Mittwoch, 17. März 2021
Mars05-Die Hochzeit (2)
Bis zum Ende des 22. Jahrhunderts ist die Bevölkerung des Mars immer wieder durch Auswanderer von der Erde aufgefrischt worden. Das hat mehrere Gründe gehabt: Einmal wurden hellhäutige Menschen, die an Krebs gestorben sind, durch Dunkelhäutige ersetzt. Aber es sind auch Menschen an einer unbekannten Virusinfektion gestorben. Oftmals ist es sogar zu multiplen Virusinfektionen gekommen.
Laut der Wissenschaftler hat es sich dabei um Krankheitserreger gehandelt, die seit Jahrmillionen auf dem Mars existieren. Da die Menschen in den Lavaröhren in irdischem Atmosphärendruck und ohne Raumanzüge leben, hat es nun die verschiedensten Infektionswege für die marsianischen Krankheitserreger gegeben. Die Wissenschaftler haben unter Hochdruck an Impfstoffen gearbeitet. Trotzdem wurde die Bevölkerung des Mars um die Hälfte reduziert.
Die Überlebenden und nun immunisierten Menschen kann man seitdem als echte Marsianer bezeichnen. Würde einer von uns auf der Erde landen, müsste er einen Raumanzug tragen, weil er die irdischen Mikroben nicht vertragen würde ? und er bräuchte ein Außenskelett aus Metall, wegen der dreifach höheren Schwerkraft auf der Erde.
Im ersten Viertel des 23. Jahrhunderts hat man eine Kalenderreform eingeführt. Seitdem gilt nicht mehr der Erdumlauf als Zählung, sondern der Marsumlauf. Die Woche hat sieben Tage behalten. So dauert ein Marsjahr 98 Wochen und ein Tag. Das Jahr bekommt zwanzig ?Monate? von 34 bis 35 Tagen Länge. Das Jahr der Kalenderreform, 2220, heißt nun 1180 seit Christi Geburt.
In der Gesellschaft der Marsianer hat es ebenfalls eine gravierende Veränderung gegeben. Angefangen hat es damit, dass einige Marsianer auf Sportveranstaltungen in Kunstfellkostümen als Tiere der unterschiedlichsten Arten aufgetreten sind. Bei der Besiedelung des Mars hat man auf die Mitnahme von Haustieren verzichtet, weil sie zum einen nicht sieben Monate in Käfigen gehalten werden konnten und die Schwerelosigkeit nicht vertragen hätten.
Nun erinnern einige Menschen uns an die Existenz von Haustieren. Was anfangs ein Spaß gewesen ist, hat in den folgenden Jahrzehnten zur Gründung eines Ministeriums für Pets geführt und es wurde ein Gesetzeswerk geschaffen, das das Zusammenleben von Menschen und Pets regelt.
Heute, etwa 100 Marsjahre später, ist es selbstverständlich geworden, dass Menschen mit Pets zusammenleben. Man unterscheidet zwischen Vierbeinern, die in den Haushalten mit den Menschen leben und Zweibeinern, die in Mietställen gehalten werden. Wie diese Ställe auszusehen haben und welchen Komfort sie den Pets bieten müssen, ist gesetzlich genau geregelt und wird streng kontrolliert.
Es heißt, dass jeder Mensch sich um ein Pet kümmern muss. Diese Pflicht kann man gegen Geld an die Besitzer von Mietställen abtreten. Es sind entweder Ponys oder Cows. Die Ponys werden bei Wettbewerben eingesetzt. Sie gewinnen dadurch Preisgelder, die die Stallbesitzer ebenfalls in den Unterhalt stecken. Die Cows werden gemolken. Die Milch ist ein teures Naturprodukt.
Wenn sich die Menschen dafür entscheiden, ein Pet in ihren Haushalt aufzunehmen, holen sie sich ein Doggie. Obwohl Doggies so den engsten und intensivsten Kontakt zu Menschen haben, ist die Kopulation zwischen ihnen streng untersagt. Wer dabei erwischt wird, wird zwangsweise in ein Pet verwandelt. Das Gleiche droht verurteilten Verbrechern.

*

Als wir hier angekommen sind, schaue ich zufällig auf meine Uhr. Ich bin überrascht, dass wir nun schon vier Stunden durch die Gänge gewandert sind. Zum Glück brauche ich heute nicht arbeiten. Es ist Sonntag. So haben wir noch drei Stunden, bis das Museum schließt. Die Faltkarte macht mich auf ein Restaurant aufmerksam.
Nach den trockenen Vorträgen in vielen ?Kojen? spüre ich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Also folge ich der Wegbeschreibung und betrete eine Viertelstunde später das Restaurant. Am Eingang spricht mich eine Mitarbeiterin an. Auch sie trägt die silbergraue Kleidung der Museumsangestellten. Sie heißt mich willkommen und fragt, wieviel Personen zu bewirten wären.
?Vielen Dank,? erwidere ich. ?Ich bin nur in Begleitung meiner Doggie und möchte mich nach dem Besuch dieses sehr informativen Museums bei Speisen und Getränken ausruhen.?
Die junge Frau nickt lächelnd und weist in den Raum:
?Bitte, folgen Sie mir.?
An einem kleinen freien Tisch angekommen, bietet sie mir an:
?Bitte, setzen Sie sich.?
Sie überreicht mir eine Speisekarte und schaut sich gleich nach weiteren Ankömmlingen am Eingang des Restaurants um. Einige Minuten später kommt eine weitere Mitarbeiterin an meinen Tisch und fragt, ob ich mir schon etwas ausgesucht hätte.
Ich bestelle ein Menü für mich, beuge mich kurz zu Alba und halte ihr die Seite mit den Doggie-Menüs hin. Sie macht nur ?Hmpf!? Also bestelle ich zweimal mein Menü und zwei Flaschen eines unvergorenen Getränkes.
?Okay, bitte warten Sie einen Moment,? antwortet die Kellnerin, nickt und geht zum Tresen, um meine Bestellung vorzubereiten.
Wenig später bringt sie zwei Teller mit meiner Bestellung und zwei Flaschen mit Gläsern auf einem Tablett an den Tisch. Ich quittiere das mit einem Lächeln und sage:
?Vielen herzlichen Dank! Haben Sie zufällig eine Schale für meine Doggie??
?Gern!? antwortet sie und bringt eine gläserne Schale aus schwerem Material zum Tisch.
?Das ist sehr aufmerksam!? kommentiere ich es, als ich die Schale in Empfang nehme. ?Die Schale hat übrigens eine schlichte Schönheit. Die marsianischen Manufakturen sind wahre Künstler!?
Sie lächelt und schaut mich dabei etwas irritiert an. Ein Gast von einem Nachbartisch erlöst sie, indem er sie zu sich ruft.
Ich schiebe ALBAs Menü in die Schale und schneide einige Stücke mundgerecht klein. Anschließend fülle ich mein Glas aus einer Flasche und lasse ALBA ein Schluck aus der Flasche nehmen. Danach stelle ich die Schale für sie auf den Boden neben mir.