Dienstag, 14. Juli 2020
Luna -22-
Der Film startet und ich kann den Titel lesen. Er heißt „The Pet“. Ich bin gespannt.
In dem Film geht es um einen reichen Mann, dessen Hündin gestorben ist. Es war ein Irish Setter namens LARA. Er lebt anscheinend nur für sein Hobby. Seine Frau ist als Unternehmensmanagerin weltweit unterwegs und er hatte seine Hündin selbst trainiert und mir ihr eine Menge Preise gewonnen. Zu dem Haushalt gehören noch ein Fahrer und eine Haushälterin.
Als nun seine Frau beruflich für ein halbes Jahr von Kalifornien in die Schweiz fliegt. Sucht er eine junge Frau, um sie als seine Hündin zu trainieren. Auf diese Idee brachte ihn ein Geschäftsfreund, der gleichzeitig einer Organhändler-Organisation angehört. Der Mann hat ebenfalls eine junge Frau in seinem Haushalt, die er als Hündin trainiert.
Dann schwenkt der Film um und stellt uns eine junge Frau in einer schlimmen seelischen Lage vor. Ihr gehört eine Katze, die sie in eine Tierklinik gebracht hat. Der Arzt dort sagt ihr, dass die Katze auf dem OP-Tisch verstorben sei. Sie hätte ein Schädel-Hirn-Trauma durch stumpfe Gewalt erlitten.
Dann kommt ein junger Mann ins Bild, der sich als der Freund der Frau herausstellt. Ein Trinker, den die Katze wohl genervt hat. Die Frau fragt ihn, ob er ihrer Katze was angetan hat. Das beantwortet er mit Schulterzucken und einer abwertenden Handbewegung, „was ist denn schon eine Katze…“.
Dann wird uns die junge Frau als Blumenverkäuferin auf dem Wochenmarkt vorgestellt. Der reiche Mann kommt hinzu, um Blumen für das Grab seiner LARA zu kaufen. Dabei kommen sie ins Gespräch und er lädt sie nach Feierabend in ein Schnellrestaurant ein.
Dort wird er konkreter. Er bietet ihr 10.000 Dollar, wenn sie sich von ihm zu einem Experiment überreden lässt, nämlich ein Wochenende lang bei ihm als seine Hündin zu leben. Sie findet es komisch und testet ihn, indem sie sich neben ihn auf den Boden setzt und sich von ihm mit dem Nachtisch füttern lässt.
Da sie finanzielle Sorgen hat, geht sie darauf ein. Sie hebt misstrauisch erst einmal einen größeren Betrag von der überwiesenen Summe ab und bezahlt ihre Miete und die Rechnung der Tierklinik. Dann holt sie der Fahrer ab und bringt sie zu dem Anwesen des Mannes. Dort besprechen sie den Ablauf des Wochenendes bei einem guten Essen und er zeigt ihr den Halsreif, der früher seiner LARA gehört hat. Sie soll ihn anlegen und er zeigt ihn ihr in einem Handspiegel.
Dann soll sie sich ausziehen, weil Hunde schließlich auch keine Textilien tragen. Sie zögert erst, ist aber dann doch dazu bereit. Dann machen sie einen Ausflug in den Park, der zum Haus gehört und hier lässt er sie ein Stöckchen apportieren. Dazu läuft sie auf zwei Beinen, bückt sich am Ziel und übergibt dem Mann das Stöckchen, als sie wieder bei ihm ist. Ihm gefällt das Spiel, so dass sie es mehrfach wiederholen muss. Die Nächte verbringt sie in einem geräumigen Käfig.
Dann ist das Wochenende um. Sie darf sich ankleiden und wird vom Fahrer zu ihrer Wohnung zurückgebracht. Vorher bietet ihr der Mann weitere 10.000 Dollar, wenn sie sich entschließt, weitere sechs Monate sein Doggie sein zu wollen. Für den Fall gibt er ihr einen Vertrag mit, den sie unterschreiben soll.
