Nicci (28)
Zum Schluss wird der Raum zwischen Mäuerchen und Fensterwand mit viel Stroh belegt. Dazu werden Strohballen aufgeschnitten und gleichmäßig auseinander geschüttelt. Jeder Gast bekommt frisches Stroh als Unterlage. Darauf kann er dann seinen Schlafsack ausbreiten.
Mitten in Peters Jahresurlaub sind die Männer fertig mit dem Umbau. Das wird mit einem kleinen Richtfest zu Viert gefeiert. Dabei fragt Bernd Peter, nachdem er schon den ganzen Abend herumgedruckst hat:
„Was hältst du davon, das Bauernhaus zu einem Zweifamilienhaus umzubauen, Peter? Es ist mir effektiv zu groß. Früher haben hier meine Großeltern mit einer großen Kinderschar und einigen Landarbeitern – früher sagte man, Knechten und Mägden – gewohnt. Ich verliere mich mit Jasmin regelrecht darin. Auch ist es schwierig, das große Haus im Winter warm zu halten – oder teuer…“
„Warum nicht?“ meint Peter. „Du hast dir ja noch Vieh übrigbehalten, und noch eine Fahrrad-Werkstatt zusätzlich aufgebaut. Dann noch die Käserei… Wie willst du das alles allein schultern?“
„Ich habe mir gedacht, dass du vielleicht…“ beginnt Bernd und schaut Peter erwartungsvoll an.
Peter setzt ein breites Grinsen auf.
„Ach, du meinst, weil ich dir beim Umbau geholfen hab, und wir uns inzwischen angefreundet haben…“
Bernd schaut Peter offen und erwartungsvoll an. Dieser meint:
„Wir haben in der Nähe unserer Wohnung ein Waldgebiet, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen! Auch ein See befindet sich ganz in der Nähe, wo wir so gut wie alleine sind…“
„Das heißt ‚Nein‘?“
Peter schüttelt verhalten den Kopf.
„Zuhause müssen wir auf die Nachbarn achten! Hier sind wir unter uns, solange keine Fahrradtouristen zu Gast sind. Auf sie müssen wir Rücksicht nehmen, denn durch sie verdienen wir unseren Lebensunterhalt.“ Peter nickt Bernd zu. „Ich bin einverstanden! Allerdings gründen wir eine GmbH und sind gleichberechtigte Gesellschafter.“
„Das ist selbstverständlich!“ bestätigt Bernd.

*

Ich bin Jasmin, seit ein paar Monaten nun schon Niccis Freundin. Wir haben uns mit dem Paar aus der Südeifel angefreundet und wollen Bernd’s Hof bald gemeinsam bewirtschaften. Meine Beziehung zu Bernd ist derjenigen sehr ähnlich, die Nicci und Peter führen. Ich habe Bernd allerdings auf der PETWEEK kennengelernt, einem Event von Petplayern. Wir sind ins Gespräch gekommen und haben dann die Angebote der PETWEEK probeweise als Owner-Doggie-Team genutzt. Das hat mir sehr Spaß gemacht und Bernd ist es ebenso gegangen. Also haben wir die Adressen getauscht.
Da Bernd einen Bauernhof bewirtschaftet und deshalb nur sehr wenig Freizeit hat, habe ich mich in meinen kleinen Japaner gesetzt und bin zu ihm hingefahren. Was ich dort vorgefunden habe, hat mich erschreckt. Bernds Geschwister haben sich in die Städte abgesetzt und ihn mit dem elterlichen Hof allein gelassen. Beim Tod der Eltern haben sie beschlossen die Ländereien zu verkaufen und das Geld unter sich zu verteilen. Einzig Bernd hat sich dagegengestemmt.
Die Arbeit scheint Bernd über den Kopf zu wachsen. Er hat sich damit arrangiert und macht nur das drängendste. Die dringend notwendige Modernisierung bleibt auf der Strecke. Nun bin ich als Friseurin aber nicht vom Fach. Mir macht es aber Spaß in der Natur zu arbeiten und so bin ich zu Bernd gezogen, um ihm unter die Arme zu greifen. Das alte Bauernhaus hat es mir besonders angetan. Ich habe mich richtiggehend hinein verliebt.
