Mittwoch, 5. August 2020
Nicci (30)
„Aber sicher doch! Sag‘ mir einfach, wann du Zeit hast, und für wie lange – mit oder ohne Übernachtung -. Dann freuen wir uns, dich bei uns begrüßen zu können!“
„Heuhotel… Wieviel kostet Übernachtung und Frühstück? Was kosten bei euch die Menüs?“
„Komm einfach vorbei und schau dich bei uns um! Gern kannst du später eine unabhängige Beurteilung für andere Petplayer schreiben. Dann kostet dieser Aufenthalt natürlich nichts!“
„Okay, ich bin dabei! Für den Termin muss ich erst noch schauen. Ich melde mich dann nochmal!“
„Gut, ich freue mich!“
Zwei Wochen danach meldet sich ‚Underdog‘ zurück und macht einen Termin fest. Noch einmal drei Wochen später fährt ein Kombi bei uns auf den Hof und parkt vor dem Wirtschaftsgebäude. Ein junger Mann um die Dreißig steigt aus, schaut in die Runde und kommt auf das Haupthaus zu. Kurz darauf klingelt es und Peter öffnet ihm.
„Hallo, ich bin Andreas Huber. Wir hatten Mailkontakt. Ich bin der ‚Underdog‘.“
„Ah,“ antwortet Peter und nimmt lächelnd die dargebotene Hand. „Dann komm‘ erstmal ‘rein, Andy.“
Er führt ihn in den Schankraum links vom Eingang, in dem außerdem noch drei Radwanderer sitzen und Cappuccino trinken.
„Nach der langen Fahrt bist du sicher hungrig,“ meint Peter und bietet ihm einen Platz an.
Andy setzt sich und Peter lässt sich ihm gegenüber nieder.
„Magst du etwas landestypisches?“ fragt er ihn.
Andy nickt: „Warum nicht?“
„Nicci!“ ruft mich Peter an den Tisch. „Bring unserem Gast ‚Krumbeer Dorchenanner‘.“
Ich schaue den Neuankömmling an. Er nickt mir freundlich zu. Also gehe ich in die Küche und greife mit der Kelle in den großen Topf. Das Gemisch aus Kartoffelpürree und Sauerkraut gebe ich auf einen Teller und lege noch eine Scheibe Sauerbraten darüber. Dann bringe ich den Teller an den Tisch. Ein Glas Viez vervollständigt unser Standard-Menü. Peter bringe ich eine Tasse Kaffee und lasse die Beiden sich weiter unterhalten.
Nachdem Andy zu Essen begonnen hat, fragt Peter:
„Du möchtest bei uns Doggie sein… Hast du bestimmte Vorstellungen, was du erleben möchtest? Ich schrieb ja schon, dass du SM-Praktiken bei uns vergeblich suchst.“
„Ich fände es erregend, in einem Zwinger oder Käfig gehalten zu werden,“ antwortet Andy, nachdem er seinen Mund geleert hat.
„Hm, ja,“ macht Peter. „Das lässt sich gerne einrichten. Aber du willst bestimmt nicht das ganze Wochenende im Käfig verbringen? Der Wetterbericht verspricht schönes Wetter. Das sollten wir ausnutzen!“
Andy schaut Peter erwartungsvoll an. Peter beginnt zu lächeln und meint:
„Wir haben da verschiedene Möglichkeiten. Ich hab‘ dir ja schon geschrieben, dass wir eine Wiese hinter dem Haus haben, die von außen nicht einsehbar ist. Wir können Gerätschaften aus einem Schuppen holen und aufbauen - wie in einer Hundeschule – und Dog-Agility machen. Damit du dich dabei nicht einsam fühlst, machen unsere Doggies gerne mit. Im Gegensatz zum Hunsrück ist die Eifel vulkanischen Ursprungs. Wir könnten eine Exkursion an einen See dorthin machen… Damit wäre das Wochenende dann schon rum.“
Unser Gast schaut interessiert.
„Das hört sich wunderbar an,“ meint er.
„Also, dann ess‘ erst einmal zu Ende,“ sagt Peter, lächelt Andy an und erhebt sich. „Ich kümmere mich derweil um dein Quartier.“
Peter kommt in die Küche und verlässt sie durch die Tür, die in unseren Privatbereich führt. Er steht nun im Treppenhaus, durch das man nach oben zu unseren Wohnungen kommt. Er geht aber nach hinten zur Außentüre. Dort wendet er sich nach rechts, geht ein Stück über Sandsteinplatten, die in die Wiese eingelassen wurden und betritt den Anbau. Im Anbau steigt er die Treppe hinauf in den ersten Stock und betritt einen Raum am Ende des Ganges.
