Samstag, 13. März 2021
Mars04-Das Gestüt (7)
Ich warte noch auf Beauty. Zusammen werden wir aus dem Stall auf den Hof geführt. Draußen steht eine Lastenrikscha und eine weitere zur Personenbeförderung, die Matt telefonisch angefordert hat für die Fahrt zum Rohrbahnhof. Ich atme die kühle Luft ein und spüre deren belebende Wirkung. Tina führt uns beide an die Rampe, der speziell für Pettransporte gebauten Rikscha. Matt ist hinzugetreten und hilft seiner Frau, uns in die Transportboxen zu bugsieren. Er sagt zu mir:
?Versuche entspannt zu bleiben, Bonnie, damit du nachher fit bist! Es wird eine weite Fahrt.?
Ich nicke leicht mit dem Kopf. Er verlässt die Ladefläche als Letzter und klappt danach von draußen die Rampe hoch, um auch diese mit Riegeln zu sichern. Kurz darauf ruckt der Anhänger, die beiden starken Hengste ziehen an und die Fahrt beginnt.
Unruhig trete ich in der engen Box von einem Bein aufs andere. Ich spüre, wie die Nervosität wieder steigt. Gleichzeitig macht sich aber auch eine gewisse Vorfreude in mir breit.
Bald hält die Rikscha am Rohrbahnhof und Tina übernimmt das Umladen in eine Box im Gepäckwagen der Rohrbahn, während Matt zum Schalter geht, um die Passage zu bezahlen und die Fahrscheine in Empfang zu nehmen. Nach mehrmaligem Halt taucht Tina bei uns auf und führt uns hinaus auf den Bahnhof von Olympia. Dort stehen wieder zwei Rikschas bereit, die Matt organisiert haben muss.
Als wir das Stadion von Olympia erreichen, bin ich von der Größe überwältigt. Tina führt uns in die Ställe und Matt meldet mich an. Tina öffnet eine geräumige Box und lässt Beauty zu mir hinein. Ich finde es beruhigend, in dieser Situation meine Freundin ganz nah bei mir zu haben.
Etwas später kommt Matt hinzu und erkärt:
?Der Wettkampf beginnt in einer Stunde. Bonnie startet als eine der Letzten. Sie hat die Startnummer 15.?
Er entscheidet, dass wir etwas dösen sollen, bis es soweit ist. Dann verlassen uns die Beiden. Wir schauen uns an und lassen uns auf dem Schlaflager nieder. Die Geräusche im Stall lassen uns nicht wirklich zur Ruhe kommen. Immer noch kommen Wettkampfponys an.
Irgendwann schrecke ich hoch, als uns jemand anspricht:
?Hey, ihr Zwei! Aufwachen, Bonnie ist bald dran!?
Wir müssen tatsächlich eingenickt sein. Mit wackligen Beinen stehen wir bald darauf neben dem Schlaflager.
?Jetzt putzen wir Bonnie erst einmal richtig schön heraus!? entscheidet Matt.
Anschließend wird meine Mähne gekämmt und mit einer Creme eingerieben, damit sie aufrecht steht. Während Matt sich darum kümmert, reibt Tina mich von oben bis unten mit Öl ein. Nun glänzt mein ganzer Körper im Licht der Lampen. Danach führt Matt mich zum Stadion. Tina folgt mit Beauty. Mein Herz schlägt wild vor Aufregung.
Schließlich trennt uns nur noch eine Sichtwand vom Dressurfeld. Matt setzt mir die Trense ein. Das ist bei allen Wettbewerben Vorschrift. Ob ich es schaffen werde? Rasch versuche ich, den Ablauf noch einmal im Kopf durchzugehen, als Applaus aufbrandet. Die Stute, die eben noch dran gewesen ist, hat ihren Part wohl gerade beendet.
Tatsächlich dauert es nicht lange, bis eine Stute von ihrer Trainerin an uns vorbeigeführt wird. Sie glänzt vor Schweiß und schreitet mit unsicheren Schritten. Matt greift in mein Zaumzeug und dreht meinen Kopf in seine Richtung.
?Na los, du bist dran,? meint er und löst die Führleine vom Zaumzeug.
Langsam und hoch konzentriert setze ich mich in Bewegung. Nach ein paar Metern umrunde ich die Absperrung und betrete das Feld. Erneut gibt es Applaus. Meine Beine scheinen fast wie von selbst einen Schritt nach dem anderen zu machen, während ich den Blick schweifen lasse. Vor einer solchen Kulisse bin ich noch nie aufgetreten.
Ich betrete das Dressurviereck und eine Lautsprecherstimme sagt:
?Hier kommt die Teilnehmerin mit der Startnummer 15, Bonnie, aus dem Gestüt Willow!?
Noch einmal gibt es einen kurzen Applaus, während ich auf die Startposition zugehe. Mein Herz pocht von innen gegen meine Rippen.
Genau an der Markierung halte ich inne, stelle beide Hufe nebeneinander und strecke mich noch einmal, um die erwartete Ausgangshaltung einzunehmen. Die Zuschauer verstummen. Jetzt gilt es!
Noch einmal atme ich tief durch und schließe für einen kurzen Moment die Augen. Danach setze ich mich mit einem sanften Ruck in Bewegung. Im Schritttempo stolziere ich über den sandigen Untergrund. Die Hufe geben dumpfe Geräusche von sich. Ansonsten hätte man wohl eine Stecknadel fallen hören können.
Ich nähere mich der Mitte des Dressurfeldes. Sorgfältig achte ich darauf, die Knie bei jedem Schritt so hoch zu ziehen, dass meine Oberschenkel eine waagerechte Linie bilden.
Als ich mich der Drittelmarke vor dem Ende der Bahn nähere, muss ich umdrehen. Dazu hebe ich meine Knie weiter im bisherigen Rhythmus, nun aber auf der Stelle, und drehe mich so mit jedem Schritt etwas weiter um mich selbst. Anschließend laufe ich in einem lockeren Trab auf die Stirnseite des Dressurfeldes zu, biege an der äußeren Begrenzung nach rechts ab und laufe die kurze Seite entlang. Mein Schweif wippt im Takt meiner Schritte, die zunehmend ruhiger und gleichmäßiger werden.