Mittwoch, 9. Dezember 2020
IWIPAPA - Stamm der Mutter Erde - 11
Ich nehme ein Stück im Umu –Erdofen- gekochtes Fleisch von meiner Schale aus Blättern und halte es ihr hin. Meine Hand nähert sich dabei vorsichtig wie in Zeitlupe ihrem Mund. Sie beißt ab und zerkaut die Gabe. Dabei lässt sie sich auf ihre Fersen nieder. Ich drehe mich nun um und ziehe meine Schale mit herum. Dann nimmt sie den Rest des Fleischstückes mit den Zähnen.
Aus der Dunkelheit schält sich nun ein zweites jüngeres Gesicht und kommt in den Schein des flackernden Feuers. Auch der Tamahine gebe ich von meinen Speisen ab. Der Hausherr bemerkt das Geschehen und winkt nun einen seiner Poki tane –Jungs- heran, meine Schale wieder zu füllen. Beide Frauen suchen nun meine Nähe und reiben sich sanft an meinen Schultern.
Der Hausherr wechselt daraufhin das Thema. Er grinst beinahe von Ohrläppchen zu Ohrläppchen.
„Ich glaube, du brauchst dir keine Wahine mehr suchen, mein Freund!“
Ich lächele zurück und antworte ihm:
„Das denke ich auch.“
Die Wahine liegt bald auf dem Rücken neben mir und hat ihren Kopf auf meinen Oberschenkel gebettet, während die Tamahine weiter an meiner Seite hockt. Wenig später beendet der Hausherr das Abendessen und bietet mir an, mir meine Hängematte zu zeigen. Wir steigen nacheinander die Treppe hinauf, die aus Stufen besteht, die in einen Baumstamm geschlagen wurden. Die beiden Frauen bleiben unten stehen und schauen hinter mir her.
Als ich mich am nächsten Morgen von meinem Gastgeber verabschiede und mit Mateo die Treppe hinabsteige, sind die beiden Frauen fort. Suchend schaue ich mich um, aber der Wald hat sie verschluckt.
„Wie ruft ein Mann seine Wahine –Frauen- zu sich?“ frage ich Mateo.
„Der Herr hält seine Wahine und Tamahine im Haus, so dass ein kurzes ZU MIR, verbunden mit dem jeweiligen Namen ausreicht.“
„Ja, zum Einen kenne ich ihre Namen nicht, zum Anderen begrüßen die Tiere des Waldes gerade den neuen Tag. Die Wahine würde mich wahrscheinlich nicht hören.“
„Das stimmt wohl,“ antwortet Mateo. Tatsächlich hat seit Sonnenaufgang ein ohrenbetäubender Lärm eingesetzt.
„Dann musst du mich immer wieder besuchen kommen, bis die Wahine dir zu deinem Haus folgt,“ meint der Hausherr, der nach uns die Treppe hinabgestiegen ist, um uns zu verabschieden.
Ich nicke: „Ja, das werde ich dann sicher tun.“
Wir verabschieden uns und Mateo führt mich in den Wald in Richtung meines Hauses. Ich präge mir unterwegs einige Wegmarken ein, damit ich mich bald alleine im Wald zurechtfinden kann. Von Zeit zu Zeit knirscht in der Nähe ein Stück trockenes Holz auf dem Waldboden. Ich mache mir deswegen keine großen Sorgen, weiß ich doch, dass der Wald voller Tiere ist. Unsere Brüder in der Natur wissen von unserer Anwesenheit, da wir selbst uns nicht die Mühe machen, leise zu sein, und so werden sie Abstand von uns halten.
Nach fast zwei Stunden wandern haben wir mein Fale –Haus- erreicht. Ich nehme zusammen mit Mateo die Stangen in die Hand, die jetzt an der Hauswand lehnen und stecke sie in die großen Bambusrohre, die ich am Fuß der niedrigen Felswand im Waldboden versenkt habe. Dann klettere ich die Felswand hoch und befestige die kleine Hängebrücke mit Faserschlingen an den nächsten Bäumen. Ich will gerade Mateo über die Hängebrücke ins Fale folgen, als ich in den Augenwinkeln eine Bewegung bemerke.
