Nicci (27)
„Siehst du,“ sage ich. „Unser Vertrag braucht nicht schriftlich niedergelegt werden, wenn wir es ernst damit meinen, auf den Anderen zu achten und ihn als Person zu respektieren!“
Peter beugt sich vor und beginnt mich zu streicheln. Ich recke mich und biete ihm meinen Kussmund, den er bereitwillig annimmt. Die Welt versinkt um uns.

*

Ein halbes Jahr ist inzwischen ins Land gegangen. Einiges ist passiert. Eine Firma, die ausländische Arzneimittel für den deutschen Markt umettiketiert, hat einen Bürokaufmann gesucht. Ich habe mich beworben und nach einem Vorstellungstermin einen Termin fürs Probearbeiten bekommen. ‚Huch‘, habe ich mir gedacht. ‚Was wollen die denn an einem Tag feststellen? Büro ist doch Büro.‘
An diesem Tag bin ich ganz schön unter Stress gestanden! Ich habe abends, als Peter mich abgeholt hat, kein besonders gutes Gefühl gehabt. Und tatsächlich, drei Wochen später ist die schriftliche Absage eingetroffen ohne weitere Begründung. Peter hat mich mehrere Tage getröstet und versucht abzulenken. Drei Monate später macht er mich auf einen Zeitungsartikel aufmerksam, in dem berichtet wird, dass die Firma insolvent ist.
Er nickt mir zu und kommentiert das:
„Gut, dass du die Stelle nicht bekommen hast! Sonst stündest du jetzt auf der Straße.“
„Aber ich habe so oder so bis jetzt keine Stelle,“ gebe ich zu bedenken.
„Stell dir vor, wie du dich fühlen würdest, wärst du jetzt entlassen worden! Das ist dir erspart geblieben,“ meint er dazu. „Es geht auch ohne zusätzliches Geld ganz gut!“
Einige Tage danach mache ich ihn auf etwas aufmerksam, das ich im Internet gefunden habe.
„Schau mal hier, das Zeichen sieht beinahe aus wie eine Hundepfote…“
„Ja, und?“ fragt er, um Verständnis heischend.
„Hast du dir nie überlegt, mir ein Tattoo stechen zu lassen?“
Er lächelt mich an und antwortet:
„Ich bin nicht dafür, dass sich jemand mit der Zeit seine Haut komplett zustechen lässt – ein Tattoo neben dem Anderen. Ein oder zwei Tattoos, die eine bestimmte Bedeutung für uns Beide haben, gerne!“
„An was denkst du dabei?“ frage ich und schaue ihn offen an.
„Die Hundepfote an exponierter Stelle – da sage ich nicht nein!“ gibt er zurück.
„Wo soll ich sie mir hinstechen lassen? Was ist für dich eine ‚exponierte Stelle‘?“
Er zuckt mit der Schulter und antwortet:
„Zum Beispiel die Schulter?“
Ich suche also nach einem Tattoo-Studio in der Nähe und bitte Peter, mit mir dorthin zu gehen. Einige Tage ist die Umgebung des Tattoos noch rot und muss mit einer Creme behandelt werden. Mehrere Wochen später nimmt Peter Kontakt mit einem jungen Paar auf, die einen Bauernhof bewirtschaften. Die Frau ist ebenfalls eine Doggie. Beide haben sich da gerade erst in der Petplay-Community angemeldet. Sie freuen sich, schnell Kontakt bekommen zu haben.
Peter hat ihnen versichert, dass ihm ihr Paarprofil gefallen hat. Er hält sie für seelenverwandt gewissermaßen. Sie lesen sich durch die Beiträge und kommen immer wieder mit Fragen auf Peter zu, die er ihnen geduldig beantwortet. Irgendwann fragt er ziemlich indiskret, ob sie in der momentanen wirtschaftlichen Situation denn keine Probleme haben. Er hätte gerade gelesen, dass einige Bauernhöfe für Radwanderer ihre Ställe als ‚Heuhotels‘ geöffnet haben.
Es gehen wieder einige Wochen in das Land, da meint Bernd – wie der männliche Part des Paares heißt – er hätte sich im Internet umgeschaut und dann mit einem Architekten und seinem Steuerberater über die Sache gesprochen. Er will die Ställe innen mit Holzpanelen verkleiden und einige zusätzliche Fenster in die Außenmauern brechen. Reich würde man davon allerdings nicht, meint er noch.
„Aber du hast keine Gülle mehr! Der Duft von Bäumen und Sträuchern kann sich ausbreiten. Du stellst endlich fest, wie idyllisch das Leben auf dem Land sein kann,“ antwortet Peter ihm. „Außerdem kannst du deine Location für Petplayer öffnen, die ja doch immer nach Häusern mit Wiesen suchen, wo sie ihr Faible ausleben können!“
Da Peter ihm angeboten hat zu helfen - wenn er zeitlich kann -, fahren wir die 150km bis zu Bernd in den Hunsrück und schauen uns die Sachlage vor Ort an. Tatsächlich, der Hof liegt am Hunsrück-Höhenweg, einer touristisch erschlossenen Strecke. Bernd hat nur noch wenige Stück Vieh. Es sind gerade genug, dass er damit sich, Jasmin, seine Doggie, und eventuelle Gäste verköstigen kann.
Hühner liefern Eier. Alte gerupfte Hühner werden zu Hühnersuppe verarbeitet. Ein Hahn sorgt für mäßigen Nachwuchs. Ziegen liefern Milch und daraus wird zum Teil Käse hergestellt. Hin und wieder bringt er eine der Ziegen zum Schlachter. Ab und zu mietet er einen Bock von seinem Nachbarn, um über Zicklein seinen Bestand gleichzuhalten.
Den größten Teil der Stallungen hat er in Zimmer unterteilt. Diese befinden sich auf der Seite der Stallungen, wo die Fenster hinaus in die umgebende Natur zeigen. Auf der anderen Seite der Stallungen hat er Duschen und Toiletten in ausreichender Zahl installiert. Hier befinden sich auch die Fahrradboxen. Bernd hat sogar an eine kleine Fahrradwerkstatt mit Ersatzteillager gedacht.
Peter hilft ihm bei der Wandvertäfelung. Dafür verwenden wir die nächsten Wochenenden und Peters Jahresurlaub, den er ins nächste Frühjahr legt.
Die Zimmer haben hinter der Tür, nachdem man hinein gegangen ist und sich umgedreht hat, rechts einen Schrank und links Waschbecken, Spiegel und Haken. Diese Wand ist mit Ziegeln gemauert und gekachelt. Kacheln bedecken auch den Boden und die Rückwand bis in Höhe des Fensters. Ein etwa einen Meter breiter Raum an der Zimmertür, über die gesamte Zimmerbreite ist durch ein kniehohes Mäuerchen abgetrennt. Dieses Mäuerchen und die Seitenwände werden von Bernd und Peter mit Holzpanelen verkleidet. Die Decke und die Rückwand neben und über dem Fenster streichen die Männer weiß. Der Abschluss des Mäuerchens bildet eine Holzbohle.