Freitag, 7. August 2020
Nicci (34)
Als der Film nach etwa anderthalb Stunden zu Ende ist, sagt Peter in die Stille hinein:
„Diese Mary war bereit, Veränderungen in ihrem Leben vorzunehmen und zeigte totale Hingabe gegenüber dem Mann, den sie da kennenlernte. Die aufkeimende Zuneigung zwischen den beiden war einfach großartig…“
„Ja,“ entgegne ich. „Aber das war von Anfang an einseitig von ihr ausgehend…“
Peter nickt.
„Natürlich hast du Recht. Ich weiß nicht, warum solche Filme meist nur das Klischee ‚reicher Herr und arme Magd‘ bedienen. Er zeigt Besitzerstolz, während bei ihr Vertrauen und Zuneigung wächst. Das sollte bei ihm Verantwortungsbewusstsein auslösen, den unbedingten Willen, sich um ihr Wohl zu kümmern…“
Bernd mischt sich nun ein. Er meint:
„Wenn wir an einen devoten Menschen denken, denken wir an jemandem, der sehr bescheiden und gelehrig ist. An jemand, der jemanden sucht, an den er die totale Kontrolle abgeben kann. Dies ist eine große Verantwortung für den dominanten Part.
Die Ausbildung kann nur beginnen, wenn der Dominante genügend Informationen bekommen hat, um seine Devota von innen und außen zu kennen. Ihre Gewohnheiten, ihre Gedanken, alle Arten von Medikamenten, die sie möglicherweise braucht. Die Medikamente könnten vielleicht eine Wirkung auf ihr Verhalten beim Verschieben von Scham- und anderen Grenzen haben.
Als Owner kümmern wir uns um unser Doggie, wir schätzen sie, wir führen sie, und den meisten Doggies nehmen wir damit eine riesige Last von den Schultern. Wir versprechen, dass alles in Ordnung bleibt.“
Peter nickt dazu und ergänzt:
„Die Doggie ist wie ein geliebtes Haustier. Ein echter Hund liegt gerne zu Füßen ihres oder seines Herrn oder Herrin. Der/die Doggie wird ohne Frage folgen, aus Vertrauen zum Owner. Die Doggie wird auch an der Leine gehen, ohne zu fragen wohin.“
Nicci meldet sich nun leise zu Wort:
„Wenn Zwei sich intensiv berühren, können sie tatsächlich spüren, was der Andere fühlt. Genau wie der Kuss: Der Kuss sagt alles! Man fühlt Leidenschaft oder nur Freundlichkeit, oder sogar Falschheit. Gleiches spürt man in der Umarmung.
Nur sehr wenige verstehen wirklich, wie tief eine Beziehung mit Machtgefälle ist. Die meisten, die unterwürfig sein wollen, verstehen nicht wie jemand freiwillig so viel geben kann, wie jemand mit TPE leben und glücklich sein kann.“
Nun will wohl auch Jasi ihren Teil zu der Unterhaltung beitragen.
„Der Teil, als der Owner mit seiner Doggie apportieren spielte, erregte mich sehr,“ sagt sie. „Das ist grenzenloses Vertrauen! Das ist gleichzeitig Verpflichtung und Verantwortung für den Owner!!
Ich glaube, es gibt Menschen, die sich als devot bezeichnen, aber Angst haben die Grenze zum TPE zu überschreiten. Der Gedanke, dass jemand die volle Kontrolle über dich hat, ist für sie ziemlich beängstigend. Wenn du den richtigen Dom oder Owner findest, würdest du sehen, es ist gar nicht so schwer!“
Ich höre den Statements staunend zu. Sie machen mich nachdenklich.
Mal angenommen, ich würde die Rolle wechseln und ein human Doggie besitzen. Der echte Hund hat keine Wünsche, außer den elementaren, wie zufrieden zu leben, Zuwendung zu erhalten. Er braucht sich um nichts kümmern, ist gehorsam und sehr gelehrig. Er will nicht bestimmen.
