Donnerstag, 18. März 2021
Mars05-Die Hochzeit (3)
Als die Bedienung an mir vorbeikommt, auf dem Weg zum Tresen, halte ich sie kurz auf:
?Entschuldigung!?
Sie schaut zu mir und ich frage:
?Gibt es in Olympia eine Stelle, wo man Glaskunst bewundern kann??
Sie lächelt und meint:
?Aber ja! Der Berufsverband der Kunstglaser unterhält eine bedeutende Ausstellung in der Stadt.?
?Vielen Dank!? sage ich, um sie nicht weiter aufzuhalten.
Eine Stunde später haben wir gegessen. Ich bestelle noch ein Getränk aus dem Aufguss gerösteter Samen und schaue mir über mein Tablet im Internet die Glaskunst-Ausstellung an. Ich habe Glück, dass an jedem Tisch ein Internet-Anschluss existiert. Auf dem Mars ist alles verkabelt. Funk ist in den Lavaröhren problematisch.
Irgendwann kommt die Bedienung an den Tisch. Sie meint:
?Wir nehmen für heute die letzte Bestellung auf. Möchten Sie noch etwas bestellen??
Ich schalte das Tablet aus. Die Uhr darauf bestätigt, dass wir schon eine fortgeschrittene Zeit haben. Ich wende mich also an die wartende Bedienung:
?Nein, danke sehr. Könnte ich bitte die Rechnung haben??
Sie blättert in ihrem Block und händigt mir den Zettel mit meinen Bestellungen aus. Während ich mich erhebe und zu ALBA ?BEI FUSS!? sage, geht die Bedienung schnellen Schrittes zur Kasse neben dem Ausgang. Kurz nach ihr erreiche ich sie. Sie fragt, mit Blick auf den Zettel:
?Alles in Ordnung??
Dabei hält sie mir die Hand hin. Ich gebe ihr den Zettel zurück und sie tippt die Artikelnummern in die Kasse, die daraufhin den Gesamtpreis ausspuckt. Meine Karte zückend, zahle ich den Betrag und bedanke mich noch einmal:
?Vielen Dank für das leckere Essen! Darf ich Sie etwas fragen??
Nun schaut sie mich fragend an.
?Gerne.?
?Sie haben mir vorhin den wertvollen Tip gegeben mit der Ausstellung für Glaskunst! Dafür habe ich mich noch gar nicht richtig bedankt. Würden Sie mich bitte in die Ausstellung begleiten, wenn sie in den nächsten Tagen Zeit haben? Sie würden mir eine große Freude bereiten!?

