Freitag, 16. April 2021
Mars08-Alicia (7)
Natürlich wird die Fütterung vollautomatisch durchgeführt. Jeder Cow wird anhand ihrer gescannten Ohrmarke eine abgestimmte Futtermenge zugeteilt. Das Befüllen des Pellettanks ist jedoch immer noch eine manuelle Arbeit. Der Tankvorrat ist allmählich gefallen, so dass ich mehrere Säcke mit Futter nachschütten muss.
Anschließend steige ich über die Treppe in mein Büro im Stall und starte den Computer. Er hat Verbindung zu Sensoren im Melkrondell und in den Tanks. Im Anschluss daran bestelle ich per E-mail neues Futter. Eine Lasten-Kutsche wird die Bestellung in spätestens drei Tagen anliefern. Dann überweise ich den Rechnungsbetrag an den Lieferanten.
Ich höre in diesem Moment ein lautes Hupen und schaue überrascht zur Uhr. Anschließend verlasse ich den Stall durch das Tor. Draußen steht ein Wagen mit acht Ponys davor. Auf der Ladefläche befindet sich ein zylindrischer Tank, der nahe an das Gebäude heran manövriert worden ist.
?Hey hallo Marty!? rufe ich und winke dem Fahrer, der gerade vom Bock des Wagens steigt.
Marty reicht mir die Hand. Zu zweit verbinden wir mit einem Schlauch den Milchtank mit dem auf dem Wagen. Ich öffne eine Abdeckung und lege ein kleines Schaltpult frei. Darauf wird gleich die Menge an Milch abzulesen sein, die im Tank der Milchfirma verschwindet.
?Dann wollen wir mal,? meint Marty und schaltet die Pumpe am Wagen ein.
Die Pumpe schaltet sich schließlich ab, als der Tank leer ist. Um die Frische zu garantieren fährt Marty alle zwei Tage die Milchbauern der Gegend ab. Für mich bedeutet es eine schöne Summe, die am Monatsende auf meinem Konto eingehen wird.
Anschließend lösen wir den Schlauch und verstauen ihn gemeinsam neben dem Milchtank des Wagens. Beide unterschreiben wir den Lieferschein, von dem ich den Durchschlag behalte. Anschließend verabschiede ich mich vom Milchkutscher.
Danach gehe ich zurück in den Stall, um die Kopie abzuheften und die Werte in den Computer zu übernehmen. Endlich kann ich meine unterbrochene Arbeit wieder aufnehmen. Dabei schweifen meine Gedanken ab. Ich überlege, was ich heute Abend machen könnte und komme zu dem Schluss, dass ich vielleicht mit meiner Frau die nahe Siedlung aufsuchen könnte, um mal wieder Essen zu gehen. Erst einmal werde ich aber noch ein entspanntes Bad nehmen und mich von meinem langen Arbeitstag erholen. Melli wird sich ganz sicher darüber freuen, wenn ich sie mal wieder in ein Restaurant ausführe.

*

Im Restaurant des Präsidialamtes treffe ich zufällig auf Herrn Berlin, meinen Mentor und väterlichen Freund, seit ich auf dem Mars lebe. Ich nehme das Tablett mit meinem Snack von der Angestellten entgegen, während er mich freundlich lächelnd anspricht:
?Hallo Herr Armstrong! Wie geht es ihrer Frau??
Ich lächele zurück und antworte:
?Ich denke, sie langweilt sich vielleicht an ihrem Arbeitsplatz im Gründungsmuseum. Nach der Wiedereröffnung war es eine Zeitlang überlaufen und dementsprechend stressig, aber inzwischen??
?Das ist normal, denke ich,? antwortet Herr Berlin. ?Einmal pro Marsumlauf kommen Schulklassen. Erwachsene finden später selten den Weg dorthin? Sagen Sie, Sie haben inzwischen Erfahrungen in der Haltung von Doggies sammeln können. Sie haben auch schon verschiedentlich Ponyställe der unterschiedlichen Größe von innen gesehen und sicher mit dem Blick eines Ingenieurs, der Sie nun einmal sind, betrachtet. Interessiert es Sie, sich auch über die Stallhaltung von Cows zu informieren und dabei die Ställe aus der Sicht eines Ingenieurs zu begutachten??
?Joah,? antworte ich und frage: ?Brauchen Sie Informationen, wegen einer Petition??
Herr Berlin nickt lachend.
?Genauso ist es! Sie sehen nicht aus, wie ein regulärer Inspekteur??
?Okay,? stimme ich zu. ?Ich bin gespannt, was mich erwartet.?
?Besuchen Sie einen kleinen Cow-Stall, der noch nicht lange besteht. Die Großen würden eher dahinterkommen, für wen Sie arbeiten, und sich entsprechend verhalten,? rät er mir.