Zuhause findet sie ihren Freund in der Wohnung. Er ist betrunken und eröffnet ihr, dass er mehrere hundert Dollar gefunden hat. Er fragt sie, wo sie das Wochenende über gesteckt hat. Sie antwortet jedoch nicht, sondern geht ins Bad und ins Schlafzimmer, packt ihre Sachen in eine Tasche und verlässt die Wohnung. Sie sucht sich ein Gästezimmer und ruft am nächsten Tag den Mann an, bei dem sie das Wochenende verbracht hat. Sie soll auf den Fahrer warten, der sie zu ihm bringt.
Es entwickelt sich ein enges Verhältnis ohne Sex zwischen ihr und dem Mann. Sie schläft in einem geräumigen Käfig im Entrée des Hauses. Der Mann geht mit ihr hinunter zum Strand, wo sie sich frei austoben kann. Dabei hört man ihre Gedanken:
„Das ist wirkliche Freiheit! Ich bin hier bestimmt geliebt, beschützt, sicher, real. Ich kann vertrauen.“
Sein Geschäftsfreund kommt eines Tages zu Besuch und er lässt sich zu einer Wette hinreißen, dass sie in einem Wettlauf schneller ist, als dessen menschliche Hündin. Er trainiert sie daraufhin.
Es wird Winter und er fährt mit ihr zu einem Treffen der Organhandelsgruppe, um sie dort als seine Hündin vorzuführen. Auch die andere menschliche Hündin ist dort. Er gewinnt seine Wette, verliert bei der Veranstaltung jedoch seine Eigentumsmarke. Dies nimmt die Organisation zum Anlass bei ihm aufzutauchen und ihr ein Anästhetikum zu spritzen, um sie mitzunehmen.
Dafür hätte die Organisation ihm 200.000 Dollar gezahlt. Ein Bekannter hilft ihm allerdings, die Leute zu zwingen unverrichteter Dinge wegzufahren. Dennoch stirbt sie wenig später an dem gespritzten Mittel, und er trauert über den Verlust.
Als der Film geendet hat, bleibe ich eine Zeitlang stumm sitzen. Maik spürt meinen seelischen Zustand, denn er sagt:
„Der Film sagt eigentlich, wie man es gerade nicht tun sollte. Der Hintergrund mit dieser Organhandels-Organisation, für die Menschen nur Ersatzteillager sind und keine fühlenden Lebewesen, gefällt mir absolut nicht! Auch dass der Mann denkt, mit ausreichend Dollars könne er sich alles leisten – und später ihren Wert in Dollars ermittelt, finde ich höchst verwerflich…“
„Richtig,“ pflichte ich Maik bei. „Von ihrer Seite sieht das Dogplay ganz anders aus! Sie ist vom Leben gebeutelt worden, ihr Freund hat sich als Grobian erwiesen, für den Tiere auch nur Gegenstände sind. Nun hat sie da jemand kennen gelernt, bei dem sich ihre Alltagssorgen in Luft auflösen. Sie fasst so viel Vertrauen und Zuneigung, dass sie die Verantwortung für sich in seine Hände legt. Das bedeutet außerordentliche Verantwortung in seinen Händen, der er jedoch nicht gerecht wird, weil er als reicher Mann alles durch die Dollarbrille zu betrachten scheint.“
„Da hast du bei mir Glück,“ versetzt er lächelnd. „Ich bin nicht reich, und kenne die Bedeutung der Gefühle. Was die Frau im Film sagte, dass sie sich in ihrer Situation als sein Doggie wirklich frei fühlt, dass sie sich sicher, geliebt, beschützt fühlen kann, dass sie ihm voll vertrauen kann – dass trifft schon eher auf uns zu. Ich werde dich niemals weitergeben und ich werde stets deine Gefühle achten!“
„Dir macht es wirklich nichts aus, wenn ich mal zicke?“ frage ich ihn. Ich habe mich etwas gedreht und schaue augenzwinkernd zu ihm auf.
