Freitag, 11. Dezember 2020
IWIPAPA - Stamm der Mutter Erde - 13
Eure Wahine entstammen nun den Frauen eurer Feinde, die ihr geraubt habt. Der Wald mit seinen Gefahren führt eine Auslese durch, die es bei uns schon lange nicht mehr gibt. Weil es Wahine eurer Feinde waren habt ihr sie bestraft, indem ihr sie nicht zu den Tangata –Menschen- zählt. Natürlich betrachtet ihr eure Brüder in der Natur euch gleichgestellt, weil auch sie das Mana durchströmt. Ihr würdet also die Wahine niemals wie ein Messer oder ein anderes Ding des täglichen Gebrauchs behandeln! Das finde ich richtig!
Du siehst an LELE und RAKA‘U wie sie aufblühen und liebevoll, trotzdem hin und wieder einmal frech – ohne bösartig zu werden – sein können. Ich denke, das bereichert das Leben sehr…“
Nun habe ich einen längeren Vortrag gehalten, was eigentlich ursprünglich nicht meine Absicht war. Aber ich musste das los werden. Wenn ich nun missionarisch darüber geredet hätte „Stellt die Wahine mit euch auf dieselbe Stufe, macht sie zu Tangata“, hätte ich Ablehnung und Zurückweisung geerntet. Ich muss mich ihrer Denkweise anpassen und ein Pendant aus meiner Kultur suchen. Dann kann ich eine Änderung zum Guten bewirken. Abgesehen davon wären die Frauen mit dem neuen Status auch nicht zurechtgekommen.

*

Wie zu erwarten gewesen ist, habe ich wenige Tage später eine Einladung in das Pae’nga Fale erhalten. Diesmal ist der Absender der Einladung jedoch nicht der Kuia sondern der Hui –Versammlung, Rat- des Stammes.
Ich habe in den Wochen, seit LELE und RAKA‘U in meinem Haushalt leben, aus dem Bast des Maulbeerbaumes, aus dem auch die Tapas –Lendenschurze- gefertigt werden, Halsbänder und Führleinen gefertigt. Zum Befestigen der Leinen an den Halsbändern nutze ich einen Knoten aus der Seemannschaft, den ich gelernt habe als ich noch in der Segelschule gewesen bin.
Als ich jetzt wegen meines Umgangs mit den Wahine vor dem Rat Rede und Antwort stehen soll, führe ich meine Wahine an der Leine zum Pae’nga Fale. Ich weiß, dass ich damit wieder einmal einen Tabubruch begehe. Wahine machen die Vaka –Auslegerkanus- und Fale –Häuser- unrein, sagt man hier. Deshalb wurde in der Vergangenheit sicher das Tabu errichtet.
Meine Wahine sind sicherlich nicht unrein! Und ich sehe nicht ein, warum ein Tabu auf ewig aufrechterhalten werden soll. Später erinnert sich keiner mehr an den Grund des Tabus und verweist dann auf einen Mythos. Das möchte ich heute durch meine Aktion verhindern.
Ich gehe mit beiden zum Strand hinunter und dann an der Wasserlinie entlang in Richtung des Pae’nga Fale. Einige Poki tane beschäftigen sich dort. Als ich mich in Begleitung der Wahine ihnen nähere, klettert einer der jungen Männer die Treppe hoch in das Haus. Wenig später kommt er wieder herunter und formiert die Anderen zu einem Halbkreis, dessen Enden näher zu mir stehen. Die Poki tane haben Stöcke in die Hände genommen und gebärden sich wild.
Ich setze mich in den Sand und sage LELE, RAKA‘U, SITZ. Beide setzen sich auf ihre Fersen und wir drei warten das Ende der Vorstellung ab.
Nach einiger Zeit tritt einer der Poki tane vor und spricht mich an:
„Du bist eingeladen worden vor dem Hui –Rat- zu sprechen.“
„Ich weiß,“ antworte ich ihm.