Ein human Doggie ist da anders, - wenn ich mich selbst ‚im Spiegel‘ betrachte. Ein Human Doggie hat sehr wohl Wünsche, die über die elementaren Bedürfnisse hinausgehen. Manchmal haben sie Fragen in ihrem Kopf, machen sich über etwas Sorgen. Aber welcher Owner kümmert sich denn darum und zerstreut die Sorgen? Er will doch auch nur seinen Spaß aus dem Rollenspiel ziehen!
Hier treffe ich eine ganz andere Philosophie! Eben in den Statements ist der Begriff TPE gefallen. Die totale Übergabe aller Entscheidungen im Leben, und die Kontrolle darüber, hätte ich bisher niemals ins Auge gefasst! Selbst nicht auf Zeit, während einer festgelegten Session. Soviel Vertrauen in die Entscheidungen von Herrchen oder Frauchen kann man doch nur haben, wenn beide verheiratet sind…
Peter schaut zu mir herüber und lächelt mir aufmunternd ins Gesicht.
„Du darfst dich als Doggie niemals als Spielzeug eines Herrchens oder Frauchens betrachten! Als Lebewesen bist du mehr als das, mehr als ein bloßes Ding! Herrchen oder Frauchen muss dir selbst in der Rolle als Doggie Respekt und eine gewisse Achtung entgegenbringen.
Schau mal: Ich habe dich deine Meinung äußern gelassen und es wird über alles gesprochen. Ich habe dem Rollenspiel sofort eine andere Richtung gegeben, als ich sah, zu was du in der Lage bist und zu was nicht. Würdest du öfter kommen und selbst den Ehrgeiz äußern, irgendwann das Gleiche zu können, was Jasi und Nicci in der Lage sind zu tun, dann würde ich dir Trainingsaufgaben für Zuhause mitgeben und den Stand deines Könnens bei jedem Treffen abfragen und dich korrigieren und beraten, wie du bis zum nächsten Treffen besser wirst.“
Bernd mischt sich nun wieder ein und spricht:
„Der Owner sollte es erlauben, dass Doggie seine Meinung äußert, um ein Problem oder eine Sorge aus seinem Kopf oder Herz heraus zu bekommen.
Wenn der Owner es nicht zuließe, könnte es zu einem Zusammenbruch der Kommunikation kommen, der die Beziehung letztendlich zerstören würde. Das beginnt damit, dass die emotionale Nähe zwischen Owner und Doggie an Tiefe verliert.“
„Richtig!“ bestätige ich und schränke seine Aussage gleich wieder ein: „Du sprichst von Beziehung! Eine so enge Verbindung hat man bei den meisten Doggie-Owner-Paarungen aber nicht, die sich nur zum Spielen in Sessions treffen…“
„Das sind diese oberflächlichen Zusammentreffen, wo es nur um den Spaß beim Spiel geht. Verantwortung von Seiten des Owners? Die Doggie soll gefälligst seine/ihre Selbstverantwortung bemühen…
Wir alle leben, wie wir leben wollen. Wir haben verschiedene Möglichkeiten und Bedürfnisse. Viele Menschen, die sich als devot bezeichnen, sind unsicher in ihrem Leben - nicht alle, aber viele. Manch einer braucht eine gewisse Konstanz und Struktur, die sie beim Owner suchen und finden. Das gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit, ihr chaotisches Leben hat ein Ende. Sie wissen, dass sie geliebt werden, dass man sich ihrer und ihren Problemen annimmt. Im Gegenzug bekommt der Owner alles, was er will. Gerade dieses Verhalten zu Seinem Vorteil auszunutzen, finde ich niederträchtig! Stattdessen erwächst ihm hier große Verantwortung zu. Nimmt er sie an, wird er nur Entscheidungen treffen von denen er weiß, es wird ihr nicht schaden. Ganz anders, als wenn er Entscheidungen träfe, die sich allein am Spaßgewinn orientieren!“



Nicci (33)
„Das ist also auch nichts, bei dem ihr annähernd gleich seid,“ meint Peter, als wir ihn erreichen.
