Montag, 5. Oktober 2020
Suìmh Aille -01
Mein Curadh -Meister/Herr- Eamon hat es sich auf einer der Bänke in der Uaimh ghorm –blaue Höhle- bequem gemacht. Ich darf neben ihm liegen, den Kopf auf seinem Oberschenkel gebettet. Das Badehaus von Suìmh Aille ist noch nicht überlaufen, wie auch der Ort erst noch im Aufbau ist. Auch mein Curadh döst vor sich hin, nachdem wir eben geschwommen haben. Meine Gedanken entfernen sich immer mehr von diesem Ort.
Sein Ich ist alles, was ich wahrnehme. Die Umgebung wird für mich bedeutungslos. Ich liebe ihn Eamon.
Bin ich nun sein Besitz, weil ich ihn liebe, oder liebe ich ihn, weil ich sein Besitz bin? Jedenfalls gehöre ich uneingeschränkt Eamon, meinem Curadh! Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit. Sein Wille allein ist entscheidend, denn er verhält sich verantwortungsvoll und gibt mir Sicherheit und Geborgenheit!

*

Meine Gedanken wandern zurück zu den Anfängen unserer besonderen Beziehung. Damals habe ich als Sophie Buchner in einer kleinen Werft an der deutschen Nordseeküste als Büromaus gearbeitet. Mein Job hat mir wenig Abwechslung geboten.
Zum Ausgleich habe ich mich nach Jahren der Sinnsuche auf einer internationalen Internet-Seite angemeldet, deren Thema das Ausleben des ‚inneren Tieres‘ ist. Auch Stammtische und Events wurden dort beworben, aber ich habe mich nie getraut, mich anderen Menschen zu öffnen. Lieber gehe ich zuhause auf alle Viere und spiele mit meiner Katze und unserem Spielzeug.
Die Internet-Seite hat auch verschiedene Gruppen, in denen sich Leute zusammenfinden um über bestimmte Themen zu reden, oder auch nur mit Leuten aus der gleichen Gegend oder mit der gleichen Muttersprache zu texten. Ich halte mich dort zurück und lese meist nur mit, was die Anderen schreiben.
Irgendwann fällt mir auf, dass jemand seit meinem letzten Aufenthalt auf der Seite eine neue Gruppe gegründet hat. Sie heißt so schlicht wie ungewöhnlich ‚Suìmh Aille‘. Der Gründer der Gruppe ist Ire. Ich rufe das Wörterbuch in meinem Handy auf. Es übersetzt mir den Begriff als ‚Klippen Ort‘ und wird sicher ein Ortsname an der irischen Küste sein, denke ich mir.
Neugierig geworden, öffne ich die Gruppenseite. Dort lese ich nun:
„Deine Leidenschaft zu ignorieren wäre langsamer Selbstmord. Ignoriere niemals, wofür dein Herz schlägt. Gestalte deine Karriere nach deinem Lebensstil, nicht deinen Lebensstil nach deiner Karriere!
Das fasst ziemlich genau zusammen, warum ich Suìmh Aille aufgebaut habe. Der Ort liegt in der Grafschaft Kerry auf der Landzunge Sybil Head und ist in den überirdischen Bauten dem Kloster Skellig Michael auf der gleichnamigen Insel in Sichtweite nachempfunden.
Suìmh Aille befindet sich auf meinem Landbesitz und wurde ursprünglich von einem Filmteam als Kulisse für einen Star Wars Film errichtet.
Suìmh Aille ist eine Einrichtung zum Spielen und Verweilen. Für einen Mindestzeitraum von 3-4 Tagen können Gäste 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und bis zu 365 Tage im Jahr aufgenommen werden. Wähle einen Zeitraum, der zu dir passt und nicht an einen zeitlich begrenzten Veranstaltungsplan gebunden ist.“
‚Hm,‘ denke ich. ‚Weit genug weg ist es ja, dass mich niemand erkennt, wenn ich dort meine innere Katze herauslassen könnte. Aber zu einem Haustier gehört auch ein Tierhalter. Schließlich braucht meine innere Katze einen Büchsenöffner!‘
Ich melde mich also in der Gruppe an. Ihr Administator nennt sich Iarla Eamon Ciaraì. Anscheinend will kaum jemand sein Faible in Irland ungestört ausleben, denn es verirrt sich lange Zeit kein anderes Mitglied der Seite in die Gruppe.
Bald entwickelt sich ein Gespräch über die Funktion ‚Persönliche Nachrichten‘ mit dem Mann. Ich erzähle ihm anfangs, dass ich mich als Kitten sehe.
„Wo liegt für dich der Unterschied zwischen Doggie und Kitten?“ fragt er mich. „Beides sind Pets, die in der Wohnung beim Meister leben…“
Ich sage ihm gleich, dass ich nicht gewohnt bin auf Kommandos zu reagieren, sondern jemanden suche, der fürsorglich mit mir umgeht. Ich habe meinen eigenen Kopf und komme von selbst, wenn ich Streicheleinheiten brauche.
„Hm,“ meint er. „Das klassische Klischee vom Hund, der einen Herrn braucht; gegenüber einer Katze, die einen Dosenöffner braucht…“
Daraufhin sende ich ihm ein Lächel-Smilie und schreibe dazu: „Das ist doch so!“
„Ich möchte die Stereotypen gerne aufweichen!“ antwortet er mir. „Stelle dir einmal vor, du würdest deinen rationalen Alltag mit seinen Sorgen und Zwängen zurückdrängen und in den Käfig sperren, in dem jetzt dein inneres Tier gefangen ist. Stattdessen lässt du dein inneres Tier frei agieren mit all den momentan erlebten Gefühlen, die du nicht versteckst, sondern herauslässt.“
„Das bin ich doch!“ habe ich zurückgeschrieben. „Das ist die Katze in mir, wenn ich sie frei lasse!“
„Halt!“ meint er jetzt. „Nicht so schnell! Stelle dir nun einen Tierhalter vor, der sich um dich kümmert, dich versorgt, dich pflegt. Der dich aber auch trainiert: Du sollst das richtige Laufen lernen auf allen Vieren. Du sollst die Gestik und Mimik des Haustieres lernen, um in deinem Verhalten so nahe wie möglich am Verhalten eines echten Haustieres zu agieren. – Und du sollst Codewörter kennenlernen, mit denen der Tierhalter dich zu bestimmten Handlungen veranlasst, wenn das nötig ist. Ansonsten darfst du frei agieren, deine Gefühle ausleben.“