Dieser Raum gleicht den Räumen des Heuhotels vor dem Haus im ehemaligen Stall. Gleich hinter der Zimmertür befindet sich ein etwa anderthalb Meter breiter Bereich, in dem Schrank, Tisch und Stühle stehen, ebenso befindet sich dort ein Waschbecken mit Spiegelrückwand. Dann folgt ein Stamm quer durch das Zimmer, der einen quadratischen Querschnitt von etwa dreißig Zentimeter Höhe und Breite erhalten hat, und dahinter eine Bodenfläche, die man hygienisch sauber halten kann. Heute früh hat er den Boden etwa zehn Zentimeter hoch mit Stroh bedeckt. Nun löst er einen Riegel an der Seitenwand und zieht ein Gitter ziehharmonikaartig über den Balken. Das gleiche macht er an der gegenüberliegenden Wand und lässt die Enden des Gitters ineinander klicken. Das Gitter läuft auf dem Balken und an der Decke in je einer Schiene.
Als Peter wieder nach vorne kommt, ist Andy mit dem Essen fertig. Gestärkt und voller Tatendrang schaut er Peter entgegen.
„Ah,“ kommentiert Peter, was er sieht. „Dann steh auf und folge mir!“
Andy folgt Peter durch die Küche nach hinten und fragt im dämmerigen Gang:
„Lasst ihr die Leute immer durch die Küche laufen?“
Peter wendet sich lächelnd nach Andy um und antwortet:
„Bei Einzelpersonen – warum nicht? Eine größere Gruppe müssen wir natürlich außenherum leiten. Wichtig ist uns, dass die Petplayer von den ‚Normalos‘ getrennt sind!“
Dann öffnet er die Gartentür und lässt Andy hinaustreten. Unserem Gast öffnet sich der Blick auf die große Wiese mit der hohen blickdichten Hecke rundum. Links ist noch ein Schwimmbecken in den Boden eingelassen worden. Es ist von einem Schwerlast-LKW angeliefert worden, nachdem Bernd mit einer Schaufel an einem Trecker das Loch ausgehoben hat. Ein Kran hat das Becken auf das Grundstück gehoben und in den Boden eingelassen, nachdem Zu- und Abfluss montiert gewesen sind. Rechter Hand erkennt Andy unseren Blockhaus-Anbau. Er bleibt kurz stehen und sagt:
„Beeindruckend…“
Peter erklärt ihm:
„Die Zimmer befinden sich im Anbau. Wahlweise lassen sie sich in Zwinger umwandeln. Hier draußen haben wir Raum für Dog-Agility und Dog-Swimming. Die Mahlzeiten kommen aus der Küche. Sie ist quasi die Schnittstelle zwischen Alltag und Phantasiewelt. Die Doppeltür am Ende des Anbaus führt in den Schuppen mit den Gerätschaften fürs Dog-Agility.“



Nicci (29)
„Hmmm,“ macht Bernd skeptisch.
Nachdem die Beiden uns wieder verlassen haben und für Bernd der Alltag eingekehrt ist, durchforste ich das Internet und drucke das Wichtigste für das Gespräch mit Bernd am Abend aus. Immer noch nicht sehr überzeugt, macht Bernd einen Termin bei seinem Steuerberater, um die Sache mit ihm durchzusprechen. Als er von dem Termin wieder nachhause kommt, sind die Sorgenfalten auf seiner Stirn verschwunden. In den nächsten Wochen geht er mit jugendlichem Elan eine völlig neue Sache an.
Nach und nach verkauft er seine Rinderherde und einen großen Teil unserer Weideflächen. Dann beginnt er damit, die Hälfte der Stallungen umzubauen. Hinein kommt ein Hühnerstall mit Außenbereich. Neben diesen Außenbereich direkt hinter den Stallungen, baut er von dem Erlös, den die Rinderherde eingebracht hat, einen großen Unterstand mit weitläufiger Weide. Darauf setzt er eine Ziegenherde. Zum Melken kauft er einen Melk-Anhänger, mit dem er morgens und abends auf die Weide fährt, weil die Ziegen die meiste Zeit des Jahres draußen bleiben.
Wir kaufen außerdem Bistrotische und –stühle und bieten in den umliegenden Schulen Biologiekurse mit lebenden Tieren an. Für die Wochenenden bieten wir Fahrradtouren zu uns an, mit Kaffee und Kuchen für die Erwachsenen. Beim Stichwort ‚Fahrrad‘ kommt Bernd auf die Idee mit der Fahrradwerkstatt und Ersatzteillager.
So haben wir Einnahmen während der Umbauphase des zweiten Stalltraktes zum Heuhotel für Radwanderer. Diesen Stalltrakt unterteilt er in eine lange Reihe Doppelzimmer und legt am Kopfende einen Schlafsaal an. Gegenüber den Doppelzimmern auf der anderen Seite des Mittelganges, der zum Schlafsaal führt, richtet er Toiletten, Wasch- und Duschräume ein. Die Zimmer werden mit Dämmmaterial zwischen Balken voneinander getrennt und mit Holzpaneelen getäfelt, während die Sozialräume Kacheln auf Spanplatten erhalten.
