Sonntag, 18. Oktober 2020
Suìmh Aille -14
Wir gehen alle in das Zimmer gegenüber und Papa wuchtet den Koffer auf das Bett. Dann ziehen sie sich zurück und lassen mich mit Mama und Tante Emma allein. Mama öffnet den Koffer und klappt den Deckel hoch. Zum Vorschein kommt ein Traum in Weiß. Mama und Tante Emma machen große Augen. Ich ziehe mich in das angrenzende Gäste-Bad zurück und Mama bringt mir nacheinander die Kleidungsstücke, die Tante Emma vorsichtig aus dem Koffer nimmt. Ich wechsele nun meine Kleidung und ziehe die Festkleidung mit Mamas Hilfe an. Nach der Unterwäsche bringt sie mir ein bodenlanges weißes Kleid mit keltischen Mustern aus silberfarbenem Faden zwischen denen Perlen vernäht wurden. Rechts und links wird das Kleid durch Schnüre gerafft und ein Gürtel in Weiß mit dem gleichen Muster vervollständigt das Bild. An beide Oberarme wird je ein Tuch geknöpft, die in Falten bis zum Unterschenkel hinunterfallen. Lange Manschetten bilden die Ärmel. Mama hilft mir, sie zuzuknöpfen. Danach kämmt sie mein Haar vor dem Spiegel und steckt das Diadem in meiner Frisur fest, das ich mir mit zittrigen Händen aufsetze. Nun erhebe ich mich und Mama hilft mir den Festumhang in meinem Rücken an den Schultern zu befestigen. Gold an Hals und Handgelenken vervollständigt die Braut. Mama hat sich inzwischen gefasst. Nichts scheint sie mehr erschüttern zu können. Sie umrundet mich einmal und nickt dann. Ich raffe nun Kleid und Umhang. Mama hilft mir nun in die Schuhe. Dann gehen wir hinüber in das andere Gästezimmer, wo ich mich Papa und Onkel Peter präsentiere.
„Wow,“ mach Onkel Peter. „Du siehst aus wie eine Prinzessin!“
Papa hält mir seinen Unterarm hin und ich lege meine Hand darauf. So verlassen wir die Herberge. Ich führe meine Leute zwischen den immer gleichen bienenstockförmigen Häusern zum Haus des Méara. Auf dem kurzen Weg begegnen uns immer wieder Menschen aus Suìmh Aille. Die Männer tragen Kilt und Hemd. Ein Tuch liegt gefaltet quer über ihre Brust und Rücken, und wird vom ledernen Gürtel gehalten. Die wenigen Damen tragen bodenlange Kleider mit vielen Stickereien. Viele der Passanten schließen sich uns an, so dass ein ‚Zug‘ entsteht bis wir unser Haus erreichen.
Ich betätige die Türglocke. Eamon öffnet. Auch er hat Festkleidung angezogen. Er trägt einen dunkelblauen Mantel mit breitem grauen Fellkragen, unter dem schwarze Stiefel hervorschauen. Auf der rechten Seite hat er den Mantel zurückgeschlagen und hinter das Schwert am Waffengürtel drapiert. Er trägt rechts eine metallene Unterarmmanschette, links besteht sie aus schwarzem Leder. Ein gesticktes Fabeltier in Gold ziert seine Brust.
Eamon macht lächelnd den Eingang frei und Bradaìn Platz, der unser „Gefolge“ in die Halle führt. Mein Curadh führt meine Leute und mich durch das Büro in einen kleinen Raum, der nur mit einem Buffet, Tisch und Stühlen möbliert ist, das „Herrenzimmer“. Dann verlässt er uns in Richtung Halle, um dort die Bewirtung der Gäste zu organisieren.
Nachdem der Méara seine Gäste begrüßt hat und die Mic Léinn mit der Bedienung beginnen, kommt er kurz zu uns und fragt in der Tür:
„Josef, willst du das Fest von Beginn an miterleben und später dann Sophie und Birgit dazu holen? Peter und Emma, ihr könnt gerne auch jetzt schon mitkommen!“
„Gern,“ gibt Papa zurück und schlüpft durch den Türspalt, den Eamon offenhält. Auch Onkel Peter und Tante Emma lassen es sich nicht nehmen, jetzt schon ihre Plätze in der Seomrai beo -Wohnhalle- einzunehmen.

*

Ich halte mich an der Seite meines künftigen Schwiegersohnes, des Iarla Ciaraì. Wir treten an den großen Tisch in der Halle seines Hauses. Eamon weist uns unsere Plätze rechts und links neben sich zu. Die Plätze zu seiner und meiner Linken lässt er frei. Hier sollen bald Sophie und Birgit Platz nehmen.
Ein Mac Léinn -Azubi zum Butler, wie mir Eamon erklärt hat- tritt an uns heran und reicht uns Tassen, die er daraufhin mit Tee füllt. Andere Bedienstete tun gleiches bei den anderen Gästen. Eamon schnippt ein paar Tropfen über einen Stein, der vor ihm in der Tischplatte eingelassen ist und sagt etwas in Irisch, dann schaut er in die Runde und ergänzt auf Englisch:
„Allumfassende Natur, schenke unserem heutigen Vorhaben Glück und Segen.“
Er wird die Zeremonie wohl mit Rücksicht auf uns zweisprachig durchführen. Die einheimischen Gäste wiederholen diese Zeremonie und skandieren dann dreimal den Namen der Stadt.
„Ihr müsst euch an den anderen Gästen orientieren und es ihnen gleichtun,“ flüstert mir Eamon zu.
Ich sage also laut auf Deutsch:
„Allumfassende Natur, schenke unserem heutigen Vorhaben Glück und Segen,“ schaue dabei Peter und Emma auffordernd an. Auch sie wiederholen die Bitte, während sie den Stein in der Tischplatte benetzen.
Dann sagt Eamon etwas zu einem Mann in unserer Nähe, während er den Kopf leicht neigt. Mir übersetzt er flüsternd:
„Ich sagte: Ehrenwerter Leigheas –Heiler-, die Ehre die Zeremonie zu leiten dir gebürt.“
Er tritt einen Schritt zurück und ergänzt: „Der Heiler ist eine Person mit hohem Ansehen, ähnlich den Druiden früher. Gehst du jetzt Sophie und Birgit hinzuholen?“
Die Bediensteten entzünden Kerzen auf den Tischen und der Heiler tritt näher. Während er sein Wort an die Versammlung richtet, hole ich Sophie und Birgit an den Tisch. Sie bleiben noch einen Augenblick hinter meinem Rücken stehen.
„Nimmst du Sophie an die Hand und führst sie neben mich, dem Heiler zugewandt?“ fragt Eamon mich nun.
So stehen wir zu viert vor dem Heiler. Er ergreift das Wort auf Englisch, damit wir alles verstehen können:
„Sophie, wirst du den hier anwesenden Eamon lieben und erfreuen, ihn und seinen Heimstein, sowie Mutter Erde ehren und schützen, solange du lebst? Willst du ihm als seine Partnerin beistehen in guten und schlimmen Zeiten?“
„Ich will!“