Suìmh Aille -12
Wir führen unsere Gäste zur Herberge des Ortes. Curadh Donagh, der Besitzer der Herberge, begrüßt uns und gibt Papa und Onkel Peter je einen Zimmerschlüssel. Sein Mac Léinn führt uns nun zu den Zimmern ein Stockwerk über der Halle.
„Habt eine gute Nacht,“ wünscht ihnen Eamonn. „Für morgen Vormittag ein Brunch ist vorgesehen unten in der Halle. Wenn ihr umsehen wollt euch in Cuiraraill, dann Zeit ist danach. Jedoch besser ist es, euch führen zu lassen, damit ihr wieder zurückfindet hierher.
Morgen Nachmittag Sophie wird kommen und sich umziehen für das Fest. Ich denke, dass Josef seine Tochter zum Fest führen will…“
Bei den letzten Worten zwinkert er meinem Vater zu. Während sie sich nun in ihre Zimmer zurückziehen, verlassen wir die Herberge und ich gehe an der Hand meines baldigen Mannes und Herrn zum Haus des Méara, meinem Heim.

*

Da es schon sehr spät gewesen ist, als Sophies Eltern und Pateneltern eingeschlafen sind, wird es Vormittag bis sie hinunter in die Halle gehen. Vorher haben sie sich in ihren Zimmern besucht, um sicher zu stellen, dass sie gemeinsam zum versprochenen Brunch gehen.
Unten ist ein Tisch für sie eingedeckt. Sie setzen sich auf die niedrigen Stühle.
„Oh,“ meint Mama. „Das ist aber reichlich unbequem hier!“
Onkel Peter lächelt und sagt: „Setz dich in den Schneidersitz! Dann geht es.“
Mama und auch Tante Emma rutschen auf ihren Stühlen herum bis sie ihre Beine sortiert haben. Als alle Vier ihre Sitzposition gefunden haben, kommt ein anderer Mac Léinn an den Tisch, als der junge Mann, den sie in der Nacht kennen gelernt haben. Er verbeugt sich leicht und fragt, was die Gäste trinken möchten. Alle bestellen Kaffee. Danach verlässt er sie in Richtung Küche.
Anschließend fährt er einen beladenen Servierwagen an den Tisch und stellt die Schüsseln und Tabletts zwischen meine Verwandten in die Mitte des Tisches. Nun wünscht er allen einen Guten Appetit, bevor er sich wieder zurückzieht. Onkel Peter ist der erste, der zulangt und sich den Teller füllt. Er meint:
„Die Bedienung erinnert mich im Verhalten an meine Kindheit. Meinst du nicht auch Josef?“
Papa füllt gerade Mamas Teller nach deren Wünschen, und antwortet nickend:
„Das wirkt irgendwie, wie aus der Zeit gefallen…“
Auch Tante Emma nimmt sich aus dem Angebot der Speisen, was sie mag. Zwischen den Bissen nickt Onkel Peter:
„Das meinte ich! Das Essen ist aber vorzüglich!“
Alle anderen am Tisch nicken zustimmend und unterhalten sich beim Essen über die Eindrücke, die sie bisher gewonnen haben. Dabei wächst der Wunsch, mehr von diesem Ort an der irischen Küste zu sehen.
Nachdem sie sich satt gegessen haben, erheben sie sich – nicht ohne gewisse Schwierigkeiten wegen der niedrigen Stühle. Papa und Onkel Peter helfen ihren Frauen auf. Danach gehen sie zum Tresen an der Seite des Foyers. Dort wartet der Mac Léinn, den sie von gestern Nacht kennen. Der junge Mann fragt:
„Haben die Herrschaften einen Wunsch?“
Onkel Peter entwickelt sich zum Wortführer der kleinen Gruppe. Er antwortet:
„Wir würden uns gerne den Ort ansehen. Gibt es einen Fremdenführer, der auch einiges zu erzählen weiß, über das was wir draußen zu sehen bekommen?“
Der Mac Léinn nickt und nimmt einen Telefonhörer in die Hand. Er wählt eine Kurznummer und spricht auf Irisch ins Telefon. Kurz darauf tritt ein anderer junger Mann hinzu und sagt, nachdem er sich vor den Gästen verbeugt hat:
„Ich grüße Sie, meine Herren und Damen. Mein Name ist Barry. Ich werde Sie gerne führen.“
„Okay,“ meint Onkel Peter. „Dann lasst uns aufbrechen!“
Barry öffnet die Eingangstür und lässt die vier Gäste an sich vorbei nach draußen treten. Sie bleiben abrupt stehen und es dauert etwas bis er die Tür hinter sich schließen kann.
Onkel Peter fragt sogleich:
„Wo sind wir hier? Ist das Irland? Ich fühle mich in die Anden versetzt und in einer Inka-Siedlung…“
Barry neigt den Kopf und antwortet:
„Wir befinden uns hier in der Grafschaft Kerry, auf der Dingle Peninsula, Sybil Head. Was Sie hier sehen ist der Nachbau der Klosteranlage von Skellig Michael. Diese Anlage hier wurde vor einiger Zeit von einem amerikanischen Filmteam in Styropor aufgebaut, weil das regelmäßige Übersetzen nach Skellig Michael zu gefährlich ist. Der Ortvorsteher –Méara-, dem der Felsen und die Umgebung gehört und der Heiler –Leigheas- ließen die Anlage abreißen und bauten sie in Stein wieder auf.“
„Ah, interessant,“ macht Onkel Peter. „Ich denke, wir schauen uns den Ort einmal näher an.“
Barry umrundet die Herberge und schon steht die Gruppe auf dem freien Platz im Zentrum von Suìmh Aille. Die steinerne Skulptur in dessen Mitte hat es Onkel Peter angetan. Er zeigt darauf und fragt Barry:
„Was bedeutet diese Skulptur?“
Bereitwillig antwortet er:
„Das Gebilde stellt den keltischen Lebensbaum dar. Wir befinden uns hier auf jahrtausendealtem keltischem Boden. Es ist eine Hommage an unsere Vorfahren, wie auch die Kilts der Herren, die sie hier im Vorbeigehen sehen können.“