Dienstag, 13. Oktober 2020
Suìmh Aille -09
„Tá orm a lán a fhoghlaim faoi sin fós! -Darüber muss ich noch viel lernen-!“ meint er.
„Aber ja, du bist ja erst noch der Schüler von Iarla Eamon Ciaraì!“
Am frühen Nachmittag tritt Curadh Ciaraì mit Curadh Murchardh, unserem Leigheas -Heiler-, seinem Mac Léinn, Runa, seiner Doggie und etwa einem Dutzend weiteren Männern ein.
Beide Mic Léinn werden beauftragt, ein Bankett mit den unterschiedlichsten Speisen herzurichten und zu servieren. Den Gästen werden Sitzplätze angeboten, die Curadh Ciaraì so anordnet, dass vor dem Tisch zwischen Foyer und Treppenhaus eine schmale Freifläche bleibt. Anschließend führt Curadh Murchardh Runa durch etwa zwei Dutzend Hundekommandos, die er immer wieder einmal unterbricht, indem Runa Hundespiele oder spezifisches Hundeverhalten vorführen soll.
Ich sitze abseits auf meinen Fersen und ebenfalls schaue Runa bewundernd zu. All das will ich bald auch können. Mein Curadh hilft mir sicher.
Nach etwa einer Stunde beginnen die Mic Léinn das Essen aufzutragen und die Gäste verteilen sich rund um den Tisch. Bradáin stellt uns zwei gefüllte Schalen neben unsere Curadhs auf den Boden. Ich stelle stolz fest, dass die Gäste immer wieder einen Blick auf uns werfen.
Curadh Ciaraì eröffnet das Essen auch jetzt, indem er seine Tasse hebt, zwei Finger hineinsteckt, ein paar Tropfen auf seinen Cloch baile -Heimstein- verspritzt und sagt:
„Tugann nádúr cuimsitheach, léargas ceart dúinn inár dtionscadail. – Allumfassende Natur, schenke uns bei unseren Vorhaben die rechte Einsicht.“
Die Gäste wiederholen stehend die Zeremonie und skandieren dann dreimal den Namen unserer Stadt. Anschließend gibt mein Curadh Bradáin einen Wink. Dieser schaltet irische Musik ein, in einem Rhythmus, der in die Beine geht.
Nachdem mein Curadh Stunden später die Gäste verabschiedet und ihnen Schriftstücke zum Ausfüllen mitgegeben hat, bleibt Curadh Murchardh noch eine Weile bei Eamon sitzen. Sie resümieren den heutigen Tag, während die Mic Léinn die Tafel abräumen und die Küche säubern. Währenddessen unterhalte ich mich leise mit Runa, die den ganzen Tag mit den Curadhs draußen gewesen ist.
Sie sagt, dass die Curadhs den Ort in den social Communities im Internet bekannt gemacht haben. Heute sind acht Petplayer aus ganz Irland da gewesen, vier davon mit ihren Partnerinnen, um zu schauen, welche Entfaltungsmöglichkeiten ihnen Suìmh Aille bietet. Es sind alles Vertreter alter, aussterbender Handwerksberufe, für die ihre Arbeit zugleich zu ihrem Hobby geworden ist. Normalerweise könnten sie in der modernen Industriegesellschaft nicht mehr von ihren Berufen leben. Curadh Ciaraì will es ihnen hier in Suìmh Aille ermöglichen.
Tage später ist mein Rückflugtermin gekommen. Eamon bringt mich mit dem Chevrolet Sedan zum Flughafen nach Dublin zurück. Ich gehe seit heute Morgen wieder auf zwei Beinen, was mir anfangs schwergefallen ist. Er hat mich stützen müssen. Den ganzen Tag über und auch während des Rückfluges bin ich in Gedanken versunken. Es fühlt sich an, als streiten in mir zwei Geister miteinander. Das Herz sagt: ‚Komm schnellstmöglich zurück.‘ Eine Sehnsucht wie ein Gummiband, das gedehnt wird, erzeugt einen Trennungsschmerz. Das Gehirn sagt: ‚Sei froh, dass die Zeit auf vier Beinen vorbei ist! Überlege dir die nächsten Schritte gut!‘
Es ist ja nicht nur das Petplay, das ich ausleben durfte… Ich habe mich bei Curadh Eamon sicher und geborgen gefühlt. Zuneigung ist gewachsen.
Mein Urlaub ist vorbei und ich bin tagsüber wieder im Büro der Werft. Der Alltag hat mich wieder. Nach einer Woche, in der ich mich absichtlich von Eamon ferngehalten habe, steht mein Entschluss fest: Ich werde meine Arbeitsstelle kündigen und ganz nach Irland ziehen.
An diesem Wochenende setze ich mein Kündigungsschreiben auf und übergebe es tags darauf meinem Chef. Er sagt, er bedauert meine Entscheidung, aber er respektiert sie. Nach drei Monaten Kündigungsfrist wäre ich also frei für Irland. Sechs Wochen vor Ende der Kündigungsfrist kündige ich meine kleine Wohnung und ziehe mit kleinem Gepäck in mein früheres Kinderzimmer zu meinen Eltern.
Ich erzähle ihnen viel von Irland und dass, ich bei meinem letzten Urlaub dort einen Landlord kennengelernt habe. Wir hätten uns ineinander verliebt, sage ich meinen Eltern, und dass ich bald zu ihm ziehen will.
Sie wollen meinen späteren Partner kennenlernen. Das schreibe ich Eamon über WhatsApp. Er freut sich über meine Entscheidung und sagt, dass er meine Eltern am übernächsten Wochenende besuchen möchte, um sich ihnen vorzustellen. Ich gebe ihm die Adresse meiner Eltern und bin gespannt, wie er sich ihnen präsentieren wird. Dabei denke ich an meinen ersten Live-Kontakt mit ihm.
Die folgenden Tage helfe ich Mama im Haushalt und versuche den kommenden Sonntag nach irischer Art zu gestalten, damit Mama und Papa einen Eindruck davon bekommen, was sie als Gäste des Méara -Ortsvorstehers- in Irland erwartet.
Während des irischen Brunchs am Vormittag fragt Mama:
„Hat sich Eamon in den letzten Tagen einmal gemeldet? Gefragt, wie es dir geht, ob du an ihn denkst?“
Ich schüttele den Kopf und sage:
„Dann könnten wir unsere Gefühle füreinander nicht mehr unbeeinflusst prüfen.“