„Das Fale ist für fremde Wahine tabu!“
„Auch das weiß ich,“ sage ich. „Da es aber um die beiden Wahine hier geht, muss ich sie mitbringen. Der Hui kann gerne hier draußen auf dem Strand tagen, dann wird das Tabu nicht gebrochen! Oder einer der Heiler kann zu mir kommen und einen Zauber über die Wahine aussprechen, der sie rein werden lässt, für dieses eine Mal… Ich habe eine Gabe für die Kiai –Schutzgötter- mitgebracht.“
Ich zeige auf den Manu –Vogel-, den ich an der Schnur befestigt habe, die mir schräg vor der Brust hängt von der linken Schulter bis zur rechten Hüfte. Der junge Mann sieht es und meint:
„Warte hier.“
Ich nicke und er geht zum Pae’nga Fale zurück, um kurz darauf mit einem weißbärtigen Mann zurück zu kommen. Die Heiler sind hier Spezialisten keine Allgemein-Heilkundigen, wie es in unserer Geschichte die Druiden gewesen sind. Aber genauso wie sie, sind die Heiler hier mit der jenseitigen Welt vertraut. So kann er es erreichen, dass man eine Frau mit auf eine Seereise nehmen oder in ein fremdes Haus bringen kann.
Der Heiler schaut sich LELE und RAKA‘U an und spricht dann einen Spruch über sie. Dabei drückt er seinen Daumen in den gerupften Vogel und drückt den Daumen danach LELE und RAKA‘U an die Stirn. Der Vogel wird den Jungs übergeben und ich folge dem Heiler zum Pae’nga Fale.
An der Treppe nehme ich Lele auf meine Arme und trage sie hoch. Dann komme ich noch einmal herab und bringe auch RAKA‘U in die Halle des Versammlungshauses. Nachdem der Heiler ebenfalls oben ist, lasse ich meine Wahine sich setzen und gehe dann auf die in langer Reihe sitzenden Weisen und Experten zu. Bei ihnen setze ich mich ebenfalls in den Schneidersitz und warte ab.
„Man berichtete mir über ungewöhnliche Methoden im Umgang mit Wahine in deinem Fale…“ beginnt der Kuia –Stammesälteste-.
„Sie sind ebenso wie wir und alles um uns herum vom Mana durchdrungen…“setze ich dagegen.
„Das stimmt. Trotzdem gehören sie in ein Gehege. Sie sind unrein!“
„Sie sind an etwa drei Tagen in jedem Mond unrein,“ sage ich. „An allen anderen Tagen sind meine Wahine rein.“
Der Kuia geht auf den Einwand nicht weiter ein. Stattdessen berührt er einen anderen Punkt:
„Deine Wahine vertragen Fleisch und Fisch und bekommen kein Kawa Kawa?“
„Ich ernähre sie mit den gleichen Nahrungsmitteln, die auch ich esse. Das Kawa kawa ist nur zeremoniellen Zwecken vorbehalten!“
„Und sie gehorchen dir aufs Wort?“
„Ja,“ bestätige ich einfach und wende mich zu LELE und RAKA‘U um.
Sie sitzen immer noch nebeneinander in der Nähe der Treppe in SITZ-Position. RAKA‘U etwas weiter von der Treppe weg. Ich beschreibe mit dem Zeigefinger rechtsherum einen Kreis in der Luft und sage dazu RAKA‘U, ROLL! RAKA‘U lässt sich auf ihre linke Seite herab, dreht sich auf den Rücken, auf die rechte Seite und kommt wieder hoch auf alle Viere.
Dann sage ich LELE, AUF! LELE richtet ihren Rücken nun senkrecht auf und hebt ihre Fäuste in Schulterhöhe. Jetzt sage ich LELE, RAKA‘U, SITZ! Und beide gehen wieder in die ursprüngliche Position.