Sonntag, 25. Oktober 2020
Suìmh Aille -21
Gleich am Tag nach meiner Rückkunft in Deutschland muss ich wieder arbeiten. So dauert es bis zum frühen Abend, bis ich wieder ins Internet komme. Als Erstes rufe ich die Seite der Petplay-Community auf und gehe zur Gruppe „Suìmh Aille“. Ich schreibe einen kleinen Bericht von meinem kurzen Aufenthalt und schicke ihn ab, damit jeder Interessent lesen kann, was ich erleben durfte. Ich kann nicht anders, als mich im letzten Satz bei Iarla Eamon Ciaraì dafür zu bedanken.
In den darauffolgenden Tagen überlege ich, wo ich lieber leben würde und als was. Ich komme zu dem Schluss, dass ich doch gerne nach Irland ziehen würde, wenn es möglich wäre, im Alter eine ausreichende Rente zu haben. Wie das aussehen könnte, frage ich Curadh Ciaraì per Skype.
Gleichzeitig werde ich ‚bombardiert‘ von neugierigen Petplayern, die wissen wollen, was dort in Suìmh Aille ‚abgeht‘. Geduldig antworte ich den Leuten:
„Wie ich in meinem Artikel schon geschrieben habe, habe ich mich gut versorgt gefühlt, die Owner haben sich verantwortungsbewusst um alles gekümmert und unser Wohl im Auge gehabt.“
„Ja, aber was wird denn im Einzelnen gemacht?“
„Ich war ja nun nur wenige Tage dort und durfte ‚hineinschnuppern‘, aber es verhält sich genauso als wärst du ein echter Hund: Du bekommst Kommando-Training. Wie heute in allen wirklichen Hundeschulen üblich, wird dafür die ‚positive Verstärkung‘ genutzt, also Motivation über Lob und Belohnung. KEIN Sadomaso, keine Schmerzen!“
„Was heißt ‚Lob und Belohnung‘ in dem Zusammenhang?“
„Na, hast du alles richtig gemacht, bekommst du ein Leckerlie und wirst dabei verbal gelobt, seine Hand streicht zart über deinen Kopf.“
„Hm,“ schreibt dieser Mensch zurück. „Davon werde ich höchstens dick, lerne aber nichts!“
Ich gehe nicht weiter darauf ein. Ein Anderer fragt, was sonst noch angeboten wird, denn NUR Kommando-Training wäre mit der Zeit doch langweilig. Die Konzentration ließe nach.
Ich bestätige ihm seine Annahme und schreibe:
„Da hast du Recht! Das Kommando-Training wird immer wieder einmal durch Hundespiele unterbrochen. Auch bringt man uns dort die ‚nonverbale Kommunikation‘ von echten Hunden bei, damit unser Verhalten immer besser dem der Hunde gleicht.“
„Oh,“ schreibt dieser Petplayer zurück, „wie soll ich das verstehen?“
„Nun,“ antworte ich ihm, „unsere Hunde verständigen sich untereinander und mit ihren Menschen mittels eines reichen Schatzes an Mimik und Gestik. Sie lassen ihre Emotionen sofort heraus, wenn sie in ihnen aufsteigen. Ihre Handlungen sind also großenteils emotional bedingt. Aber es gibt auch rationale Handlungen: Sie wiegeln ab, sobald jemand sich ihnen aggressiv zeigt. Begegnen sie Fremden, dann beschwichtigen sie gleich zu Beginn der Begegnung. Sie vermeiden möglichst jeden Streit!“
„Ah, und wie sehen solche Gesten im Einzelnen aus?“ werde ich nun schriftlich gefragt.
Ihm antworte ich:
„Als Beispiel: Treffen sich zwei, dann wenden sie den Blick voneinander ab, wenden den Kopf oder gar die komplette Seite zum Gegenüber, je nachdem wie arg beschwichtigt werden muss. Sind zwei beieinander und kommen sich zu nah, dann fordert Einer den Anderen zum Spielen auf. Der rationale Grund dahinter ist: Wer spielt der tut mir nichts Böses an. Diese Spielaufforderung geschieht, indem er die Vorderbeine beugt. Dadurch kommen die Schultern in Bodennähe. Sie muss zum Anderen aufschauen. Die Hinterbeine bleiben dabei in Normalstellung. Jetzt kann ein Ball, oder irgendein anderer Gegenstand zu dem Anderen mit Kopf oder Faust hingestoßen werden.“
„Das ist also eine Sprache ohne Worte, zum Teil mit emotionalem, zum Teil mit rationalem Hintergrund,“ resümiert mein Gesprächspartner.
„Ja,“ bestätige ich, „das ist es.“
„Und das lernt man dort in einer Hundeschule?“ schreibt er die nächste Frage.
„So ist es,“ schreibe ich einfach zurück.
„Was kostet die Schule eigentlich?“ fragt ein Anderer.
Hier zögere ich. In diese Pause kommt Curadh Ciaraì on. Er schreibt:
„Geh‘ in irgendein Reisebüro für eine Schnuppertour und buche eine Pauschalreise nach Irland. Gib an das Landhaus des Grafen von Kerry in Killarney im Reisbüro. Dort sind Gästezimmer, ein Park und ein Automuseum. Man kann gehen auf Wandertouren in die Umgebung oder besuchen wechselnde kulturelle Veranstaltungen. Alles ist inbegriffen im Preis.
Wenn du nimmst nicht wahr die Angebote, sondern stattdessen möchtest besuchen die Hundeschule, die Gelder werden sein umgebucht dorthin. So du hast keine zusätzlichen Kosten!“
„Oh,“ meint der Schreiber. „Das hört sich interessant an!“
Ein ‚Plop‘ macht mich auf das Skype-Fenster aufmerksam. Ich öffne es und sehe eine Nachricht von Curadh Ciaraì darin. Aufgeregt öffne ich die Konversation.
„Hallo Susi,“ begrüßt mich der Méara, „ich kann deiner Anfrage entnehmen, dass du überlegst dir, zu verlegen deinen Wohnsitz nach Suìmh Aille. Ich würde freuen mich! Wie auch immer, ein Curadh wird sich müssen finden für dich. Neben den üblichen Steuern und Versicherungen dieser Mann wird abschließen eine private Rentenversicherung auf dich. Wenn dein zukünftiger Curadh sollte dich verlassen, oder sein Geschäft insolvent geht bankrott – man muss ja auch bedenken die unwahrscheinlichsten Szenarien – wird Suìmh Aille übernehmen die Zahlungen!“
Ich lächele. Mir ist, als hätte sich eine Klammer um meine Seele gelöst und lässt mich nun freier atmen.
„Ich würde gerne in der Hundeschule als Instrukteurin arbeiten – auf allen Vieren, versteht sich!“ antworte ich ihm.
„Du hast dazu das Zeug!“ sagt der Curadh. „Ich habe gelesen die Diskussion durch. Ich dich sofort einstellen würde, aber du willst es ja machen aus der Perspektive einer Doggie heraus…“
Eithne hat mir den Ablauf ihrer Kündigungen beschrieben. Ich gehe nun genauso vor. Allerdings ziehe ich nicht zu meinen Eltern, sondern in ein Zimmer der Jugendherberge neben dem Hauptbahnhof, bis alles in ‚trockenen Tüchern‘ ist und ich reisen kann.

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