Nicci (34)
Als der Film nach etwa anderthalb Stunden zu Ende ist, sagt Peter in die Stille hinein:
„Diese Mary war bereit, Veränderungen in ihrem Leben vorzunehmen und zeigte totale Hingabe gegenüber dem Mann, den sie da kennenlernte. Die aufkeimende Zuneigung zwischen den beiden war einfach großartig…“
„Ja,“ entgegne ich. „Aber das war von Anfang an einseitig von ihr ausgehend…“
Peter nickt.
„Natürlich hast du Recht. Ich weiß nicht, warum solche Filme meist nur das Klischee ‚reicher Herr und arme Magd‘ bedienen. Er zeigt Besitzerstolz, während bei ihr Vertrauen und Zuneigung wächst. Das sollte bei ihm Verantwortungsbewusstsein auslösen, den unbedingten Willen, sich um ihr Wohl zu kümmern…“
Bernd mischt sich nun ein. Er meint:
„Wenn wir an einen devoten Menschen denken, denken wir an jemandem, der sehr bescheiden und gelehrig ist. An jemand, der jemanden sucht, an den er die totale Kontrolle abgeben kann. Dies ist eine große Verantwortung für den dominanten Part.
Die Ausbildung kann nur beginnen, wenn der Dominante genügend Informationen bekommen hat, um seine Devota von innen und außen zu kennen. Ihre Gewohnheiten, ihre Gedanken, alle Arten von Medikamenten, die sie möglicherweise braucht. Die Medikamente könnten vielleicht eine Wirkung auf ihr Verhalten beim Verschieben von Scham- und anderen Grenzen haben.
Als Owner kümmern wir uns um unser Doggie, wir schätzen sie, wir führen sie, und den meisten Doggies nehmen wir damit eine riesige Last von den Schultern. Wir versprechen, dass alles in Ordnung bleibt.“
Peter nickt dazu und ergänzt:
„Die Doggie ist wie ein geliebtes Haustier. Ein echter Hund liegt gerne zu Füßen ihres oder seines Herrn oder Herrin. Der/die Doggie wird ohne Frage folgen, aus Vertrauen zum Owner. Die Doggie wird auch an der Leine gehen, ohne zu fragen wohin.“
Nicci meldet sich nun leise zu Wort:
„Wenn Zwei sich intensiv berühren, können sie tatsächlich spüren, was der Andere fühlt. Genau wie der Kuss: Der Kuss sagt alles! Man fühlt Leidenschaft oder nur Freundlichkeit, oder sogar Falschheit. Gleiches spürt man in der Umarmung.
Nur sehr wenige verstehen wirklich, wie tief eine Beziehung mit Machtgefälle ist. Die meisten, die unterwürfig sein wollen, verstehen nicht wie jemand freiwillig so viel geben kann, wie jemand mit TPE leben und glücklich sein kann.“
Nun will wohl auch Jasi ihren Teil zu der Unterhaltung beitragen.
„Der Teil, als der Owner mit seiner Doggie apportieren spielte, erregte mich sehr,“ sagt sie. „Das ist grenzenloses Vertrauen! Das ist gleichzeitig Verpflichtung und Verantwortung für den Owner!!
Ich glaube, es gibt Menschen, die sich als devot bezeichnen, aber Angst haben die Grenze zum TPE zu überschreiten. Der Gedanke, dass jemand die volle Kontrolle über dich hat, ist für sie ziemlich beängstigend. Wenn du den richtigen Dom oder Owner findest, würdest du sehen, es ist gar nicht so schwer!“
Ich höre den Statements staunend zu. Sie machen mich nachdenklich.
Mal angenommen, ich würde die Rolle wechseln und ein human Doggie besitzen. Der echte Hund hat keine Wünsche, außer den elementaren, wie zufrieden zu leben, Zuwendung zu erhalten. Er braucht sich um nichts kümmern, ist gehorsam und sehr gelehrig. Er will nicht bestimmen.