Er schüttelt den Kopf.
„Wirklich nicht! Du bist schließlich kein Roboter, der prompt auf Anweisungen reagiert, sondern ein fühlendes Lebewesen, eine eigenständige Persönlichkeit.“
Ich recke mich ein wenig und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. Er nimmt mich daraufhin in die Arme und nähert sich meinem Mund mit dem seinen.
Nach einem langen Kuss, der mich ganz entspannen lässt, redet er weiter:
„Weißt du, wie ich das sehe?“
Ich schüttele den Kopf und schaue gespannt zu ihm auf.



Luna -21-
Ich bin etwas nervös, denn von dem Moment an, an dem der Anker hochkommt, halte ich das Boot mit Motorkraft in der schwachen Strömung. Aber vorn scheint alles glatt zu gehen. Nach wenigen Minuten sagt Maik:
„Jetzt kannst du die Winde ausschalten.“
Er kommt auf dem gleichen Weg zu mir zurück, setzt sich auf seinen Platz und drückt den Fahrthebel ein wenig mehr nach vorn. Dann steuert er in die Fahrrinne zurück und schaltet die Motoren aus. Nun beginnt er in die Pedale zu treten. Ich mache es ihm nach und merke, dass es mir Spaß macht. Es ist dasselbe, als säße ich auf unserem Hometrainer zuhause und trainiere meine Beinmuskeln. Das ist wichtig, da sich durch das Rollifahren die Muskulatur der Beine zurückbilden würde – während gleichzeitig meine Armmuskulatur anwächst.
Bald treten die Bäume vom Ufer zurück und machen einem kurzen Sandstand Platz, in dessen Mitte ein zwei Meter breites Betonband in den See führt. Rechts und links davon liegen Paddelboote im Sand. Weiter oben bedeckt Gras den Boden, auf dem Zelte stehen. Im Hintergrund sehe ich zwei Wohnmobile stehen.
Kinder stehen am Ufer und winken uns zu. Andere machen durch Rufe auf uns aufmerksam. Dann sind wir auch schon vorbei. Die Fahrrinne, durch die Bojen begrenzt, führt vom Ufer weg auf einen weitläufigen See mit Schilfinseln hier und da.
Bald steuert Maik zwischen den Bojen hindurch auf eine Bucht zu. Er verlässt damit die Fahrrinne.
„So,“ sagt er. „Hier muss ich vorne staken, damit wir nicht auf eine seichte Stelle geraten und festsitzen. Du musst also vor- oder rückwärts radeln und in die Richtung steuern, die ich dir angebe.“
„Okay,“ bestätige ich.
Er steht auf, beugt sich noch einmal zu mir herunter, um mir einen Kuss zu geben, den ich gern erwidere. Dann geht er wieder über das Gangbord nach vorne. Dort dreht er sich zu mir um und nimmt eine lange Stange vom Kabinendach. Sie war in der Nähe des ‚Handlaufs‘ festgemacht. Er sticht sie neben dem Bug ins Wasser und fühlt so, wann sie den Boden erreicht.
Danach hebt er sie wieder an und schaut, bis zu welcher Markierung sie nass ist. Das macht er immer wieder so und gibt mir Richtungsanweisungen, während die Ufer beiderseits immer näher zu kommen scheinen. Schließlich wird aus der anfänglichen Bucht ein Nebenarm, in den wir uns nun schon seit über zwei Stunden in wirklichem Schneckentempo hinein tasten.
Dann sagt er zu mir:
„Buganker ab!“
Es dauert etwas bis ich realisiert habe, was er meint. Ich habe aufgehört zu radeln und habe endlich den richtigen Knopf gefunden. Der Anker vorne rasselt dem Boden entgegen. Maik befestigt die Stange wieder auf dem Kabinendach und kommt zu mir nach hinten zurück. Er startet die Elektromotoren für einen Moment und fährt rückwärts.
