Cherie - 37
„Leider nein. Aber das lässt sich leicht googlen,“ antworte ich ihm.
Daraufhin entfernen sich die Vier in Richtung Parkplatz. Ich schaue Biggi vielsagend an. Nach einer Weile schaue ich mich um und erkenne, dass nur noch wir Vier und das Grüppchen, das Lena zusammengebracht hat, anwesend sind. Die anderen haben sich geräuschlos davon gemacht, als das Angebot an Speisen und Getränken allmählich zur Neige gegangen ist.

*

„Hey, ich bin die Lena. Darf ich fragen, ob euch das Event gefallen hat?“ fragt die Servicekraft und setzt sich zu uns.
„Hallo, ich heiße Anita und das ist meine Freundin Lisa. Ehrlich gesagt, wir haben uns etwas anderes versprochen von diesem Nachmittag,“ antworte ich ihr.
Lena schaut interessiert.
„Ward ihr schon einmal irgendwo anders auf einem Event? Wo liegt der Unterschied? Was könnten wir beim nächsten Mal anders, besser machen?“ hakt sie nach.
„Ich weiß es auch nicht,“ bekenne ich. „Nein, wir waren noch auf keinem anderen Event. Wir sind Mitglied auf der Petplay-Community-Seite und praktizierten Petplay bisher mehr als Kopfkino. Aus diesem Grund war der Storyblog unser liebster Aufenthalt.“
„Darf ich fragen, wo für euch die mentale Hürde liegt, Petplay real zu praktizieren?“
„Aus den Beiträgen im Forum und den meisten Stories geht hervor, dass die Leute das Petplay als Ableger des BDSM betrachten – und das liegt uns nun ganz und gar nicht! Sicher, davon lesen kann man. Hier und da läuft einem beim Lesen ein Schauer den Rücken hinunter. Aber eines fehlte lange Zeit völlig: Es ist zu sehr körperbetont! Die Gefühle werden kaum angesprochen. Man schielt zu sehr auf die eigene Lusterfüllung und geht davon aus, dass der Mitspieler dann ebenfalls Lust empfindet. Das mag ja sein, aber die Gefühle werden davon nicht angesprochen. Die Zärtlichkeit bleibt auf der Strecke. Geborgenheit will sich nicht einstellen.
Da fiel mir die Geschichte von Veranstalter dieses Events in die Hände und plötzlich erkannte ich, dass Petplay und BDSM nicht zwingend zusammengehören müssen. Als er dann zu diesem Event eingeladen hat, wollte ich unbedingt hier hin, um das einmal real zu erleben.“

„Und jetzt bist du enttäuscht. Dazu kann ich nur sagen, ob ein Event Spaß macht oder nicht, hängt von den Teilnehmern ab. Der Veranstalter kann nur moderieren und den Service in Gang halten. Die Teilnehmer dagegen geben das wieder, was du auch auf der Seite der Community im Internet festgestellt hast.
Ich mache dir einen Vorschlag: Ich gehe zu Dieter, so heißt der Veranstalter real, und erzähle ihm von euch. Er hat sicher einen Rat parat.“
„Ja, okay,“ stimme ich zu und schaue Lisa dabei an. Sie nickt kaum merklich.
Lena erhebt sich und geht zu dem Tisch in der Nähe der Theke, an dem der Veranstalter gerade mit einem männlichen Teilnehmer des Events spricht. Um uns herum brechen die anderen Teilnehmer des Events nacheinander auf.
Lena spricht kurz mit Dieter, der zu uns herüberschaut und kurz lächelt. Dann spricht er noch einmal mit dem Gast, der sich erhebt und in Lenas Begleitung an unseren Tisch kommt.
„Hallo, ich bin der Klaus. Darf ich fragen, welche Wünsche und Phantasien, Träume und Sehnsüchte Sie antreiben? Was hat Sie zur Teilnahme an diesem Event bewegt?“
„Um es gleich klarzustellen,“ antworte ich bestimmt, „für ein Sexdate sind wir nicht hierhergekommen!“
Der Mann hebt abwehrend die Hände.
„Danach steht mir beim ersten Kennenlernen überhaupt nicht der Sinn! Ich will einzig reden, kennenlernen, spüren, ob Sympathie rüberkommt, oder nicht. Ich bin keiner von der ‚Ohne-Anlauf-Fraktion‘!“
„Okay,“ sage ich. „Das wollte ich nur mal vorausgeschickt haben. Wir zählen uns zu den Katzen, das heißt wir sind eigenständig. Unser Vertrauen zu gewinnen braucht seine Zeit. Dann mögen wir gerne kuscheln und dass sich unser eventueller Owner gefühlvoll mit uns beschäftigt. Schmerzen und unhygienisches mögen wir gar nicht!“
„Ich denke mal, ich stelle mich kurz vor: ich bin 51 und seit drei Jahren geschieden. Ob ich mich nun mit Hündinnen oder Katzen beschäftige, muss ich noch selbst herausfinden. Aber gleich mit zweien? Ich bin nicht sadistisch veranlagt, möchte Sie also nicht als mein Spielzeug benutzen, sondern Ihnen Gelegenheit geben Ihre Gefühle auszuleben. Der Halter eines echten Tieres kümmert sich um das Wohl und die Pflege, dafür ist das Tier ihm gegenüber hingebungsvoll und treu. Beide Seiten tragen also zum Gelingen bei. Genauso verstehe ich eine Pet-Owner-Verbindung.
Genau wie gegenüber einem Tier, übernehme ich auch gegenüber einem Pet Verantwortung. Mir ist bewusst, dass Sie als Frau ihre Selbstverantwortung kaum aufgeben wollen! Aber in der Zeit, in der Ihr Vertrauen wächst – was durchaus Wochen bis Monate dauern kann, das ist mir bewusst – können sie Teile ihrer Verantwortung auf mich übertragen und auch wieder entziehen!“
„Das ist in etwa das, was ich in der Geschichte des Event-Veranstalters gelesen habe. Plappern Sie da etwa etwas nach, oder ist das ihre echte Überzeugung?“ hakt Lisa jetzt nach, bevor ich selbst etwas sagen kann. Das Ganze kommt auch mir etwas seltsam vor.
„Dieter hat auch meinen Herrn, Paul, von seiner Sicht auf das Petplay überzeugt,“ wirft Lena dazwischen.
„Ich muss gestehen,“ antwortet Klaus, „dass das Gesagte eher meinem Gefühl entspricht. Ich selbst habe noch wenig Erfahrung darin ein Pet verantwortungsbewusst zu führen. Ich habe eben mit Dieter gesprochen und er hat mir versprochen, mir zu zeigen wie das unterbewusste Gefühl in bewusstes Tun überführt werden kann. Möchten Sie gleichzeitig mit mir bei Dieter in die Lehre gehen?“
Ich werfe Lisa einen vielsagenden Blick zu. Eigentlich würde ich das Gespräch hier abbrechen wollen. Aber nachdem die letzten vier Eventteilnehmer den Grillplatz verlassen haben, kommen Dieter und Paul mit der älteren Servicekraft auf uns zu.
„Dürfen wir uns setzen?“ fragt Dieter und setzt sich wie selbstverständlich neben Klaus.
Neugierig bleibe ich sitzen. Die Anderen setzen sich ebenfalls.
„Was denken Sie über Petplay allgemein und das Event im Besonderen?“ richtet Dieter seine Frage an mich und Lisa.