Nicci (2)
„Das wird ja nicht ewig andauern!“ sage ich und knuffe ihn in die Seite. „Im Moment fühle ich mich ganz gut so.“
„Wenn du in ein paar Wochen Abstand gewonnen hast und dich wieder nach Männern umschaust, wie sollte der denn beschaffen sein?“ fragt er weiter.
„Hm, so einen Waschlappen wie Mike muss es nicht wieder sein!“
„Er war ja mal ein Anderer! Solange er erfolgreich war, war er das Gegenteil von dem, wie er sich jetzt darstellt…“
„Richtig, seine Selbstverliebtheit fand ich anfangs amüsant. Aber dann begann er immer mehr, sein eigenes Ding durchzuziehen. Ich war nur gut für die Hausarbeit und fürs Bett. Ich habe aber auch noch meine Arbeit!“
„Ein Weichei, das dir im Haushalt hilft, wäre also jetzt dein Favorit?“
Ich bin Alex dankbar, dass er mich jetzt unter dem Eindruck der vergangenen Erlebnisse zum Grübeln bringt; dass ich mich über meine Zielperson in einer zukünftigen Suche langsam klar werde.
„Ein neuer Kontakt braucht erst einmal viel Geduld. Ein großes Maß an Empathie und Einfühlungsvermögen sollte ihn auszeichnen. Ich suche erst einmal einen Freund bei dem man sich anlehnen kann und keine Bettgeschichten!“
„Das ist deiner schlechten Erfahrung jetzt geschuldet. Das verstehe ich,“ meint Alex und legt seine Hand kurz auf meine. „Während du mit ihm befreundet bist und ihr einiges gemeinsam unternehmt, lernst du den Neuen näher kennen. Auf was achtest du dabei?“
„Auf keinen Fall wieder so ein Schönling!“ bricht es aus mir heraus. „Ein durchschnittlicher Mann mit Macken, der Intelligenz, Macht und Körperkraft beweist, gepaart mit Geduld und Empathie.“
„Hm.“ Alex schaut zweifelnd. „Du suchst einen Boxer? Oder den Anführer einer Gang?“
„Nein!“ Ich schaue ihn mit großen Augen an. „Ich will nicht eine von mehreren Stuten sein, die er am laufen hat! Ich will die einzige Frau sein, nach der er sich sehnt. Ich möchte weiche Knie bekommen in seiner Nähe. Er soll mir seine ganze Aufmerksamkeit schenken, mich beschützen, mir Geborgenheit vermitteln. Er soll mich glauben lassen, es sei das Wichtigste auf der Welt, ihm zu gefallen. Ich will ihm etwas bedeuten, nicht ignoriert oder vernachlässigt werden!“
Ich mache einen tiefen Atemzug und schaue Alex an, der ungläubig lächelt. Nach einer Weile rede ich weiter:
„Der richtige Mann schenkt mir eine Menge Aufmerksamkeit, vielleicht sogar mehr als mir manchmal lieb ist. Er ist neugierig auf meine Gedankengänge, er begehrt mich und zeigt, dass ich sein bin, indem er stets nach meinem Wohl trachtet.“
„Hm,“ macht Alex noch einmal. „Meinst du, so einen Mann lässt sich finden? Jedenfalls nicht in unserer Altersklasse! Vielleicht ein Gentleman alter Schule, der so etwas Patriarchalisches an sich hat, ohne gleich sooo alt zu sein!“
Er grinst bei seinen letzten Worten.
Ich zucke mit den Schultern und zwinkere ihm zu.
„Er muss ja nicht hundertpro in das Schema passen! ‚Ein durchschnittlicher Mann mit Macken,‘ sagte ich ja zu Beginn. Das andere sind Träumereien. Wenn der Mann davon das eine oder andere hat, fände ich das wunderbar…“
„Na, wir werden sehen,“ antwortet Alex.
Er bleibt noch eine Weile, dann verabschiedet er sich.

*

In den folgenden Wochen bleibe ich meinem Hobby ‚Joggen‘ treu, aber ich durchforste auch das Internet nach Seiten, auf denen ich meinem Traummann begegnen könnte. Über die Suchmaske, die ich bei der Einweihungsparty mit meinem Bruder Alex entworfen habe, komme ich schließlich an BDSM-Communities. Erschreckt lasse ich ein paar Tage die Finger davon. Dann überwiegt meine Neugier und ich beginne mich zu informieren.