Ich schaue genauer hin und sehe die beiden Frauen von gestern Abend unter den Blättern eines Busches stehen, keine fünf Meter entfernt. Spontan gehe ich in die Hocke, versuche einen sanften Gesichtsausdruck zustande zu bringen und sage „ZU MIR“, wie Mateo mir geraten hat.
Die Wahine macht einige Schritte auf mich zu und bleibt einen halben Meter vor mir stehen. Sie schaut mich aufmerksam an. Die Tamahine beobachtet alles von ihrem Platz unter dem Busch aus. Ich beuge mich vor und streichele der Wahine zart über ihr Haar, Schläfe und Wange. Sie drückt ihren Kopf an meine Hand. Dann stehe ich langsam auf und gehe über die Hängebrücke, mich immer wieder umschauend. Die Wahine folgt mir vorsichtig über den schwankenden Untergrund.
Im Haus gehe ich sofort zu der Holzscheibe, auf der Früchte gestapelt sind. Eine davon halte ich der Wahine hin. Sie nimmt sie mir mit den Lippen ab und drängt sich an meine Beine. In dem Moment steckt die Tamahine ihren Kopf durch den Eingang. Lächelnd halte ich auch ihr eine Frucht hin und beuge mich ihr entgegen. Sie nähert sich mir langsam und nimmt sie mir vorsichtig ab.
Zu Mateo gewandt sage ich:
„Hab Dank für deine Führung. Meine Unterweisungen beginnen Morgen wieder. Ich denke, der Kahuna braucht dich…“
Mateo lächelt und verabschiedet sich. Währenddessen haben die Wahine sich im Halbdunkel meiner Hütte umgeschaut. Ihnen wird aufgefallen sein, dass es hier drinnen kein Gehege gibt. In diesem Moment verdunkelt sich der Eingang etwas. Ein Waran hat die Hängebrücke benutzt und steckt nun fauchend seinen Kopf in die Tür.
Die Wahine läuft sofort zu Tür, um zwei Meter vor dem Waran zu stoppen und nun ihrerseits zu fauchen. Sie ahmt die Lautäußerung des Warans täuschend echt nach. Dieser wendet seinen Kopf ab und dreht sich weg, nachdem die Wahine zum zweiten Mal gefaucht hat. Ich habe mir einen Speer gegriffen und bin ebenfalls zur Tür geeilt. Dort angekommen, sehe ich wie sich der Waran trollt.
‚Einerseits können die Wahine mit der Hängebrücke kommen und gehen, wie sie wollen. Andererseits habe ich dadurch aber auch unerwünschte Besucher im Haus…‘ denke ich und gehe nach draußen, um die Hängebrücke von den Bäumen zu lösen und sie an der Hauswand anzulehnen. Dann betrete ich das Haus wieder über die Treppe von unten. Die Wahine haben es sich in einer Ecke gemütlich gemacht.
Ich setze mich zu ihnen und beginne, eine Geschichte zu erzählen. Es ist ein Märchen und ich rede englisch. So verstehen sie mich nicht, lauschen aber dennoch dem Tonfall meiner Stimme. Bald liegen beide schräg neben mir, ihre Köpfe auf meinen Oberschenkeln gebettet und schauen zu mir auf. Hin und wieder streichele ich an ihrer Flanke entlang, was sie mir mit wohligem Brummen quittieren.
Am späten Mittag erhebe ich mich vorsichtig, gehe zu dem Tablett mit den Früchten und lasse sie davon essen. Dabei lege ich der Wahine meine Hand auf die Schulter und sage LELE –Glück-. Dann lasse ich sie von der Frucht abbeißen. Das wiederhole ich mehrfach, bis sie die Frucht verspeist hat. Das gleiche mache ich bei der Tamahine. Bei ihr sage ich jedoch das Wort RAKA‘U –Reichtum/Wohlstand- während ich ihr die Hand auf den Kopf lege. Danach lasse ich sie von ihrer Frucht abbeißen.