Nicci (29)
„Hmmm,“ macht Bernd skeptisch.
Nachdem die Beiden uns wieder verlassen haben und für Bernd der Alltag eingekehrt ist, durchforste ich das Internet und drucke das Wichtigste für das Gespräch mit Bernd am Abend aus. Immer noch nicht sehr überzeugt, macht Bernd einen Termin bei seinem Steuerberater, um die Sache mit ihm durchzusprechen. Als er von dem Termin wieder nachhause kommt, sind die Sorgenfalten auf seiner Stirn verschwunden. In den nächsten Wochen geht er mit jugendlichem Elan eine völlig neue Sache an.
Nach und nach verkauft er seine Rinderherde und einen großen Teil unserer Weideflächen. Dann beginnt er damit, die Hälfte der Stallungen umzubauen. Hinein kommt ein Hühnerstall mit Außenbereich. Neben diesen Außenbereich direkt hinter den Stallungen, baut er von dem Erlös, den die Rinderherde eingebracht hat, einen großen Unterstand mit weitläufiger Weide. Darauf setzt er eine Ziegenherde. Zum Melken kauft er einen Melk-Anhänger, mit dem er morgens und abends auf die Weide fährt, weil die Ziegen die meiste Zeit des Jahres draußen bleiben.
Wir kaufen außerdem Bistrotische und –stühle und bieten in den umliegenden Schulen Biologiekurse mit lebenden Tieren an. Für die Wochenenden bieten wir Fahrradtouren zu uns an, mit Kaffee und Kuchen für die Erwachsenen. Beim Stichwort ‚Fahrrad‘ kommt Bernd auf die Idee mit der Fahrradwerkstatt und Ersatzteillager.
So haben wir Einnahmen während der Umbauphase des zweiten Stalltraktes zum Heuhotel für Radwanderer. Diesen Stalltrakt unterteilt er in eine lange Reihe Doppelzimmer und legt am Kopfende einen Schlafsaal an. Gegenüber den Doppelzimmern auf der anderen Seite des Mittelganges, der zum Schlafsaal führt, richtet er Toiletten, Wasch- und Duschräume ein. Die Zimmer werden mit Dämmmaterial zwischen Balken voneinander getrennt und mit Holzpaneelen getäfelt, während die Sozialräume Kacheln auf Spanplatten erhalten.
Bei all dem engagiert sich Peter wieder vollkommen mit, so dass Bernd ihm eines Abends anbietet, den Hof in Zukunft mit ihm zusammen zu führen. Unter einer kleinen Bedingung stimmt Peter lächelnd zu. Ich freue mich mit Nicci augenzwinkernd auf eine Zukunft, in der wir öfter als bisher unserem Faible nachgehen können, während die meiste Arbeit von den Männern erledigt wird.
Als nach vielen Wochen endlich alles fertig ist, lassen Bernd und Peter Informations-Broschüren drucken mit Bildern unseres Hofes und der Zimmer, und fahren mit Kartons im Kofferraum die örtlichen Tourist-Informationen am gesamten Hunsrück-Höhenweg ab. Sie besuchen auch einige Reisebüros, um das neue Angebot bekannt zu machen.
Leider kommt gerade der Winter, so dass der erwartete Ansturm erst einmal ausbleibt. Unsere Biologiekurse, die wir den umliegenden Schulen anbieten, bringen ebenfalls kein Geld – jedoch leuchtende Kinderaugen. Allmählich treffen des Nachmittags ganze Familien auf unserem Hof ein. Während die Eltern nach anfänglichem Interesse – bevor sie uns ihre Kinder überlassen müssen die Erwachsenen auch erst einmal Vertrauen fassen – bei Kaffee und Kuchen sitzen und die Szenerie beobachten, gehen wir – Nicci und ich – mit den Kindern in kleinen Gruppen zu den Hühnern und Ziegen. Später benutzen sie die aufgestellten Spielgeräte, bevor die jungen Familien sich wieder auf den Heimweg machen. Die Altersgruppe der 14- bis 25jährigen fehlt allerdings völlig. Vielleicht sind sie ab dem Frühjahr eher unter den Radwanderern zu finden…

*

Ein Jahr ist vergangen und mit den Einnahmen haben wir Schritt für Schritt das Haupthaus – Bernds Elternhaus – renovieren können. Dazu gehört, dass wir die Aufteilung der Zimmer so verändert haben, dass zwei separate Wohnungen entstanden sind.
Ursprünglich hatten wir geplant, die Zimmer des ‚Heuhotels‘ vor dem Haupthaus an Petplayer zu vermieten, wenn wir ein Event übers Wochenende veranstalten. Davon sind wir im Laufe des vergangenen Jahres jedoch abgekommen, weil wir ständig Touristen beherbergen – und wenn es nur EIN Pärchen ist.
Stattdessen haben wir in der Pflanzphase mehrere hundert Koniferen hinten hinaus als Umzäunung gepflanzt. Im Laufe der kommenden Jahre wird sich daraus eine blickdichte lebende Mauer entwickeln. Am Rande des Gartengrundstückes hinter dem Haus errichten wir im Baukastensystem ein langes zweistöckiges Blockhaus. Die Stämme dafür holen wir aus dem kleinen Wäldchen am Rande von Bernds Ländereien und den Innenausbau machen die Männer in Eigenarbeit, wie sie es von den Stallungen vor dem Haupthaus gewohnt sind. Die Einrichtung der Zimmer lehnt sich an die unseres Heuhotels an.
Dann, im Herbst des Jahres, machen wir unseren Hof auf verschiedenen Petplayer-Seiten im Internet bekannt und warten die Resonanz ab. Anfangs fragt niemand nach einem Zimmer bei uns, um seinem Faible nachgehen zu können. Also weisen wir in Beiträgen und Kommentaren auf den Seiten daraufhin. Schließlich meldet sich ein ‚Underdog‘ und fragt nach unserem Angebot:
„Hi Dogtrainer, ich habe von eurem Angebot gelesen und bin interessiert. Kannst du mir mehr darüber erzählen?“
„Hallo Underdog,“ schreibt Peter ihm zurück. „Ich lese in deinem Profil, dass du aus der Umgebung von München stammst. Wenn es dir nichts ausmacht für dein Faible 400 Kilometer zu fahren, bist du bei uns gerne willkommen. Wir sind zwei Doggie-Owner-Paare, die ein ländliches Heuhotel am Rande des Hunsrück-Höhenweges bewirtschaften.“
„Was habt ihr denn für Möglichkeiten?“
„Der Petplayer-Bereich liegt diskret auf abgesondertem Gelände. Zimmer mit und ohne Zwinger für Übernachtungsgäste. Auf dem Gelände gibt es ausreichend Spielmöglichkeiten. Geräte dafür lagern wir wettergeschützt in einem separaten Schuppen.“
„Das ist interessant! Kann man sich das mal anschauen?“