Also haben wir uns aufgeteilt. Ich kümmere mich ums Haus und Bernd um das Vieh. Die kleine Rinderherde wird von Bernd morgens auf die Weide getrieben und abends zurück in den Stall, wo die Kühe dann noch gemolken werden müssen. Während die Rinder auf der Weide sind, muss der Stall ausgemistet und der Boden mit frischem Stroh ausgelegt werden. Außerdem müsste er das alte Gemäuer längst ausbessern.
Gleiches gilt zwar auch für das Haus, aber das haben wir erst zurückgestellt. Ich kümmere mich um das Einkaufen, kochen und den Innenausbau des Bauernhauses, das auch längst eine Frischzellenkur nötig hat. Trotzdem habe ich oft den Eindruck, dass alles eine Sysiphus-Arbeit ist. Allmählich kann ich Bernds Geschwister verstehen. Aber gleichzeitig sehe ich, wie eng Bernd mit dem elterlichen Hof verbunden ist. Er würde sehr wahrscheinlich in der Stadt kein Bein auf den Boden bekommen – ein echter Naturbursche eben… Genau dieser Wesenszug fasziniert mich so an ihm.
Mit uns im Haus hat anfangs noch die inzwischen 15 Jahre alte Colliehündin Yucca gelebt. Von ihr habe ich viel gelernt für unsere Rollenspiele, in denen ich Bernds Hündin bin. Nach sieben Monaten ist sie jedoch verstorben. Bernd ist hin und her gerissen gewesen. Einerseits hätte ein neuer Hofhund ihm über den Verlust hinweggeholfen, andererseits haben wir keine finanzielle Luft.
Bernds Bank im nächsten Bauerndorf liegt ihm auch ständig in den Ohren, seinen Betrieb zu modernisieren, auf industrielle Viehhaltung umzustellen und sich dafür hoch zu verschulden. Gerade jetzt in der Niedrigzinsphase wären die Voraussetzungen besonders günstig. Sein Steuerberater ist gleichzeitig Unternehmensberater. Der Mann ist nicht gerade begeistert von der Bankofferte.
Da lernen wir Nicci und deren Partner Peter kennen. Sie wohnen nur etwa 90 km entfernt nördlich der Mosel. Bald darauf kommen sie uns besuchen und packen schnell tatkräftig mit an, was sie uns gleich sehr sympathisch macht. Abends beim gemütlichen Beisammensitzen – es ist bei all der Arbeit für mich die einzige Möglichkeit in meine Rolle zu schlüpfen – spiele ich mit Nicci auf allen Vieren, als Peter plötzlich Bernd eine Frage stellt:
„Sag mal Bernd – ich weiß, es gibt positiven und negativen Stress. Negativer Stress macht uns mit der Zeit krank, während positiver Stress uns seelisch stärkt. – Aber wäre es nicht schöner, hier auf dem Land sein Auskommen zu haben, ohne sich ständig Gedanken machen zu müssen, wie es morgen weitergeht? Fühlst du dich momentan nicht wie in einem Hamsterrad gefangen?“
„Was meinst du damit?“ fragt Bernd und runzelt die Stirn. Gute Ratschläge haben wir schon zuhauf gehört…
„Hier in der Nähe führt doch der Hunsrück-Höhenweg vorbei. Das ist eine touristisch erschlossene Strecke, die dem ländlichen Raum zusätzliche Einnahmen bringen soll. Nimm mal folgendes Szenario an: Du baust deine Stallungen um. Machst Gästezimmern für Radwanderer auf dem Höhenweg daraus. Wenn sie wissen, dass sie hier übernachten können, biegen sie gerne von der Hauptstrecke ab, und du verdienst an den Übernachtungen.
Willst du trotzdem Landwirt bleiben, statt komplett ins Hotelfach zu wechseln, dann halte ein paar Hühner und eine Kuh für frische Eier und Milch zum Frühstück. So sparst du an deinen Lebensmitteleinkäufen. Auch die Zimmer können gerne spartanisch sein. Mir fallen da sogenannte Heuhotels ein. Informiert euch ruhig mal und rechnet das durch.“