Nach mehreren Wochen Recherche und dem Verfolgen von entsprechenden Chats imponieren mir die Aussagen einiger Leute aus dem Petplay-Bereich. Die Vorstellung, jemandes Pet zu sein, lässt mich ständig feucht werden, wenn sie vor meinem inneren Auge materialisiert. Besonders geil machen mich dabei die Aussagen, dass es zwei Arten von Zuneigung gibt, die sich gleichen, wie ein Zwilling dem Anderen: Die Zuneigung zwischen Eltern und Kind einerseits und die Zuneigung zwischen Mensch und Haustier andererseits. Diese Aussage auf das Petplay übertragen, macht mich richtig heiß.
‚Was für ein interessantes Konzept,‘ denke ich mir, und nehme mir vor, mehr darüber in Erfahrung zu bringen.
Dennoch, viele der Leute dort lehnen ihr Petplay an SM-Praktiken an. Das stößt mich ab! Ich will als Pet nicht aus Angst vor schmerzenden Strafen, den Kommando gehorchen, ich will keinen Zwang spüren, sondern ich möchte aus Vertrauen, dass der Herr auf mein Wohl achtet, auf seine Kommandos hören. Trotz allem muss ich also auch hier die Spreu vom Weizen trennen.
Schließlich melde ich mich in einer Community an. In mein Profil schreibe ich, dass ich erst einmal keinen Kontakt wünsche, sondern mich in Ruhe umzuschauen gedenke. Trotzdem bekomme ich infolge öfter eindeutig zweideutige Nachrichten in meinem Postfach. Manche sind auch so dreist, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und sofort ihr Anliegen anzusprechen. Ich muss das wohl hinnehmen. Schließlich gibt es den Löschknopf!
Langsam lese ich mich durch die spärlichen Beiträge im Forum. Ich bemerke, dass Petplay nicht gleich Petplay ist. Die meisten Community-Mitglieder sind Ponyplayer. Dann folgen die Cat- oder Kittyplayer. Danach folgen die Dogplayer, Cowplayer, Pigplayer – in dieser Reihenfolge - und schließlich noch einige Exoten. Die Beiträge im Forumsbereich für Dogplayer interessieren mich besonders. Besonders diejenigen eines bestimmten Mitgliedes. Ich schaue mir sein Profil an und bin gleich positiv berührt.
Nur ein Problem sehe ich: Der Mann ist siebzehn Jahre älter als ich. Mir fällt Alex‘ Bemerkung dazu bei der kleinen Einweihungsparty ein. Ich zucke mit den Schultern und drücke auf den Kontaktknopf. Das System sendet dem Mann nun eine Freundschaftsanfrage. Dann schalte ich meinen Laptop aus und atme tief durch. Eine Freundschaftsanfrage ist erst einmal unverbindlich. Mal schauen, ob er hält, was sein Profil verspricht!
Ein paar Tage später logge ich mich wieder in die Community ein. Wie üblich muss ich erst wieder einige Spam-Mails in meinem Postfach löschen. Ich habe mir angewöhnt, immer als erstes den ‚großen Besen‘ auszufahren, bevor ich mich weiter durch die Beiträge der Nutzer lese.
Plötzlich stutze ich. Eine der Mails, die seit meinem letzten Besuch in der Community aufgelaufen sind, trägt als Absender den Mann, dem ich die Freundschaftsanfrage geschickt habe. Mein Finger zittert leicht, als ich den Cursor über den ‚Öffnen‘-Button bewege. Ich lese:
Hallo Beauty,
gern habe ich deiner Freundschaftsanfrage entsprochen. Ich muss gestehen, dass ich mir dein Profil neugierig durchgelesen habe. Gerne können wir uns über unser beider Ansichten über Petplay unterhalten! Natürlich nur, wenn du an einem unverbindlichen Chat interessiert bist…
Liebe Grüße
Petowner
‚Bei einem unverbindlichen Chat in der Community vergebe ich mir nichts. Ich kann jederzeit abschalten, wenn es mir zu dumm wird,‘ denke ich und schaue, ob der sogenannte PETOWNER gerade online ist.