„Der Anker sitzt,“ meint er.
Dann schaltet er die Motoren wieder ab und lässt den Anker hinten herunter. Danach wendet er sich mir zu.
„Es ist ja noch etwas früh, um schon schlafen zu gehen,“ meint Maik. „Was hältst du von einem Filmabend heute?“
„Oh ja, gern,“ sage ich sofort begeistert.
„Aber zuerst gibt es etwas zu essen!“ sagt er und steht auf.
Er geht zum Niedergang und steigt in die Kombüse hinunter. Unten dreht er sich um und schaut mich an.
„Komm ruhig auch her,“ fordert er mich auf.
Ich stehe also aus meinem Sitz auf und trete an den Niedergang heran. Dort drehe ich mich um, wie er mir beigebracht hat und taste mit dem Fuß nach der ersten Stufe. Bald bin ich unten und lasse mich auf der Sitzbank nieder.
Maik gibt einige Früchte in den Zerhacker, und schaltet das Gerät mehrmals kurz ein. Dann lässt er das Früchtemus in eine Schüssel ablaufen und gibt eine kleine Schale Quark hinzu. Nun verrührt er beides. Er füllt die Masse in zwei Schälchen und stellt Brot und Obstsaft dazu auf den Tisch.
Ich möchte ihm beim Zubereiten der Speisen gerne helfen und frage ihn:
„Was gibt es morgen zu essen?“
Er zuckt die Schultern und antwortet:
„Morgen kannst du dir gerne im ‚Haus am See‘ etwas aus der Karte aussuchen. Wir essen dort oder nehmen es mit und essen danach hier an Bord. Morgen früh essen wir was vom Früchtequark übrig bleibt. Übermorgen Mittag – wieder auf freier Strecke – vielleicht wieder Wraps mit Füllung?“
„Das hört sich gut an,“ sage ich und lächele ihn an. „Ich brauche bei dir ja kaum etwas tun…“
Maik lächelt breiter.
„Eure Beauty braucht ja auch im Haushalt nichts tun. Sie lässt es sich gut gehen und folgt nur euren Anweisungen oder ihren Gefühlen. – Und du willst ja gerne meine LUNA sein.“
„Ja, schoooon…“ dehne ich die Antwort.
„Hab kein schlechtes Gewissen dabei,“ sagt Maik eindringlich. „Wenn ich deine Hilfe als menschliches Wesen brauche, sage ich es dir schon! Sieh mal, alleine hätte ich es nicht hier hineingeschafft.“
Das stimmt wohl. Ich nicke ihm stumm zu und schaue ihn verliebt an. Dann schiebt er mir ein Schälchen zu, füllt zwei Gläser mit Fruchtsaft und greift selbst nach dem Brot, um sich eine Scheibe mit dem Früchtequark zu schmieren. Bald bin ich satt und auch Maik hört auf zu essen. Er schabt die Schälchen aus und füllt die Reste wieder in die Schüssel für Morgen. Dann räumt er auf und spült ab.
„Wenn ich mit dem Rollstuhl hier herumfahren könnte, würde ich dir beim Spülen helfen,“ sage ich, während ich ihm beim Arbeiten zuschaue.
„Dafür ist es hier leider zu eng,“ gibt er zurück, „bleibe du also ruhig in deiner Rolle als Luna, mein Bordhund.“
Dabei grinst er mich breit an. Ich senke den Blick.
Als er mit allem fertig ist, geht er nach vorne in den Salon und krabbelt nun seinerseits auf die Liegefläche. Im Knien holt er eine DVD aus dem Regal und steckt sie in den seitlichen Schlitz am TV-Gerät. Inzwischen hat er sich seitlich hingesetzt und an die Wand der Kabine gelehnt. Ich komme zu ihm und kuschele mich bei ihm an.