Nicci (32)
Er und Bernd sind inzwischen aufgestanden. Sie haben ihren Doggies aus Plastikflaschen trinken lassen. Danach ist Bernd mit den Tellern und dem restlichen Geschirr nach drinnen gegangen, während Peter auf das Doppeltor des Anbaus zugeht. Beide Doggies folgen ihm langsam. Also schließe ich mich den anderen Doggies an.
Peter öffnet das Tor und holt eine Reihe Gerätschaften hervor, die er auf einen Handwagen legt und schließlich das Tor wieder schließt. Jetzt zieht er etwa zehn rot-weiße Plastik-Hütchen auseinander und stellt sie hintereinander auf die Wiese. Dahinter stellt er zwei hölzerne Dreibeine, bei denen eins der Beine sicher viermal so lang ist, wie die beiden anderen. So ergeben sich Hindernisse. Am Ende der Wiese zieht er einen Stofftunnel auseinander und fixiert ihn auf dem Boden. Auf dem Weg zurück zur Terrasse verteilt er noch drei weitere Hindernisse so, dass das lange Bein mal nach rechts, mal nach links zeigt. Dann fährt er den Handwagen auf die Seite.
Bernd ist inzwischen wieder hinzugekommen und sagt nun:
„Jasi, zeig unserem Gast mal, wie man solch einen Parcours bewältigt. LOS!“
Jasmin ist vorhin zu ihrem Owner gelaufen, als Bernd die Terrasse wieder betreten hat. Dabei ist sie tatsächlich auf ihren Händen in den Pfotenfäustlingen und den Spitzen ihrer flexiblen Spezialschuhe gelaufen. Ihre Knie waren von Boden abgehoben. Ich staune, denn das schaffe ich nicht. Das habe ich noch nie versucht.
Sie hat vor Bernd SITZ gemacht mit dem Hintern auf ihren Fersen. Nun hebt sie den Hintern an, sieht dabei aus, wie ein Hundertmeter-Läufer am Start und stößt sich ab. Sie läuft wieder auf Fingerknöcheln und Zehen, nimmt die Hütchen mal rechts, mal links und springt nach dem Slalom über die beiden Hindernisse, indem sie die Hände anhebt, die Beine streckt, mit den Händen hinter dem Hindernis wieder auf dem Boden aufkommt und die Beine nachzieht. Schließlich kriecht sie durch den Tunnel – jetzt wohl auf Händen und Knien – und nimmt dann die restlichen drei Hindernisse im Slalom, indem sie auf allen Vieren immer über das lange Holz springt.
Ich mache große Augen, als ich das sehe. Dafür bräuchte ich sicher viel Übung, will ich das genauso elegant machen wie Jasi. Mit diesen Gedanken im Kopf schaue ich von Bernd zu Peter. Letzterer lacht und fragt:
„Sport liegt dir nicht, Maddox? Was denkst du wohl, wie viele ‚Oh’s‘ und ‚Ah’s‘ du auf Events ernten würdest… Aber gut, überleg‘ dir das halt nochmal und tritt dann in einer der nächsten Sessions mit dem Wunsch an uns heran. – Falls es dir Spaß macht und dir die Entfernung nicht zu weit ist!
Jetzt, an unserem ersten Treffen, wollte ich kein großes Training ansetzen, sondern ein spielerisches Kennenlernen.“
Er nimmt einen Gegenstand vom Terrassentisch und wirft ihn auf die Wiese. Sofort drehen sich Nicci und Jasi in Richtung Wiese. Sie haben genau wie ich in SITZ-Position in Richtung ihrer Herrchen gesessen. Jetzt heben sie ihren Hintern von ihren Fersen ab und starten wie Hundertmeter-Läuferinnen, indem sie sich vom Boden abstoßen, ihre Hinterbeine strecken und im Zweifüßlergang auf die Wiese laufen.
Nicci bückt sich als Erste, hebt den Gegenstand auf und läuft zu Peter zurück. Dort gibt sie den Gegenstand ab und geht sofort wieder in SITZ-Position. Eine gute Sekunde später ist auch Jasi wieder zurück und macht vor Bernd SITZ, schaut aber aufmerksam zu Peter herüber.