*

Ich habe Glück, dass Madikwe die komplette Woche nach meinem Besuch des Gründungsmuseums in Olympia frei hat. Es ist ihr Ausgleich für den jeweils dreiwöchigen durchgehenden Dienst auch an Sonntagen. Leider liegen ihre Schichten dazwischen so, dass wir uns sonst nicht sehen könnten.
Wir fahren getrennt zu der Ausstellung für Glaskunst, und als ich dort eintreffe, sitzt sie schon wartend im Foyer. Wie immer habe ich auch jetzt meine Fähe ALBA dabei, aber das stört meine neue Bekannte überhaupt nicht. Ich zahle meinen Eintritt und erhalte dafür ein Billett. Dann lasse ich mich von Madikwe durch die Ausstellungsräume führen.
Der Gebäudeblock beherbergt im nichtöffentlichen Teil die Büros des Berufsverbandes der Kunstglaser. Neben dem Ausstellungsbereich dürfen wir auch Künstlerwerkstätten betreten und den Meistern über die Schultern schauen. Ich kann Skulpturen und Vasen in ihrem Entstehungsprozess beobachten. So wird auch die Herstellung von wunderschönen Schalen gezeigt.
Auf dem Weg von Raum zu Raum fragt Madikwe mich über meine Vergangenheit aus. Das verstehe ich sehr gut, denn wann trifft ein Marsianer heutzutage auf einen Erdling. Ich gebe ihr bereitwillig Auskunft.
Anscheinend haben wir nach einiger Zeit alles gesehen, denn Madikwe steuert das Ausstellungsrestaurant an. Auch hier werden wir am Eingang angesprochen und zu einem freien Tisch geführt. Wir bestellen und Madikwe schaut mich aufmerksam an.
?Was verleitet einen Mann von der Erde, der sich auf dem Mars niederlassen will, eine junge Frau anzusprechen, ob sie für ihn den Fremdenführer macht?? fragt sie mit einem feinen Lächeln.
?Ich bin der Meinung, dass man im täglichen Leben immer mal jemand kennenlernen kann. Man muss nur die Augen offenhalten und respektvoll vorgehen. Geht es der jungen Dame nicht ähnlich, hat sie die Möglichkeit jederzeit Nein zu sagen. Dieses Nein muss man als Mann unbedingt respektieren.
Zeigt die junge Dame dagegen Interesse wäre es wunderbar, wenn man etwas über ihre Vorlieben erführe. Man könnte sie dann zu den Orten begleiten und gemeinsame Freizeit verbringen. Vielleicht entdeckt die junge Dame Sympathien und es entwickelt sich eine Freundschaft. Sollte die Sehnsucht nach dem Anderen hinzukommen, wäre in einer unbestimmten Zukunft vielleicht eine Ehe ins Auge zu fassen??
Bei den letzten Sätzen zwinkere ich ihr zu. Sie geht darauf ein und meint:
?Der Mann sollte bei einem solchen Fahrplan aber wirklich der Frau großen Respekt entgegenbringen. Er sollte sich als Beschützer erweisen und unmerklich die Führung übernehmen. Die marsianische Frau ist willensstark und kann sich im Alltag durchsetzen. Sie ist diejenige, die die Führung an den Mann, den sie mag, abgibt, wenn SIE den Zeitpunkt für gekommen hält.
Heiratet sie ihn, ordnet sie sich ihm unter und ist subtil verführerisch. Aber erst dann! Eine Vereinigung vor der Ehe ist gesellschaftlich nicht erwünscht.?
?Meine liebe Madikwe,? sage ich und lächele glücklich. Ich nehme ihre Hand, schaue ihr in die Augen und ergänze:
?Deinen Fahrplan in ein Leben zu Zweit werde ich genauso respektieren, wie dich als Person. Ich kann dir nur zeigen, wie sehr ich dich respektiere und ehre, indem wir unsere Freizeit gemeinsam verbringen, so oft es unsere Arbeit zulässt. Damit erhältst du jede Menge Gelegenheiten, meine Gesinnung zu prüfen. Ebenso erkennst du so wie ich dich führen und beschützen würde, wenn das in ernsthaften Situationen nötig würde.?
?Das stimmt, Tim,? pflichtet sie mir bei.
Was sie mir über die marsianische Frau im Allgemeinen gesagt hat, kann ich tatsächlich auf die Mitarbeiterinnen im Amt übertragen. Sie sind willens- und durchsetzungsstark. Dass das nicht bedeutet, dass der marsianische Mann sich der Frau unterordnet, hat nun Madikwe mir ?im Vertrauen? mitgeteilt. Klar, gilt das nicht für jeden Marsianer, genauso wie man die Menschen auf der Erde nicht ?über einen Kamm scheren? kann.
Im Verlauf des Gespräches stelle ich fest, dass Madikwe vielseitig interessiert ist. Sie mag Ausstellungen und Museen, genauso wie quirlige Sportevents. Als es schließlich ans Nachhausefahren geht, darf ich sie bis zu ihrem Wohnblock begleiten. Ich nutze dieselbe Rikscha, um von dort zu mir nachhause zu kommen.
Als wir bei ihr ankommen und der Rikschafahrer hält, steige ich zuerst herunter und helfe Madikwe beim Aussteigen. Sie gibt mir ihre Nummer, über die sowohl Videotelefonie, als auch Textnachnichten-Übertragung möglich ist ? wenn das Gerät am Internetkabel hängt.
Unterwegs haben wir über Pferdesport gesprochen und vereinbart, dass ich mich für unseren nächsten gemeinsamen Tag in drei Wochen um zwei Plätze bei einem Turnier kümmern soll. Zuhause schaue ich schon einmal oberflächlich, was sich da so anbieten würde. Ich merke auf, als ich auf dem Display etwas von einem Summer Cup im Dressursport lese.

*