Montag, 12. Oktober 2020
Suìmh Aille -08
Bradáin wiederholt die Geste und den Spruch meines Curadhs, dann beginnen sie zu frühstücken. Auch ich senke meinen Mund nun über die Schale.
Nach dem Frühstück bin ich erst einmal mir selbst überlassen. Der Mac Léinn beschäftigt sich mit der Hausarbeit und mein Curadh verlässt das Haus, um im Ort nach dem Rechten zu sehen. Er hat mir erzählt, dass heute einige Besucher kommen werden, um sich anzusehen, welche Zukunftsmöglichkeiten ihnen Suìmh Aille bietet.

*

Ich habe mich auf mein Schaffell neben dem Kamin zurückgezogen und abgewartet, bis im Haus Ruhe eingekehrt ist. Danach erhebe ich mich und schleiche auf allen Vieren durch die Seomrai beo –Wohnhalle- hinüber zu den Räumen gegenüber der Küche, wo hinein der Mac Léinn Bradáin verschwunden ist. In die Räume gegenüber gelange ich, indem ich mich an der Tür strecke, um an die Klinke zu kommen.
Die Tür springt auf. Schnell halte ich sie fest, damit sie nicht mit großem Krach auffliegt. Ich gehe hinein und lehne die Zimmertür hinter mir nur an. Hier befinde ich mich in einem normalen Büroraum. Eine andere Tür führt weiter. Dahinter liegt, wie ich dann sehe, ein Besprechungsraum mit einem großen Tisch und Aktenschränken rundum an den Wänden. Durch die nächste Tür gelange ich in das zur Wohnhalle hin offene Treppenhaus.
Über die Treppe, das weiß ich inzwischen, gelange ich zum einen in den ersten Stock. Dort liegen die Privaträume und Gästezimmer, sowie die Sanitärräume und ein Badeparadies. Zum anderen führt die Treppe auch in den Keller des Hauses, ein für mich noch unbekannter Bereich.
Zwar kenne ich auch den Hauswirtschaftstrakt noch nicht, der dem Bürotrakt gegenüberliegt, aber dort ist Bradáin -Lachs- noch zugange. Also entscheide ich mich, über die Treppe nach unten zu gehen. Dort liegt der Keller mit den Vorratslagern, auf Irisch das ‚Urlár Stórais‘. Um auf allen Vieren am besten die Stufen zu bewältigen, mache ich langsam und halte mich leicht schräg.
Unten angekommen, gehen sogleich die Wandlampen in Form von Kerzen an. Mein Herz rutscht in die Hose, aber dann sehe ich den Bewegungsmelder. Das Gerät ist doch sehr nützlich!
Hier befinde ich mich in einer Garderobe. Ich versuche vergeblich, die Tür gleich in der Nähe zu öffnen. Sie muss verschlossen sein. Wenn ich mich an der Tür umwende, habe ich einen langen und breiten Gang vor mir. Neugierig gehe ich in ihn hinein. An den Gangwänden beiderseits liegen weitere Türen. Ich öffne sie nacheinander und blicke in Räume voller Regale, in denen sich die unterschiedlichsten Gegenstände befinden. Zumeist handelt es sich um Lebensmittel, aber auch Werkzeug und Gerätschaften befinden sich hier.
Bald habe ich genug gesehen und gehe wieder zur Treppe zurück. Die niedrige Temperatur hier unten lässt mich frösteln. So führt mich mein erster Weg in der Wohnhalle wieder zu meinem Schaffell neben dem Kamin zurück. Die Funktion der verschlossenen Tür werde ich sicher irgendwann auch noch erfahren.
Irgendwann, ich bin wohl eingedöst, schreckt mich der Mac Léinn auf mit der Frage:
„An bhfuil ocras ort -Bist du hungrig-?“
Ich schaue ihn an, gähne und werfe den Kopf in den Nacken. Er lacht und sagt:
„Ansin teacht go dtí an chistin. Rinne mé rud éigin le hithe dúinn -Dann komm in die Küche. Ich habe uns etwas zu essen gemacht-.“
Neugierig erhebe ich mich und folge ihm in die Küche. Er hält mir die Tür auf. Ich erkenne hier zwei Küchenzeilen an den Längswänden, unterbrochen von einem riesigen Ungetüm von emailliertem Herd und einem kleinen Essplatz. Beidseitig führen Türen in weitere Räume. Bradáin setzt sich auf den Hocker an den niedrigen Tisch und stellt mir meine gefüllte Schale neben sich.
Mich der Schale nähernd, werfe ich einen prüfenden Blick hinein. Es sind Reste vom Frühstück, genau das Gleiche was er auch vor sich stehen hat. Möglicherweise hat er sich heute Morgen in den Mengen verschätzt. Das wird er mit der Zeit noch lernen!
Die erste Zeit verbringen wir schweigend nebeneinander mit Essen. Schließlich hält er es wohl nicht mehr aus. Er fragt:
„Cad a spreagann duine i ndáiríre ligean air féin gur ainmhí é? -Was motiviert eine Person tatsächlich dazu, sich als Tier auszugeben-?“
„Hm,“ mache ich und schlucke den Bissen hinunter.
Dann setze ich mich bequem auf den Fußboden, die Beine angewinkelt und schaue ihn an.
„Es gibt Menschen, die in sich ein Tier fühlen. Wegen dem rationalen Alltag um uns herum und den Menschen, die das nicht verstehen, lassen diese Menschen ihr inneres Tier nur ab und zu an die Oberfläche, – oder wie hier – nur in einer Umgebung, in der sie sich sicher und geborgen fühlen können.
Was fühlen diese Menschen in ihrem Inneren? Das ist schwer zu erklären: Zum einen sagt man, Tiere sind ‚Gefühlsmenschen‘. Sie leben ihre Gefühle sofort und spontan aus, warten damit nicht bis sie allein sind. Zum anderen sind Tiere keine ‚niederen Lebewesen‘! Sie stehen als Teil der Natur mit uns auf gleicher Stufe. Hunde und Katzen zum Beispiel sind Familienmitglieder des Menschen geworden.“