Luna -23-
„Als Owner kümmere ich mich um mein Doggie. Ich achte und schätze mein Doggie. Ich führe dich verantwortungsbewusst so, dass stets alles Überschaubare in Ordnung bleibt. Gegen Unvorhergesehenes gehe ich an, um es wieder in Ordnung zu bringen! Genauso wie ein Vater um das Wohl seiner Familie kämpft. Hier orientiere ich mich also ganz klar am Verhalten meines Vaters.
Eine menschliche Doggie ist wie ein geliebtes Haustier. Hier kannst du Parallelen zu Beauty ziehen. Ein echter Hund liegt gerne zu deinen Füßen, ist hingebungsvoll, treu. Eine Doggie wird meistens –nicht immer- ohne Frage folgen, aus Vertrauen zum Owner. Eine Doggie wird auch an der Leine gehen, ohne zu fragen, wohin…“
Ich schaue gebannt zu Maik auf und lasse die Worte wirken. Er redet nach einer kurzen Atempause weiter:
„Ein Tier, sagt man, ist ein Gefühlsmensch. Ein Tier handelt nach den momentanen Gefühlen. Es lebt in der Gegenwart. Aus der Vergangenheit zieht es Erfahrungen. Die Zukunft existiert noch nicht, warum also planen…
Wenn nun eine Doggie sich ganz auf ihre Gefühle konzentriert, dürfte sie bei intensiven Berührungen fühlen können, was der Andere fühlt. Zum Beispiel beim Kuss: Du fühlst, was in dem Anderen vorgeht, sei es nun Leidenschaft, bloß Freundlichkeit, oder gar Falschheit. Bei einer engen Umarmung kannst du Gleiches spüren.“
Als er das sagt, horche ich in mich hinein und muss ihm Recht geben. Er ist aber noch nicht fertig mit seinen Ausführungen. Also höre ich stumm weiter zu, eng an ihn gekuschelt.
„Ich habe in der letzten Zeit einiges im Internet gelesen und denke, wir sollten im Laufe der Zeit darüber gemeinsam reden,“ beginnt er weiterzusprechen.
„Nur sehr wenige verstehen wirklich, wie tief eine Beziehung mit Machtgefälle ist. Erklärt man es ihnen, schrecken sie zurück, denn Verantwortung fürchten die Meisten, wie der Teufel das Weihwasser!“
„Halt,“ werfe ich dazwischen, „was ist eine ‚Beziehung mit Machtgefälle‘?“
„Grob gesagt: Einer führt und der Andere lässt sich führen. Die meisten Menschen, die unterwürfig sein wollen, können nicht verstehen wie jemand freiwillig so viel geben und dabei glücklich sein kann.
Der Teil des Films eben, als der Owner mit seiner Doggie apportieren spielte, und auch später die Szene am Strand, erregte mich sehr. Das ist grenzenloses Vertrauen! Das wäre mir gleichzeitig unbedingte Verpflichtung und Verantwortung. Da bin ich in keinster Weise egoistisch auf meinen persönlichen Spaß bedacht! Mir geht es ausschließlich um DEIN Wohl. Dem ordne ich alles unter!“
Ich reibe meine Wange sanft an seiner Brust.
„Der Gedanke,“ redet Maik weiter, „dass jemand die volle Kontrolle über einen hat, ist vielen Menschen ziemlich beängstigend. Wenn sie den richtigen Owner finden würden, sehen sie aber sicher, es ist gar nicht so schwer.“
„Moment,“ begehre ich auf. „Die volle Kontrolle an jemand abgeben, den man nicht wirklich kennt…“
„Richtig, Liebes,“ antwortet er mir. „Das ist der Knackpunkt: ‚den man nicht wirklich kennt‘. Welchen Menschen kennt man durch und durch? Aber die Menschen warten auch nicht, bis sie ihr Gegenüber ausreichend gut kennen. Sie stürzen sich lieber in Abenteuer…
Nein, du sollst deine Selbstverantwortung nie ganz aufgeben und nur schrittweise in dem Maße, indem das Vertrauen wächst. Merke dir: Vertrauen ist eine steile Leiter mit sehr vielen Stufen. Es dauert lange, sie zu erklimmen, und man kann unterwegs auch schonmal abrutschen, je nachdem wie der Gegenüber sich verhält!
Als ich mir den Film –allein in meinem Zimmer- zum ersten Mal angesehen habe, musste ich lange darüber nachdenken, denn ich sah dich vor meinem inneren Auge. Wie lebt es sich mit einem menschlichen Hund an meiner Seite? Ein echter Hund –wie zum Beispiel Beauty- hat keine Wünsche an das Leben, außer den elementaren, wie zufrieden zu leben und Zuwendung zu erhalten. Er braucht sich um nichts kümmern. Doggie wie der echte Hund ist gehorsam und sehr gelehrig. Doggie wie der echte Hund will nicht bestimmen. Doggie wie der echte Hund hat manchmal Fragen im Kopf, macht sich über etwas Sorgen, aber der Owner kümmert sich darum und zerstreut die Sorgen.“
„Machst du dich damit nicht zum Übermenschen?“ muss ich jetzt aber doch dazwischenwerfen.
„Warum?“ fragt er zurück.
Er wirkt einen Moment lang etwas konsterniert und rückt von mir ab. Dann sagt er:
„Die Menschen heute sind sehr Ich-fixiert. Sie streben nach dem eigenen Erfolg, eigenen Reichtum, eigenen Glück. Dafür können manche sogar ‚über Leichen‘ gehen. Mein Lebenslauf hat mir gezeigt, wie man sich dabei fühlt, wenn man von solchen Leuten an den Rand gedrückt wird. Das hat mich geprägt. Ich finde mein Glück, wenn ich in die glücklichen Augen meines Gegenübers blicken kann!“
„Entschuldige,“ sage ich leise.
Maik zieht mich wieder näher an sich heran. Ich schaue ihm verliebt in die Augen.
Draußen ist es inzwischen dunkel geworden. Maik beginnt die blickdichten Gardinen zuzuziehen. Ich knie mich hin und helfe ihm. Dann breitet er das Bettzeug auf der Liegefläche aus. Erst eine Seite, dann wechseln wir darauf und machen die andere Seite der Liegefläche fertig zum Schlafen. Schließlich schlafe ich, eng an ihn gekuschelt selig ein.
Am nächsten Morgen wache ich durch den Duft frischer Brötchen auf. Maik steht schon in der Kombüse und hat Tiefkühl-Brötchen in den Backofen geschoben. Wenig später schon kommt er mit einem Tablett in den Salon und wir frühstücken im Bett. Ist das himmlisch!
Nachdem wir gefrühstückt haben, bringt er das Tablett wieder in die Kombüse und ich verschwinde in der Nasszelle. Als ich daraus hervorkomme, hat er den Salon auch soweit aufgeräumt, dass nur noch die gepolsterte Liegefläche ausgebreitet ist, damit ich einfach auf allen Vieren zwischen Achterdeck und Sonnendeck hin und her wechseln kann.
Dann holt er beide Anker hoch und wir radeln das Boot langsam rückwärts aus dem Nebenarm heraus. Dabei fallen mir die vielen Vogelstimmen auf und plötzlich sehe ich seitlich über mir einen größeren Vogel flügelschlagend in der Luft stehen. Ich mache Maik darauf aufmerksam.