Er steht auf und geht auf das Tor des Anbaus zu. Auch Bernd steht nun auf. Während er mit Jasi den Parcour durchläuft, folgen wir Peter. Er öffnet einen Flügel des Tores und ist kurz drinnen verschwunden. Als er wieder herauskommt und das Tor schließt, trägt er einen Fußball unter dem linken Arm. Damit geht er schnell in die Mitte der Wiese und schaut sich dann nach uns um.
Wir sind ihm weiter gefolgt, also lässt er den Ball fallen und schiebt ihn mit dem Fuß zu uns herüber. Nicci hat die Ellbogen gebeugt und auf diese Weise ihren Schultergürtel und den Kopf tiefer gestellt als ihr Becken. Mit den Hinterbeinen tänzelt sie einige Zentimeter hin und her. Dann macht sie zwei oder drei Schritte auf den Ball zu und stupst ihn seitlich weg. Nun dreht sie ihren Kopf ein wenig, so dass es scheint, als ob sie mich aus den Augenwinkeln beobachtet. Ich laufe auf Händen und Knien dem Ball hinterher, stoppe ihn und schaue mich verwundert zu Nicci um. Wo ist sie geblieben? Sie ist tatsächlich schneller als ich!
Nicci steht lächelnd schräg hinter mir und beugt sofort wieder ihre Ellbogen, und beginnt auch das leichte tänzeln wieder, als ob sie eine Aktion von mir erwartet. Peter hat ja gesagt, wir sollen zusammenspielen. Ich gebe dem Ball einen Stoß und Nicci startet in Richtung Ball, überholt ihn, dreht sich und stoppt ihn, um ihn sogleich in meine Richtung zurück zu stoßen. Allerdings muss der Ball von etwas auf der Wiese abgefälscht worden sein. Er rollt an mir vorbei. Ich drehe mich, sehe Nicci an mir vorbei hetzen und habe den Ball gleichzeitig mit Nicci erreicht, da sie den Ball wieder überholt, sich gedreht und ihn in seinem Lauf gestoppt hat.
So beschäftigen wir uns eine ganze Weile mit dem Ball. Nicci passt dabei auf ihre Art auf, dass der Ball nicht in den Parcours gerät. Ich habe inzwischen das Zeitgefühl verloren, so sehr macht mir das Spiel Spaß. Nach einiger Zeit kommt auch Jasi hinzu und wir tollen zu dritt über die Wiese.
Plötzlich fällt der Ball in den Pool am Rand der Wiese. Jasi ist am nächsten dran. Bis wir den Rand des Pools erreicht haben, ist sie schon hinein gesprungen und schiebt den Ball mit ihrem Kopf an den Beckenrand. Ihre Bewegungen im Wasser erscheinen mir etwas unbeholfen, langsam. Ich fürchte schon, dass sie möglicherweise nicht schwimmen kann. Aber warum wäre sie dann ins Wasser gegangen?
Ich schaue vom Rand zu, bereit ebenfalls hinein zu springen, um ihr zu helfen. Jasi schwimmt ganz anders! Es ist nicht der übliche Schwimmstil. Sie schwimmt beinahe wie ein Hund! Mit großen Augen schaue ich zu, wie sie den Ball an den Beckenrand bringt, Nicci mit einer Pfote danach angelt und Jasi mit Kopf und Schulter schiebt. Dann ist der Ball draußen und Jasi dreht um, paddelt zur Treppe und verlässt das Becken auf allen Vieren.
Peter und Bernd stehen inzwischen bei uns. Während Bernd seine Jasi mit einem Badetuch trocken rubbelt, nimmt Peter den Ball auf und trägt ihn an den Rand der Wiese beim Anbau. Dann winkt er mit einer großen Geste und ruft:
„Nicci, Maddox, ZU MIR!“ während er in Richtung Terrasse geht.
