen, eine Meinung bilden.“
„Das Zweite würde mich interessieren,“ sage ich.
„Dann wäre das klar. Das Wochenende dafür suchst du dir aus und gibst uns Bescheid.“
„Nicht das kommende Wochenende, das Folgende könnte ich gerne kommen,“ entscheide ich.
„Gut, dann kümmere ich mich eben mal um das Abendessen,“ meint Paul und erhebt sich.
Das wiederum erstaunt mich sehr. Mein Herr hat sich von mir nach Strich und Faden bedienen lassen… Lena sieht mir mein Erstaunen an und lächelt über das ganze Gesicht.
„Paul kann gut kochen!“ bestätigt sie.
„Aber…“ beginne ich.
„Einiges konnte er schon,“ ergänzt sie. „Nur das Würzen… Er sagte einmal, er hätte Angst zuviel Gewürz dran zu tun. Deshalb hätte er es früher lieber gelassen. Ich habe es ihm dann beigebracht.“
„Aber ist er denn nicht dein Herr?“ vervollständige ich meinen Satz.
„Natürlich ist er das!“ antwortet Lena im Brustton der Überzeugung. „Das heißt aber nicht, dass ich ihm die Fingernägel reinigen muss!“