Mittwoch, 7. Oktober 2020
Suìmh Aille -03
Er verharrt kurz an der Tür und schaut in die Runde. Dann zeigt sich ein feines Lächeln auf den Lippen und er nähert sich meinem Platz an der Theke. Als Erstes ordert er Tee bei der Bedienung. Während die junge Frau hinter der Theke die Bestellung fertigmacht, wendet er sich mir zu. Er sagt:
„Sie sind Sophie, sind Sie?“
Ich habe ein Bein ausgestreckt und den Fuß auf die Querstrebe des Barhockers gestellt. Nun nicke ich ihm freundlich zu und antworte:
„Stimmt, das bin ich! Und Sie sind Mister Ciaraì, bzw. Eamon?“
„In der Tat!“ sagt er nun in einem ungewohnten Dialekt. Auch die verwendete Grammatik lässt mich innerlich lächeln. „In den vergangenen Wochen wir haben getextet per Skype über die unterschiedlichsten Themen. Eins davon gewesen ist das Machtgefälle zwischen Herr und Hund.“
Ich nicke lächelnd und reiche ihm meine Hand, die er formvollendet fasst und an sich zieht. Gleichzeitig nähert sich sein Gesicht meiner Hand. Er wird doch nicht?! Er macht es! Er haucht mir einen Kuss auf den Handrücken.
Sein Blick hat etwas Gefühlvolles.
„Ich habe dir gelassen freie Hand, bei der Gestaltung des Nachmittages. Dazu nicht nur gehören die Orte, an denen du mit mir willst sein, sondern auch die Themen, über die du mit mir willst sprechen…“ redet er weiter.
„Hm,“ mache ich, und schaue ihn zweifelnd an. „Wir haben über so vieles getextet. Über das alles möchte ich mit dir gerne Aug in Aug reden. Ich halte das für authentischer…“
„Dann anfangen wir…“ meint er mit einem gewinnenden Lächeln.
Ich überlege kurz, werfe dann aber jede Planung über den Haufen, mit der ich vorgehabt habe das Gespräch zu steuern.
„Du hast schon etwas von BDSM gehört?“ beginne ich, denn die Gespräche der anderen Mitglieder der Internet-Seite kreisen immer wieder um das Thema. Viele Beiträge im Forum sind BDSM-gefärbt.
„Ja, ich habe…“ gibt er unumwunden zu. „Aber es nicht gibt DAS BDSM, sondern jedem seins, du siehst. Zwei Menschen sich treffen und reden darüber vorneweg. So sie vereinbaren IHR BDSM!“
„Und,“ frage ich, „bist du auch BDSMler?“
Ich schaue ihm dabei in die Augen. Sein Lächeln verdunkelt sich einen Wimpernschlag lang.
„BDSM du kannst unterteilen,“ sagt er. „Mein Lebensstil du am ehesten vergleichen kannst mit dem DS.“
„Das Wort ‚Lifestyle‘ impliziert, dass man es nicht nur in zeitbegrenzten Sessions ausführt, sondern danach lebt – rund um die Uhr.“
„Das ist richtig,“ meint er. Man sieht, dass er sich über meine Erkenntnis freut.
„Kann man auch kurzzeitig das Pet eines Owners sein?“ schieße ich meine nächste Frage ab, wie einen Pfeil auf seine Brust. „Also, ich meine, für ein paar Stunden bis zu einem Wochenende?“
Seine Augen lachen.
„Natürlich, du kannst,“ antwortet er.
„Ich hatte mir den restlichen Abend so vorgestellt, dass wir das hiesige Wattenmuseum besuchen. Dann sollten wir getrennt schlafen und wieder in unseren jeweiligen Alltag eintauchen. In der nächsten Zeit bis zu einem weiteren Treffen, falls es ein solches geben würde, hat jeder von uns Zeit das heutige Treffen zu bewerten.“
Nun ist es sein Part, mich mit großen Augen erstaunt anzusehen.
„Meine Fähre geht zurück nach Irland erst in einer Woche. Ich werde mir ein Zimmer nehmen irgendwo hier.“
„Ah,“ mache ich. „Hast du schon ein Zimmer für die Nacht?“
Er schüttelt den Kopf und verneint die Frage. Also wende ich mich an die Bedienung.
„Hi Jeanette, hat der Pub eigentlich auch Fremdenzimmer?“
„Ja,“ antwortet sie, „allerdings nur vier. Sie liegen hinten raus…“
„Okay, habt ihr für diese Nacht ein Bett mit Frühstück frei?“
„Ich schaue einmal…“ meint sie und dreht sich nach einem Kalender an der Wand um. „Ja, ein Zimmer ist frei in der kommenden Nacht.“
Sie schaut von mir zu Mister Ciaraì und wieder zurück zu mir. Mein Gegenüber nimmt das Heft auf, er sagt:
„Okay, dann ich miete das Zimmer.“
„Das kostet 40 Euro, zahlbar sofort!“ sagt sie und lächelt ihn freundlich an.
„Wäre das Zimmer auch frei bis Sonntag in acht Tagen?“ ergänzt er lächelnd.
„Joah,“ windet sich die Bedienung, „dann muss ich etwas umplanen, aber es geht.“