Wir laufen im Bogen über die Wiese, immer mit Blick auf Peter, bis wir ihn an der Terrasse erreicht haben. Hier wuschelt er uns durch das Haar und sagt:
„Maddox, Nicci, MÜDE!“
Während ich mich nach einer Decke, Kissen oder Korb umschaue, weil MÜDE bei meiner Ex-Herrin das Kommando für KÖRBCHEN gewesen ist, legt sich Nicci an Ort und Stelle auf die Seite. Ich zucke kurz mit den Schultern und lege mich ebenfalls auf die Platten der Terrasse. Kurz darauf kommt auch Bernd mit Jasi und er lässt sie genauso neben uns hinlegen. Dann folgt er Peter ins Haus.
Bald darauf kommen beide zu uns auf die Terrasse zurück und verteilen das Abendessen. Als ich mich erheben will, um den Schritt zu meinem Napf zu machen, fühle ich mich wie ein alter Mann. Die Muskulatur zittert, dass ich Mühe habe mich auf allen Vieren zu halten. Nachdem ich meine Knie gespreizt habe, klappt es besser. Nicci und Jasi sind aktiver, wie ich aus den Augenwinkeln bemerke.
Nachdem ich meinen Napf geleert habe, gehe ich zu meinem vorigen Platz und lege mich dort ab. Peter trägt das Geschirr ins Haus zurück und Bernd nestelt an der Hauswand herum. Dann zieht er ziehharmonikaförmig einzelne Elemente hervor, die an einer Schiene unter dem Sonnendach der Terrasse entlanglaufen, das etwa zwei Drittel der Terrasse überdeckt. Nun ist ein zugiger Wintergarten entstanden, denn ich spüre einen Luftzug unter den Elementen.
Peter ist in der Zwischenzeit mit einem großen Monitor auf die Terrasse zurückgekehrt. Nachdem er das Gerät aufgebaut hat, hilft er Bernd sein Werk zu beenden. Anschließend fragt er mich:
„Maddox, kennst du kurze Videos aus dem Netz bis hin zu Kinofilmen zum Thema Dogplay?“
Ich wiege den Kopf.
„Hm, da gibt es einiges aus dem Ausland. Unter anderem ein Doggie in einem Kostüm als Dalmatiner aus England. Oder zwei, drei Vorschauvideos zum Film ‚The Pet‘. Ich fand letztere als zu speziell als dass ich mir den Film gekauft hätte…“
„Du kennst den Film also noch nicht? Ich muss dir teilweise Recht geben: Der Hintergrund der Geschichte des Films, die GSO – ‚Global Slave Organisation‘ – und den Organhandel mag ich an dem Film absolut nicht. Auch ist das Forschen Ihres Herrn nach ihrem finanziellen Wert auf Basis des Organhandels ein Spiel mit dem Feuer und hat nichts mit Verantwortung für seine Doggie zu tun!
Blendest du dieses Drumherum aber aus, dann kannst du eine innige Doggie-Owner-Beziehung erleben…“
„Okayyy,“ dehne ich zweifelnd. „Dann lass mal sehen…“
Peter nimmt eine DVD aus der Hülle und schiebt sie seitlich in den Monitor. Bald darauf startet der Film. Es wird erzählt, dass ein reicher Mann viele Preise mit seinem Irish Setter bekommen hat, durch sein Training mit dem Hund, mit dem ihn ein inniges Verhältnis verbunden hat. Der Hund ist verstorben und nun sucht er Ersatz.
Er findet Ersatz in der Blumenverkäuferin Mary, die dem BDSM gegenüber nicht abgeneigt ist, und deshalb einverstanden ist, sich von ihm als seine Hündin trainieren zu lassen. Ihrer Entscheidung hilft auch sein finanzielles Angebot nach. Sie fühlt sich damit abgesichert. Im Verlauf der Verbindung fühlt sich immer enger zu ihm hingezogen. Sie fühlt sich sicher und geborgen, geschützt und angenommen von ihm.
Da offenbart sich eine weniger menschliche Seite Seines Charakters, der Besitzerstolz, der schließlich zur Katastrophe führt. Seine Trauer um sie gegen Ende des Films ist daher für mich nicht so tiefgehend wie sie sein müsste. Er trauert quasi nur um den Verlust von Besitz, nicht um den Verlust eines emotional nahestehenden Lebewesens.