Mittwoch, 10. März 2021
Mars04-Das Gestüt (4)
?Ui, Papa!? Andrea ist sprachlos. ?Da kommt aber eine Menge Arbeit auf uns zu.?
?Dann sollten wir gleich damit anfangen,? meint Matt und lächelt seine Tochter freundlich an.
Sie haben bald ihr Frühstück beendet und gehen in den Durchgang zum Stall, um sich dort ihre Stiefel anzuziehen. Durch die Tür gelangen sie ins Büro und dann stehen sie im Mittelgang des Stalles. Ihr erster Gang führt sie zum Raum mit dem Futtervorrat. Dort füllen sie die Futtertröge für ihre drei Ponys und verteilen sie an die Boxentore. Dabei werden Bonnie, ihre Begleitstute Beauty und ihr neuer Hengst verständnisvoll freundlich begrüßt.
Die Tür im großen Stalltor öffnet sich knarzend und ihre Angestellte Mary betritt den Stall. Sie grüßt die Familie. Andrea nimmt sich sofort ihrer an und beginnt, mit ihr den Stall zu reinigen. Tina hat den beiden Stuten, nachdem sie gefrühstückt haben, je eine Führleine angelegt. Sie führt die beiden auf den Platz hinter dem Stall. Gleiches macht Matt nun mit ihrer Neuerwerbung, Sunshine. Er spannt ihn in die automatische Führanlage und schaltet die Apparatur ein.
Eine kleine Box, nur wenig breiter als der Hengst und etwa zwei Meter lang hängt an einem langen Arm, der von einem Elektromotor im Kreis bewegt wird. Sie zwingt den Hengst dazu, sich bei gleichbleibender Geschwindigkeit beständig vorwärts zu bewegen. Matt beginnt für ein paar Runden mit Schrittgeschwindigkeit. Anschließend ruft er:
?Sunshine, TRAB!? und erhöht die Geschwindigkeit des Motors per Fernbedienung entsprechend. Die Biodaten seines Hengstes hat er auf dem Monitor eines kleinen Handgerätes, das einen automatischen Alarm auslöst, wenn der Hengst Probleme hat.
Matt wendet seine Aufmerksamkeit nun Tina zu, die ihre beiden Stuten trainiert. Bonnie hat gute Chancen in Dressur beim Sommercup in Olympia. Davon ist er überzeugt. Tina lässt Beauty nur mitmachen, damit die beiden Stuten sich nahe sind. Sie würde bei den Wettbewerben nur letzte Plätze belegen, sich allenfalls ins Mittelfeld hocharbeiten können. Aber sie ist wichtig für die seelische Verfassung Bonnies: Beide sind Freundinnen und belegen die Nachbarboxen im Stall. Sie spielen miteinander und jagen sich gegenseitig, während der Freizeiten auf der Koppel.
Er schaut prüfend zur automatischen Führanlage hinüber und prüft die Vitalfunktionen seines Hengstes auf dem Handgerät. In seinem Kopf formt sich ein spezieller Trainingsplan. Heute ist Ausdauertraining für Sunshine angesagt. Ab morgen will er es bei zwei Stunden in der Führanlage belassen. Nach einer ausgiebigen Mittagsruhe hat er für Sunshine Krafttraining im Sinn.

*

Neben dem Konditionstraining, um längere Zeit gleichmäßige Geschwindigkeit zu laufen und sich die Kräfte einzuteilen, soll Sunshine allmählich auch Krafttraining erhalten. Matt hält dafür das Ziehen von Sulkies am besten geeignet.
Also führt er eines Morgens Sunshine nicht zur Koppel, sondern er nimmt den vorderen Ausgang des Stalles und führt ihn auf den Hof des Gestüts. Dort hat er schon ein Sulkie bereitgestellt. An der Wand, in der Nähe des Tores, befestigt Matt die Führleine an einem kleinen Metallring und geht kurz in den Ausrüstungsraum. Als er wiederkommt, hat er ein vollständiges Geschirr in der Hand.
Sunshine mustert es überrascht, denn bisher hat er so etwas noch nie tragen müssen. Es dauert einige Minuten, bis Matt ihm das Geschirr angelegt hat. Plötzlich fühlt der junge Hengst sich eingeengt und gleichzeitig entblößt. Es sind Gefühle, die er im Moment nicht wirklich einordnen kann.
?Na, das sieht doch klasse aus!? meint Matt und mustert Sunshine von allen Seiten. Hier und da korrigiert er den Sitz auf die Schnelle. Sunshine?s Gedanken überschlagen sich und er fragt sich, was das alles zu bedeuten hat. Schließlich ist er ein Renn- und kein Kutschpferd.
Matt löst die Führleine von der Wand und öffnet das Stalltor gerade soweit, dass sie hindurch gehen können. Er führt Sunshine hinaus auf den Hof. Der Hengst erkennt den Sulkie, ein leichtes zweirädriges Gefährt, das auch für Rennen eingesetzt wird.
Matt führt Sunshine näher an das Sulkie heran, dirigiert ihn direkt vor das Gefährt und befiehlt ihm, dort stehen zu bleiben. Er weiß nicht so recht, wie ihm geschieht, spürt aber, wie Matt die beiden Deichselstangen mit Hilfe von zwei elastischen Verschlüssen mit den beiden kleinen Metallringen verbindet, die sich seitlich am Gürtel seines Geschirrs befinden.
Unruhig verlagert er das Gewicht zwischen seinen Beinen, während sein Besitzer um ihn herum geht. Nun ist er so mit dem Gefährt verbunden, dass er seine Hüfte und Oberkörper kaum noch zur Seite drehen kann. Gleich darauf fühlt er, dass Matt etwas an seinem Rücken befestigt. Dort gibt es wohl auch mehrere Metallringe an seinem Geschirr. Allerdings kann er nicht sehen, womit sie verbunden worden sind.
?Jetzt haben wir es beinahe!? beruhigt Matt seinen Hengst und taucht wieder vor ihm auf. Er sieht seinen verwirrten Blick und tätschelt kurz seine Wange. ?Ganz ruhig! Dir passiert schon nichts!? versichert Matt zur Beruhigung und lächelt ihn kurz an.
Sunshine schnaubt leise. Die ganze Situation ist ihm nicht geheuer. Nebenbei hat er keine Ahnung, was Matt eigentlich mit ihm vorhat. Matt tritt seitlich neben ihn und hält ihn leicht am Zaumzeug fest, so dass er jetzt noch nicht einmal den Kopf drehen kann. Kurz darauf bekommt Sunshine an jeder Seite eine Scheuklappe. Nun kann er nur noch nach vorne sehen. Erneut schnaubt er. Dieses Mal jedoch eher verärgert als verunsichert.
Danach löst Matt die Führleine von seinem Zaumzeug und schiebt eine schwarze Trense an seine Lippen. Einen Augenblick lang hält Sunshine seinen Mund geschlossen. Doch dann öffnet er ihn langsam und lässt sich die Trense zwischen seine Zähne schieben. Auch wenn es ihm überhaupt nicht gefällt, was Matt gerade mit ihm macht, hat es keinen Sinn sich jetzt mit ihm deswegen anzulegen.
Sein Besitzer befestigt die Trense an den beiden Ringen des Zaumzeugs und vergewissert sich kurz, dass sie festsitzt. Zum Schluss befestigt Matt noch zwei lange Lederseile am Zaumzeug.