Bei all dem engagiert sich Peter wieder vollkommen mit, so dass Bernd ihm eines Abends anbietet, den Hof in Zukunft mit ihm zusammen zu führen. Unter einer kleinen Bedingung stimmt Peter lächelnd zu. Ich freue mich mit Nicci augenzwinkernd auf eine Zukunft, in der wir öfter als bisher unserem Faible nachgehen können, während die meiste Arbeit von den Männern erledigt wird.
Als nach vielen Wochen endlich alles fertig ist, lassen Bernd und Peter Informations-Broschüren drucken mit Bildern unseres Hofes und der Zimmer, und fahren mit Kartons im Kofferraum die örtlichen Tourist-Informationen am gesamten Hunsrück-Höhenweg ab. Sie besuchen auch einige Reisebüros, um das neue Angebot bekannt zu machen.
Leider kommt gerade der Winter, so dass der erwartete Ansturm erst einmal ausbleibt. Unsere Biologiekurse, die wir den umliegenden Schulen anbieten, bringen ebenfalls kein Geld – jedoch leuchtende Kinderaugen. Allmählich treffen des Nachmittags ganze Familien auf unserem Hof ein. Während die Eltern nach anfänglichem Interesse – bevor sie uns ihre Kinder überlassen müssen die Erwachsenen auch erst einmal Vertrauen fassen – bei Kaffee und Kuchen sitzen und die Szenerie beobachten, gehen wir – Nicci und ich – mit den Kindern in kleinen Gruppen zu den Hühnern und Ziegen. Später benutzen sie die aufgestellten Spielgeräte, bevor die jungen Familien sich wieder auf den Heimweg machen. Die Altersgruppe der 14- bis 25jährigen fehlt allerdings völlig. Vielleicht sind sie ab dem Frühjahr eher unter den Radwanderern zu finden…

*

Ein Jahr ist vergangen und mit den Einnahmen haben wir Schritt für Schritt das Haupthaus – Bernds Elternhaus – renovieren können. Dazu gehört, dass wir die Aufteilung der Zimmer so verändert haben, dass zwei separate Wohnungen entstanden sind.
Ursprünglich hatten wir geplant, die Zimmer des ‚Heuhotels‘ vor dem Haupthaus an Petplayer zu vermieten, wenn wir ein Event übers Wochenende veranstalten. Davon sind wir im Laufe des vergangenen Jahres jedoch abgekommen, weil wir ständig Touristen beherbergen – und wenn es nur EIN Pärchen ist.
Stattdessen haben wir in der Pflanzphase mehrere hundert Koniferen hinten hinaus als Umzäunung gepflanzt. Im Laufe der kommenden Jahre wird sich daraus eine blickdichte lebende Mauer entwickeln. Am Rande des Gartengrundstückes hinter dem Haus errichten wir im Baukastensystem ein langes zweistöckiges Blockhaus. Die Stämme dafür holen wir aus dem kleinen Wäldchen am Rande von Bernds Ländereien und den Innenausbau machen die Männer in Eigenarbeit, wie sie es von den Stallungen vor dem Haupthaus gewohnt sind. Die Einrichtung der Zimmer lehnt sich an die unseres Heuhotels an.
Dann, im Herbst des Jahres, machen wir unseren Hof auf verschiedenen Petplayer-Seiten im Internet bekannt und warten die Resonanz ab. Anfangs fragt niemand nach einem Zimmer bei uns, um seinem Faible nachgehen zu können. Also weisen wir in Beiträgen und Kommentaren auf den Seiten daraufhin. Schließlich meldet sich ein ‚Underdog‘ und fragt nach unserem Angebot:
„Hi Dogtrainer, ich habe von eurem Angebot gelesen und bin interessiert. Kannst du mir mehr darüber erzählen?“
„Hallo Underdog,“ schreibt Peter ihm zurück. „Ich lese in deinem Profil, dass du aus der Umgebung von München stammst. Wenn es dir nichts ausmacht für dein Faible 400 Kilometer zu fahren, bist du bei uns gerne willkommen. Wir sind zwei Doggie-Owner-Paare, die ein ländliches Heuhotel am Rande des Hunsrück-Höhenweges bewirtschaften.“
„Was habt ihr denn für Möglichkeiten?“
„Der Petplayer-Bereich liegt diskret auf abgesondertem Gelände. Zimmer mit und ohne Zwinger für Übernachtungsgäste. Auf dem Gelände gibt es ausreichend Spielmöglichkeiten. Geräte dafür lagern wir wettergeschützt in einem separaten Schuppen.“
„Das ist interessant! Kann man sich das mal anschauen?“