Ein human Doggie ist da anders, - wenn ich mich selbst ‚im Spiegel‘ betrachte. Ein Human Doggie hat sehr wohl Wünsche, die über die elementaren Bedürfnisse hinausgehen. Manchmal haben sie Fragen in ihrem Kopf, machen sich über etwas Sorgen. Aber welcher Owner kümmert sich denn darum und zerstreut die Sorgen? Er will doch auch nur seinen Spaß aus dem Rollenspiel ziehen!
Hier treffe ich eine ganz andere Philosophie! Eben in den Statements ist der Begriff TPE gefallen. Die totale Übergabe aller Entscheidungen im Leben, und die Kontrolle darüber, hätte ich bisher niemals ins Auge gefasst! Selbst nicht auf Zeit, während einer festgelegten Session. Soviel Vertrauen in die Entscheidungen von Herrchen oder Frauchen kann man doch nur haben, wenn beide verheiratet sind…
Peter schaut zu mir herüber und lächelt mir aufmunternd ins Gesicht.
„Du darfst dich als Doggie niemals als Spielzeug eines Herrchens oder Frauchens betrachten! Als Lebewesen bist du mehr als das, mehr als ein bloßes Ding! Herrchen oder Frauchen muss dir selbst in der Rolle als Doggie Respekt und eine gewisse Achtung entgegenbringen.
Schau mal: Ich habe dich deine Meinung äußern gelassen und es wird über alles gesprochen. Ich habe dem Rollenspiel sofort eine andere Richtung gegeben, als ich sah, zu was du in der Lage bist und zu was nicht. Würdest du öfter kommen und selbst den Ehrgeiz äußern, irgendwann das Gleiche zu können, was Jasi und Nicci in der Lage sind zu tun, dann würde ich dir Trainingsaufgaben für Zuhause mitgeben und den Stand deines Könnens bei jedem Treffen abfragen und dich korrigieren und beraten, wie du bis zum nächsten Treffen besser wirst.“
Bernd mischt sich nun wieder ein und spricht:
„Der Owner sollte es erlauben, dass Doggie seine Meinung äußert, um ein Problem oder eine Sorge aus seinem Kopf oder Herz heraus zu bekommen.
Wenn der Owner es nicht zuließe, könnte es zu einem Zusammenbruch der Kommunikation kommen, der die Beziehung letztendlich zerstören würde. Das beginnt damit, dass die emotionale Nähe zwischen Owner und Doggie an Tiefe verliert.“
„Richtig!“ bestätige ich und schränke seine Aussage gleich wieder ein: „Du sprichst von Beziehung! Eine so enge Verbindung hat man bei den meisten Doggie-Owner-Paarungen aber nicht, die sich nur zum Spielen in Sessions treffen…“
„Das sind diese oberflächlichen Zusammentreffen, wo es nur um den Spaß beim Spiel geht. Verantwortung von Seiten des Owners? Die Doggie soll gefälligst seine/ihre Selbstverantwortung bemühen…
Wir alle leben, wie wir leben wollen. Wir haben verschiedene Möglichkeiten und Bedürfnisse. Viele Menschen, die sich als devot bezeichnen, sind unsicher in ihrem Leben - nicht alle, aber viele. Manch einer braucht eine gewisse Konstanz und Struktur, die sie beim Owner suchen und finden. Das gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit, ihr chaotisches Leben hat ein Ende. Sie wissen, dass sie geliebt werden, dass man sich ihrer und ihren Problemen annimmt. Im Gegenzug bekommt der Owner alles, was er will. Gerade dieses Verhalten zu Seinem Vorteil auszunutzen, finde ich niederträchtig! Stattdessen erwächst ihm hier große Verantwortung zu. Nimmt er sie an, wird er nur Entscheidungen treffen von denen er weiß, es wird ihr nicht schaden. Ganz anders, als wenn er Entscheidungen träfe, die sich allein am Spaßgewinn orientieren!“