Samstag, 17. Oktober 2020
Suìmh Aille -13
Tatsächlich sieht man hier niemanden in zivil. Alle Leute, denen die Gruppe begegnet, tragen traditionelle Kleidung. Nur die kleine Reisegruppe trägt zivil, und ist damit unschwer als Touristen zu erkennen.
„Du sagtest, der Gründer von Suìmh Aille und jetzige Ortsvorsteher sei Graf Kerry, also der Herr dieser Grafschaft hier?“ nimmt Onkel Peter den anfänglichen Faden wieder auf. Er ist wohl auf der Spur von Vermögen…
„Der Herr der Grafschaft Kerry –Jarla Contae Chiarrai- hat einige Kilometer entfernt von hier sein Herrenhaus -Teach Mainéir- in ein Automuseum umgewandelt mit Gästezimmer. Dort kann man alte Autos bewundern, aber auch wohnen. Die Autos sind alle noch fahrbereit und können für Ausfahrten gemietet werden. Der Graf –Jarla- hat seinen früheren Butler zum Verwalter bestimmt.“
„Oh, wirklich? Daraus bezieht er sicher einen Teil seiner Einnahmen?“ lässt Onkel Peter nicht locker.
„Das weiß ich leider nicht zu beantworten,“ gibt Barry zu. „Ich weiß nur, dass von den Geldern ein großer Teil Suìmh Aille zugutekommt. Die Banken wollen ja auch bedient werden.“
„In England haben die Lords einen Sitz im Oberhaus und sind so in die Gesetzgebung ihres Landes eingebunden. Ist das hier in Irland auch so?“ fragt nun Papa. Er will sicher den Einfluss seines angehenden Schwiegersohnes abchecken.
Barry erklärt: „Das irische Parlament –Oireachtas- teilt sich in das Unterhaus und das Oberhaus –Sean ad Éireann- hat sechzig Mitglieder. Elf davon werden vom Premierminister ernannt. Die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ernennen die restlichen 49 Mitglieder. So können Grafen -Jarla- darin sein, aber das ist nicht zwingend, so wie in England!“
„Ah, und Jarla Ciaraì ist nicht im irischen Oberhaus?“
Barry schüttelt den Kopf und antwortet:
„Der Méara hat andere Aufgaben, die seinen ganzen Einsatz erfordern.“
Barry führt die Reisegruppe nun weiter im Ort herum und erklärt wer hinter den immer gleichen Mauern wohnt. Auf ihrem Weg haben sie den Ortsrand erreicht und können den Ausblick auf eine leicht hügelige Ebene genießen. Nach wenigen Momenten wendet der Mac Léinn sich zur Seite und zeigt auf eine Reihe ‚Windmühlen‘.
„Dort wohnen und arbeiten die Handwerker, die uns mit allem Nötigen versorgen,“ erklärt sie. „In den Bauten davor sind die Handelshäuser untergebracht.“
„Oh,“ meint Mama. „Da könnte man doch einmal shoppen gehen!“
Papa grinst und schaut auf seine Armbanduhr.
„Heute wird da nichts draus, Birgit! Wir sollten langsam umdrehen, damit wir rechtzeitig in der Herberge zurück sind.“
Es ist schon früher Nachmittag. Mama nickt ergeben. Sie lassen sich von Barry zurückführen. An der Herberge spricht er den jungen Mann an:
„Vielen Dank, Barry, für die aufschlussreiche Führung. Ohne Sie hätten wir bestimmt nicht wieder zurückgefunden.“
Der Mac Léinn hat inzwischen den Eingang geöffnet und hält sie der Reisegruppe auf.
„Das ist mein Job,“ sagt er einfach und senkt den Kopf.
Drinnen meint Onkel Peter:
„Wir sollten auf den Zimmern auf Sophie warten.“
Er wendet sich an den Mac Léinn hinter dem Tresen im Foyer:
„Wäre es möglich vier Kännchen Kaffee und etwas Gebäck auf die Zimmer zu bekommen?“
„Aber natürlich,“ antwortet er. „Ich werde alles Nötige veranlassen!“
Die Vier durchqueren die Halle und steigen die Treppe zu ihren Zimmern hinauf. Oben angekommen meint Mama:
„Lasst uns doch zusammen in unserem Zimmer warten!“
Tante Emma pflichtet ihr bei und so gehen sie in Mama‘s und Papa’s Zimmer. Dort setzen sie sich an den Tisch.
„Die Stühle sind arg gewöhnungsbedürftig,“ stöhnt Mama, während sie sich am Tisch niederlässt.
Die Anderen machen es ihr gleich und kurz darauf serviert der Mac Léinn, der ihnen auch schon den Brunch gebracht hat, den georderten Kaffee mit Gebäck, um damit die restliche Wartezeit zu verkürzen.
Sie haben kaum ihre erste Tasse Kaffee getrunken, als es an der Zimmertür klopft.

*

Am späten Nachmittag nimmt Eamon den von Bradáin gepackten Koffer auf und verlässt mit mir, Sophie, das Haus. Sein Ziel ist die Herberge von Suìmh Aille. Wir klopfen an der Zimmertür meiner Eltern, da der Mac Léinn am Eingang sagt, dort befinden sich alle Gäste beim Nachmittagskaffee.
„Hallo, Josef,“ begrüßt Eamonn Papa lächelnd, als der die Zimmertür öffnet. „Wie war euer erster Tag in Suìmh Aille bis jetzt? Ich bringe dir deine Tochter, damit du sie nachher in mein Haus führst.“
„Hallo, Eamon,“ antwortete mein Vater schmunzelnd. „Der Tag war sehr aufschlussreich!“
„Das soll auch so weitergehen!“ verspricht Eamon. „Es folgt die Teilnahme an einem schönen Folklore-Abend! Bis in etwa anderthalb Stunden dann. Die Damen werden Sophie sicher beim Anziehen helfen.“
Mama und Papa nicken fast synchron. Mit einer leidenschaftlichen Umarmung verabschiedet sich Eamon von mir. Er übergibt Papa den Koffer mit meiner Festkleidung und geht nach Hause, um die letzten Vorbereitungen zu treffen.