Freitag, 9. Oktober 2020
Suìmh Aille -05
Endlich kann ich nach Irland reisen. Ich fliege von Hamburg nach Dublin. Wieder habe ich mir Bedenkzeit ausbedungen. Eamon ist gerne darauf eingegangen. Also werde ich meinen zweiwöchigen Urlaub bei ihm verbringen und dann erst einmal wieder zurückfliegen.
Er holt mich am Flughafen mit einem weinroten viertürigen Oldtimer ab. Es soll ein Chevrolet Sedan von 1930 sein, erklärt er mir stolz auf meine Nachfrage hin. Ich bin gespannt, wie viele Oldtimer sonst noch in seiner Garage stehen und welches Anwesen mich wohl erwartet.
Inklusive einer Pause fahren wir fünf Stunden durch eine hügelige grasbewachsene, nicht enden wollende Landschaft. Am Ziel lenkt Eamon den Oldtimer durch ein offenstehendes schmiedeeisernes Tor auf ein Landhaus zu. Er hält an einem Nebengebäude mit großem Tor, durch das sicher früher Kutschen gefahren sein müssen.
Danach trägt er mir den Koffer die Außentreppe zum Eingang des Landhauses hoch. Als er die Eingangstüre aufgeschlossen und den Flügel knarzend aufgestoßen hat, stehen wir in der Halle des Hauses. Im hinteren Bereich führen zwei halbrunde Freitreppen rechts und links herum ins Obergeschoß hoch. Darunter führt eine gläserne Doppeltür in einen Wohnraum, aus dem uns jetzt eine Gestalt in schwarzem Anzug und Glatze entgegenkommt.
„Good afternoon, Master Ciaraì,“ begrüßt er den Hausherrn. „Do you have had a good journey?“
„Yes, thank you, James,“ antwortet Eamon. „We will show this Lady her room.“
„Okay,“ sagt James, der inzwischen herangekommen ist. Er übernimmt meinen Koffer. Dann gehen wir zu dritt in die obere Etage.
An einem langen Gang liegen dort rechts und links die Räume der Herrschaft und der Gäste, wie ich feststelle. Eamon öffnet zuerst das Gästezimmer, in dem ich die Woche verbringe, während meiner Bedenkzeit. Dann öffnet er eine Tür nach der Anderen und lässt mich einen Blick in die Räume werfen. So weiß ich auch, hinter welcher Tür ich das Bad finde, das alt und doch luxuriös eingerichtet ist.
Schließlich gehen die Männer wieder hinunter. Ich mache mich etwas frisch und begutachte dabei die Einrichtung meines Zimmers und des Bades aus der Nähe. Unten finde ich Eamon in einem Ohrensessel versunken und Tee trinkend neben dem Kamin, in dem ein kleines Feuer brennt. Er weist mir lächelnd mit einer Handbewegung den Platz in einem weiteren Sessel zu.
„Nun,“ meint er und blinzelt mir zu. „Wie gefällt das Anwesen dir?“
„Wow,“ ist das einzige, was ich herausbringe, nachdem ich Platz genommen habe. Vom Fenster meines Gästezimmers konnte ich einen kleinen Park hinter dem Haus überblicken. Nach kurzer Bedenkzeit ergänze ich: „Um dieses Anwesen herum sollen sich mit der Zeit andere Petplayer ansiedeln?“
Eamon schüttelt den Kopf.
„Haus mit Park ein Hotel wird. Das Nebengebäude zum Automuseum wird. James das Anwesen wird bewirtschaften und mir zahlen eine jährliche Pacht. Wir an die Küste ziehen werden. Diesen Ort ich dir auch noch zeigen werde!“
Wie versprochen, machen wir am nächsten Tag, einem Sonntag, einen Trip an die wilde Küste Irlands. James hat uns nach dem späten und üppigen Frühstück einen großen Picknickkorb mitgegeben. Unterwegs überholen und uns ständig Fahrzeuge, die in die heutige Zeit passen. Eamon ist jedoch nicht aus der Ruhe zu bringen. Er zeigt mir den Tacho, auf dem knapp dreißig Meilen pro Stunde angezeigt werden.
Endlich haben wir unser Ziel erreicht. Wir steigen aus. Eamon hält mir die Beifahrertür auf und trägt den Picknickkorb. Ich höre das Meer rauschen, kann es aber nicht sehen. Also müssen wir uns bestimmt an einer Stelle mit felsiger Steilküste befinden.
Vor uns sehe ich ein paar Steinhaufen in der Form von Bienenkörben. Dazwischen stehen Kräne und anderes Baugerät. Eamon hat mir erklärt, dass ein Filmteam aus den USA hier das Kloster Skellig Michael nachgebaut hat, das draußen auf der gleichnamigen Insel liegt, um ungestört arbeiten zu können. Die Kulissen haben aus Styropor bestanden. Nach dem Rückzug des Filmteams hat er die Kulissen vermessen und dann entfernen lassen. Danach hat er ein großes Loch in den Felsen bohren lassen und die ‚Unterwelt‘ von Suìmh Aille aufgegebaut. Mit dem Abraum lässt er nun die Kulissen in dauerhaftem Stein darüber errichten. Die bienenkorbartigen Gebäude erhalten innen bewohnbare Räume.
„Dies Suìmh Aille wird sein,“ stellt mir Eamon die Baustelle vor und geht zu der mit Schieferplatten belegten ‚Hauptstraße‘. Sie wird zwischen den Bauwerken breiter. Dort steht mittendrin eine Skulptur, die mich an einen Baumstumpf erinnert.
„Was stellt das dar?“ frage ich und zeige auf die Skulptur.
„Jede Kultur auf der Erde etwas hat, woran man erkennt sie,“ erklärt Mister Ciaraì. „Auf der Osterinsel es die Steinfiguren sind. Hier es der keltische Lebensbaum ist. Allerdings er nur noch als Stumpf existiert nach 1400 Jahren Christentum und Kapitalismus.“
„Ah, damit meinst du ‚Machet euch die Erde untertan‘ und dessen negativen Folgeerscheinungen…“ sinniere ich.
„Ja, das ist!“ antwortet er.
Wir gehen langsam zurück zum Auto. Eamon macht eine umfassende Geste in die Landschaft hinaus. „Suìmh Aille ein Verwaltungs- und Wohnort wird sein. Im Umland gearbeitet wird. Hier Farmen und Werkstätten werden entstehen, damit Suìmh Aille autonom kann werden. Wir werden produzieren fast alles, was wir werden brauchen. Dann wir können zurückzahlen die Finanzhilfe und später Projekte können starten für die Rettung der Natur.“
Eamon hat den Picknickkorb geöffnet, während er spricht. Nun Picknicken wir bei offenen Türen im Auto.
„Was kann ich dazu beitragen?“ frage ich Eamon direkt. Die Frage schwebt schon eine ganze Weile im Raum…
Eamon schaut mir direkt in die Augen.
„Der Mensch Pflanzen und Tiere beschützt und damit die Lebensqualität erhält auf dem Planeten. In gleicher Art im Kleinen der Mann die Frau, bzw. sein Pet, beschützt und eine Atmosphäre der Geborgenheit schafft. Dafür die Frau, oder sein Pet, dem Mann eine Atmosphäre der Entspannung schafft. Vertrauen und Zuneigung wachsen und die Frau ihren Liebesherrn finden kann, für die er bis ans Ende der Welt wird gehen!“