Cherie - 24
Sie nähert sich mir und reibt ihre Wange an meinem Knie.
„Aber wie ist es dann mit dem Sex?“ fragt sie mit einem unnachahmlichen Augenaufschlag.
„Wenn ich eine echte Hündin vom Züchter hole, sie aufziehe und trainiere, dann habe ich ein anhängliches Tier – aber mehr auch nicht! Mit dir verhält sich das anders. Mit dir kommt vielleicht auch die körperliche Liebe hinzu – wie bei Paul und Lena…“
Biggi lächelt mich an und fragt:
„Und was bedeutet das jetzt im konkreten Fall?“
„Nun, bisher hast du dich mit dominanten Männern getroffen und es als selbstverständlich hingenommen, Sexspielzeug für ihre Lust zu sein. In dem Moment hast du ebenfalls sexuelle Befriedigung erlebt – aber keine Liebe, keine Zuneigung.
Wir dagegen gehen die Sache anders an, wenn du dich auf mich einlässt: Ich führe dich bestimmend und verantwortungsbewusst. Du ordnest dich mir unter! Aber – ‚Spaß ist Spaß und Ernst ist Ernst‘ – wenn wir miteinander spielen, kannst du schonmal die starre Hierarchie durchbrechen, wie du das bei Lena gesehen hast.
Ich würde es begrüßen, wenn sich eine gegenseitige Zuneigung entwickelt und daraus Liebe entsteht. Wenn es dann zu Sex kommt, ist das etwas anderes als der sogenannte ‚Harte Sex‘. Es ist liebevoller Sex, von vielen hin und wieder als ‚Blümchen-Sex‘ herabgewürdigt, aber sehr erfüllend: Für mich ist Sex vergleichbar mit einem guten Menü. Zuerst die ‚Vorspeise‘. Ich rege dich an, deine Erregung steigt, es entsteht eine Erwartungshaltung. Dann die ‚Hauptspeise‘, die Kopulation. Kein Rein, Raus, Fertig!! Und schließlich die ‚Nachspeise. Ich halte durch Streicheln deine Erregung noch lange hoch, bzw. lasse sie nur langsam geringer werden. Dabei achte ich genau auf dich und deine verbalen und nonverbalen Äußerungen! Eine Frau, die nur passiv herumliegt, damit sie vom Dom benutzt werden kann, ist also nichts für mich. Das wäre in etwa so, als müsste ich ein stummes und steifes Bügelbrett bearbeiten. Das macht mir keinen Spaß!“
„Hm, ich spüre, ich habe noch viel zu lernen… Denn genau das ist es, was die Doms bisher von mir erwarteten: passiv bleiben.“
„Verhalten lässt sich ändern, Biggi,“ mache ich ihr Mut.
„Was ist eigentlich, wenn das enge Verhältnis zwischen Doggie und Owner erlahmt?“ fragt sie dann.
„Wir müssen frühzeitig gegensteuern, Biggi!“ antworte ich eindringlich. „Du wirst zum wichtigsten Lebewesen auf diesem Planeten für mich! Das sollte man nicht so schnell aufgeben, oder?“
Sie reibt ihren Kopf an meinem Knie und schenkt mir wieder diesen Blick, der Männerherzen schmelzen lässt.
„Wie willst du gegensteuern?“
„Es gibt eine Reihe negativer Einflüsse, die man kennen muss: erstens, wenn wir uns des anderen nicht mehr bewusst sind, wenn uns der andere egal zu werden beginnt. Zweitens das unstillbare Verlangen nach mehr. Wenn uns der andere nicht mehr genug ist. Drittens, wenn das Mitgefühl schwindet und der Selbstsucht Platz macht. Viertens die Angst vor der Vergänglichkeit, vor dem Ende des Mitgefühls. Fünftens, wenn die Gefühle nicht mehr bestimmen, sondern das körperliche überhandnimmt. Sechstens, nur noch zu glauben, was man sieht. Wenn also die Rationalität mehr Gewicht bekommt als die Emotionalität. Und siebtens die Besserwisserei, die verblendete Selbstüberzeugung, der Fanatismus. Auf solche Anzeichen müssen wir achten. Auch du kannst mich darauf aufmerksam machen, sollte dir etwas Derartiges in unserer Beziehung auffallen!“
„Das werde ich, Dieter – oder wie soll ich dich nennen?“
„Als Doggie redest du mehr über Mimik und Gestik. Darüber – die nonverbale Kommunikation – kannst du eher Gefühle rüberbringen, aber auch Absichten kann man daraus lesen. Für rationale Gespräche muss ich dir vorher das Sprechen erlauben. Dann nenne mich, wie es dir dein Gefühl sagt! Jetzt wird es sicher noch mein Vorname sein. Je mehr Verantwortung du an mich überträgst, je mehr du dich dadurch mir unterordnest, desto richtiger wird dir die Bezeichnung ‚Herr‘ erscheinen. Dann gib deinem Gefühl nach und nenne mich ‚Herr‘.“
„Du bestehst nicht von Anfang an auf diesen Titel?“
„Ich habe dir ja gesagt, ich gehöre nicht zu der ‚Ohne-Anlauf-Fraktion‘. Viel ehrlicher finde ich, wenn du irgendwann aus deinem Gefühl heraus diesen Titel wählst, wenn du dich vertrauensvoll in deine Rolle ‚fallenlassen‘ kannst.“
Biggi schaut mich mit großen Augen an.
„Du setzt voll auf die Macht der Gefühle…“
„Ja, das tue ich,“ bestätige ich. „Und du siehst an Paul und Lena, wie gut beide damit fahren.“
„Und bevor es soweit ist… Was ist, wenn wir nicht über das Stadium gegenseitiger Sympathie hinauskommen, wenn sich keine Liebe entwickeln will?“
„Es kann sein, dass wir irgendwo eine emotionale Blockade entdecken, dass tiefere Gefühle also nicht aufkommen wollen. Das sollten wir akzeptieren und auf dem emotionalen Level bleiben – heißt: Wir sollten dann den Grad der Freundschaft, den wir erlangt haben, zu halten versuchen! Ich würde als dein – mit dir befreundete – Herr dein Wohl im Blick haben und dir eine große Stütze sein. Wir könnten uns treffen, das Rollenspiel miteinander leben – gern auch unter Einbeziehung von Paul und Lena. So entsteht ein größerer Freundeskreis. Durch Lena fühlst du dich nicht alleine. Wir beide, Paul und ich, werden andere hinzugewinnen und vielleicht ist darunter dann ein Herr, zu dem deine Gefühle mit der Zeit tiefer werden. Ich werde dir dann nicht im Weg stehen aus möglicher Eifersucht! Ich würde dich stattdessen unterstützen dein Wohl unter diesem Herrn zu finden.“
„Aber dann wärst du doch wieder allein!“
„Nein, Biggi. Ich habe dann immer noch eine gute Freundin – dich.“
Biggi schüttelt bedächtig den Kopf.
„Du bist so anders, so völlig anders…“

*

Wir sind schon ein paar Wochen zusammen. Lena mag meine Nähe. Sie kuschelt sehr gerne. Ich denke, sie hat noch nie einen Freund gehabt, der so einfühlsam auf sie eingegangen ist; der sein Ego soweit zurückgestellt und ihre Person so in den Vordergrund gestellt hat, ohne sich von ihr beherrschen zu lassen. So in etwa muss sich ein Welpe fühlen, der von einem erwachsenen Rudelmitglied betreut wird.