Ich habe den dunklen Gegenstand fliegen gesehen und bin ein paar Schritte auf Händen und Knien hinter den Mädels her. Als ich gesehen habe, dass ich chancenlos bin, habe ich mich jedoch ins Gras gesetzt und zugeschaut.
Peter kommt zu mir und setzt sich im Schneidersitz neben mich auf die Wiese.
„Maddox, je mehr du bei uns zuschaust, desto verblüffter scheinst du zu sein. Was du siehst, entspricht wohl gar nicht deinem Verständnis von Dogplay. Zuerst war da, dass unsere Doggies das Gleiche zu essen bekommen, was auch wir essen. Jetzt siehst du sie auf ihren ‚Hinterbeinen‘ apportieren…“
Ich schaue ihn an und nicke.
„Es heißt doch, wenn du ins ‚Dogspace‘ abgleitest, sollst du dich ‚fallenlassen‘ im Vertrauen darauf, dass der Owner die Verantwortung für sein Doggie trägt, es beschützt, für es sorgt. Doggie kann sich sicher und geborgen fühlen, frei von Alltagsstress. Doggie sein ist also zuerst einmal eine seelische Sache: Wenn du deinen inneren Hund herauslässt und dafür dein Menschsein vorübergehend in dein Herz einschließt, dann kannst du auch auf zwei Beinen Hund sein.“
Ich schaue ihn weiter an und überlege, dass das wohl doch ein tiefergehendes Hundsein sein muss, als es den Anschein hat. Peter redet weiter:
„Du brauchst, um ins Dogspace abzutauchen, dein Kostüm, ausschließlich den Vierfüßlergang und die Tiernahrung. Das akzeptieren wir vollkommen, weil wir dich als Person respektieren und deine Ansichten tolerieren. Wo kämen wir auch sonst hin…“
Er zeigt mir den Gegenstand, den er wohl vorhin auf die Wiese geworfen hat. Es ist ein brauner Plastik-Knochen. Er wirft ihn auf die Wiese und ich laufe auf allen Vieren dorthin, wo ich ihn niedergehen sehe. Inzwischen ist Peter aufgestanden und zur Terrasse zurückgekehrt. Ich nehme den Plastik-Knochen mit dem Mund auf und bringe ihn – immer noch auf allen Vieren – zur Terrasse zurück. Peter hält mir die Hand hin, zwinkert und sagt AUS!
Ich lasse den Knochen in seine Hand fallen. Peter wendet sich an Nicci und sagt zur ihr:
„Du kannst gerne Maddox Gesellschaft leisten. Dann aber auf allen Vieren!“
Dann wirft er den Knochen und ruft:
„Maddox, Nicci, HOL!“
Wir starten beide. Nicci überholt mich schon wieder! Ich verharre einen Augenblick und schaue verdutzt Nicci hinterher. Sie läuft auf den Fäusten, die in den Pfotenfäustlingen stecken, und hat die Knie vom Boden abgehoben. Sie läuft hinten auf den Fußspitzen. Nur die Zehen bis zu den Zehenballen berühren den Boden, was man wegen der flexiblen Spezialschuhe gut sehen kann. Die Fersen zeigen nach oben, so dass die Unterschenkel ungefähr parallel zum Wiesenboden sind und die Knie gerade mal die Spitzen der Grashalme berühren.
Das versuche ich jetzt auch.
Schon hat Nicci den Knochen erreicht und nimmt ihn hoch. Dann kommt sie zurückgelaufen. Ihr auf Händen und Knien zur Terrasse folgend, setze ich meine Knie wieder auf dem Boden ab. Ich spüre meine Unterschenkelmuskulatur und die Archillessehne an der Ferse.
‚Will ich mich irgendwann genauso fortbewegen, muss ich wohl mehr Sport treiben,‘ denke ich und grinse in mich hinein. Denn das Üben dieser Gangart kommt ‚Sport treiben‘ gleich, sonst würde ich nicht die Unterschenkelmuskulatur derart spüren.