Suìmh Aille -07
Nach einigen schweigsamen Minuten beginnt Runa erneut:
„Selbst der ärmste Mann ist in seinem Haus, in der Nähe seines Cloch bhaile, der Alleinherrscher, der Mittler zwischen der Natur und den Menschen. Er genießt den Respekt der Anderen, solange er sich seiner Verantwortung gewachsen zeigt.“
Ich nicke lächelnd.
Es wird Abend, als die Curadhi zurückkehren. Wir haben gegen Mittag einen kleinen Imbiss zu uns genommen, den die Mic Léinn bereitet haben. Runa begrüßt ihren Curadh freudig lächelnd mit wiegenden Hüften. Ich bleibe etwas im Hintergrund, um die Begrüßung miterleben zu können.
Curadh Murchadh nickt ihr mit einem zärtlichen Blick zu und streicht ihr über den Kopf. Dabei sagt er:
„Ich bin ja wieder da, Runa.“
Curadh Ciaraì schaut lächelnd in meine Richtung und ruft dann die Mic Léinn herbei. Er gibt ihnen die Anweisung, das Dinnéar -Abendessen- vorzubereiten. Bis das Essen fertig ist, versenkt Curadh Ciaraì einen mitgebrachten Stein in einer Aussparung der Tischplatte.
Eine halbe Stunde später sitzen die Curadhi und ihre Mic Léinn bei Tisch, während wir uns neben ihnen auf den Bodenkissen niedergelassen haben und aus den Schalen essen. Um unseren Durst zu stillen, halten uns die Herren eine Flasche mit dem Getränk hin. Sie besitzt ein Mundstück, so dass man daran saugen kann.

*

Nach dem Abendessen in Curadh Ciaraìs Teach –Haus- begleite ich meinen Curadh in sein Haus, das auch mir als Cóiriocht –Unterkunft- dient.
Beim Betreten des Teach stelle ich fest, dass der Vorraum hier größer ist. Neben den Sitzgelegenheiten gibt es hier noch ein Schreibpult mit einem Laptop. Eine seitliche Tür führt in die Othar Charr –Arztpraxis-. Der Boden besteht aus Marmor, der mir gar nicht kalt vorkommt. Auch mein Curadh legt einen Stein, den er aus seiner Gürteltasche holt, in die Aussparung der Tafel -Tabla bia- im Wohnraum -Seomrai beo-.
Anschließend strebt er zu der Treppe ins Obergeschoß. Ich folge ihm. Oben angekommen, hängt er seine Straßenkleidung an die Garderobe im Gang, der den Schlafbereich von Toilette, Bad und Wellnessbereich trennt. Er lächelt mich an und zieht mich mit sich ins Schlafzimmer. Die Obergeschosse der Häuser hier kenne ich noch nicht. Darum verharre ich kurz in der geöffneten Tür. Ich kann nicht anders, als mich in einem Traum aus Tausendundeiner Nacht zu wähnen.
Den Raum nimmt ein Doppelbett fast völlig ein. Man kann außen komplett herumgehen. Halb durchsichtige Vorhänge um ein Massivholz-Bettgestell, Kerzen an den Wänden und ein Kaminfeuer, beides elektrisch betrieben, zaubern eine heimelige Atmosphäre. Mein Curadh öffnet eine Tür. Dahinter befindet sich ein Ankleidezimmer mit Stangen, Regalen und Schubläden – ein begehbarer Kleiderschrank.
Als ich mich auf nackten Füßen dem Himmelbett nähere, liegt er schon drinnen. Er sieht mich kommen und hält mir den Vorhang auf. Bald darauf wandern seine Finger zärtlich über meinen Körper.

*

Nach dem Abendessen verabschieden sich die beiden Curadhs herzlich voneinander. Curadh Ciaraì lässt den Mic Léinn die Wahl, wer in einem Arzthaushalt leben und lernen möchte und wer eher in der Verwaltung seine Zukunft sieht. Sie sollen sich also aufteilen. Einer von ihnen soll Curadh Murchardh nachhause begleiten.
Anschließend führt Curadh Ciaraì uns in die Privaträume im oberen Stockwerk. Jeder von uns bekommt sein eigenes Schlafzimmer zugewiesen. Mein Curadh zeigt dann noch Toilette, Bad und Wellnessbereich. Ich bin über den schlichten Luxus überrascht. Danach wünscht er uns eine Gute Nacht.
Das Gästezimmer, das Eamon mir zugewiesen hat, beherbergt ein großes Bett, reichlich Raum drumherum und eine Reihe von Truhen rundum an den Wänden, sowie Regale über den Truhen. Das Bett ist ein breites Einzelbett mit Massivholzgestell. Die seitlichen Bretter sind geteilt. Es sieht aus, als ob hier ein Zusatzbett untergeschoben ist. Elektrisch betriebene Kerzen an den Wänden, zaubern eine romantische Atmosphäre.
Ich krabbele auf allen Vieren ins Bett, schlage die Decke über mich und bin bald darauf eingeschlafen. Die Kerzen sind in der Einschlafphase dunkler geworden und bald ausgegangen.
Am nächsten Morgen brennen die Kerzen beim Aufwachen schon wieder. Demnach ist auch draußen die Nacht dem Tageslicht gewichen. Trotzdem bleibe ich abwartend im Bett liegen.
Kurze Zeit später steckt der Hausherr seinen Kopf zur Zimmertür herein. Er sieht, dass ich wach bin und lächelt mich an.
„Komm, Eithne, wir wollen gehen frühstücken,“ fordert er mich fröhlich auf.
Also schlage ich die Decke zurück und krabbele aus dem Bett. Ich denke mir, dass ich die nächsten Tage bis zu meinem Rückflug im Vierfüßler-Gang bleiben werde.
Leicht schräg gehend folge ich meinem Curadh die Treppe hinunter in die Wohnhalle, nachdem er mich im Bad frisch gemacht hat. Da ich im Augenblick rund um die Uhr Pfotenhandschuhe trage, kann ich nicht mehr selbst Hand an mich legen. Aber Eamon macht das schon ganz gut.
Unten angekommen setzt er sich an den niedrigen Tisch. Dort steht schon alles für das Frühstück bereit.
„Bradáin -Lachs-!“ ruft Curadh Ciaraì, und der junge Mann, der unseren Haushalt führt kommt aus dem Hauswirtschaftsraum näher.
Ich nehme mir vor, dass ich im Haus irgendwann einmal auf Erkundungstour gehen muss.
„Setze dich nieder, bitte!“ sagt Eamon nun.
Der junge Mann nimmt einen Hocker und setzt sich an die Ecke des Tisches, während ich mich auf der anderen Seite Eamons niedergelassen habe.
Mein Curadh schneidet mir etwas von den Lebensmitteln auf dem Tisch klein und füllt damit eine Schale schwerem Glas. Dann füllt er die Tasse des Mac Léinn Bradáin und seine eigene aus der Teekanne. Eamon hebt seine Tasse an, tunkt zwei Finger hinein und verspritzt ein paar Tropfen auf den Stein in der Tischplatte, der seit gestern dort in einem Moosbett in einer Vertiefung liegt. Dabei spricht er die irischen Worte:
„Nádúr uilechuimsitheach, beannaigh ár n-aoi agus inniu -Allumfassende Natur, segne unseren Gast und den heutigen Tag-!“