Nicci (35)
„Du, ich stehe mit beiden Beinen im Leben!“ protestiere ich. „Ich habe einen Beruf, der mich fordert, ein Auto, ein Haus…“
„Schöne Statussymbole,“ bemerkt nun wieder Peter und lächelt mich an. „Die seien dir auch alle gegönnt! Vor allem, wenn du dich im Beruf bei der Arbeit wohlfühlst!“
„Naja,“ muss ich ehrlich einschränken. „Die Arbeit stresst schon ganz schön. Kaum eine Woche vergeht, wo ich unter fünfzig Stunden arbeiten muss. Bezahlt werden aber nur die üblichen vierzig Stunden.“
„Das ist heute fast überall so,“ meint Peter. „Es sei denn du machst dich mit etwas selbständig, wofür du viel Geld bekommst. Als Programmierer im IT-Bereich zum Beispiel.“
„Tjaaaa,“ dehne ich meine Antwort. Wer hat denn schon die Möglichkeit und die Kunden dafür? Nach einer kleinen Gedankenpause ergänze ich: „Das Dogplay bietet mir dann den Ausgleich zur Arbeit: Da kann ich träumen, entspannen. Wenn ich spiele bin ich für den Moment jemand anders, ein Hund nämlich, der den Alltagsstress abschütteln kann. Ich kann loslassen, nur die Gefühle zulassen.“
„Du bist gerne immer wieder willkommen hier,“ sagt Peter. „Wenn du uns bekannt machst und neue Gäste anwirbst, kannst du gerne eine Provision dafür erhalten…“
Ich horche auf: „Eine Provision?“
Peter lacht kurz auf.
„Keine große Summe! So hoch ist die Gewinnspanne nun auch nicht, aber so fünf Euro pro Person, die durch dich zu uns kommt, könnte ich mir schon vorstellen. Andererseits könnten wir so zwei Personen für Küche und Service gebrauchen – zu Spitzenzeiten im Sommer vielleicht fünf – die Petplay als etwas Normales betrachten, aber selber keine Zeit haben werden ein Tier zu spielen.“
Nach einer kurzen Gedankenpause fügt er hinzu:
„Oder mehr Leute teilen sich die Arbeitsstellen, damit jeder der Angestellten auch einmal in seine Rolle schlüpfen kann. – Aber dann verdienen alle natürlich entsprechend weniger, wenn das vorhandene Geld auf mehr Köpfe aufgeteilt wird… Im Service ist gerade zu Spitzenzeiten ebenfalls Stress!“
„Aber hier oder da eine Schachtel Zigaretten geschenkt bekommen,“ sage ich lächelnd zu Peter, „ist zumindest eine schöne Anerkennung! Solch ein Servicepersonal sollte vielleicht hier in der Umgebung wohnen…“
„Ja, aber finde hier mal solch spezielle Leute,“ lächelt Peter zurück. „Ich hätte gern, dass Nicci und Jasi entlastet wären!“
„Also müssten interessierte Petplayer hierherziehen, in der Umgebung Wohnungen finden,“ stelle ich fest.
Peter nickt.
„Das wird wohl so sein,“ meint er. „Oder wir müssten das Haupthaus weiter ausbauen.“
Bernd horcht auf. Er fragt:
„Wie stellst du dir das vor, Peter?“
„Wir brauchen dafür wohl den Rat eines Architekten, sollten wir uns entscheiden, das Dach auszubauen oder anzuheben und eine weitere Etage einzuziehen,“ meint Peter, zu Bernd gewandt. „Oder wir vermieten eine Saison lang nur einen Flügel an Radwanderer, während wir das Dach des anderen Flügels anheben und Mitarbeiterwohnungen einbauen…“
„Dann fallen aber fünfzig Prozent der Einnahmen weg – und der Gewinn minimiert sich! Wovon sollen wir dann den Umbau bezahlen?“
Peter schüttelt kurz den Kopf.
„Die fehlenden Einnahmen müssen über die Petplayer hereinkommen. Ich hoffe doch, dass bald mehr aus dieser Personengruppe kommen!“
Dabei schaut er lächelnd in meine Richtung. Ich sage zu:
„Ich gebe jedenfalls mein Bestes!“
Bernd beugt sich zu Jasi hinunter und streicht sanft über die obenliegende Schulter.
„Ich glaube, damit sollten wir den Abend beenden. Jasi ist schon eingeschlafen.“
„Okay,“ meint Peter und wendet sich mir zu. „Ich bring dich noch rüber in deinen Zwinger.“
Beide erheben sich und Peter begleitet mich in den Anbau und zu meinem Zimmer. Am nächsten Morgen muss ich nach dem Frühstück schon nachhause fahren.

*

In der Monatswende Oktober – November informiert uns Andy telefonisch, dass er zwei junge Frauen kennen gelernt hat, die er auf der sogenannten ‚Schwarzen Nacht‘ treffen möchte. Ein paar Tage danach fragt er nach, ob wir zu einer Fotosession bereit wären. Die Frauen hätten ihn gefragt, ob sie das in dem Zwinger in seinem Garten machen könnten – und er hat abgelehnt.
Ich, Nicci, informiere Peter und der nickt dazu. Also sage ich Andy zu und versuche noch ein paar Informationen mehr, vorab über die Beiden zu bekommen. Andy erklärt, dass eine der Beiden das Frauchen spielt und die Andere ihre Doggie. Die Doggie käme ihm etwas einfältig vor. Dennoch ist sie diejenige, die einen Freund hat. Dieser junge Mann hätte auch das Auto, mit dem das Trio zu uns kommen würde. Es sollen Weihnachtsbilder werden, also irgendwas rot-weißes mit grün, sollte das Bild ausfüllen. Genaueres könnten die Frauen dann erklären. Sie würden auch ihr Equipment mitbringen.
Am vereinbarten Zeitpunkt klingelt es am späten Nachmittag. Wir haben Regenwetter, und daher sitzen auch keine Besucher aus der Umgebung in unserem Café. Ich bin gerade dabei flüchtig über alles drüber zu wischen, also öffne ich die Tür. Vor mir stehen zwei Frauen und ein Mann, schätzungsweise Mitte bis Ende Zwanzig.
„Hallo,“ begrüße ich die Gruppe, reiche ihnen meine Hand und mache den Eingang frei.
Ich weise ins Café und biete ihnen an: „Setzt euch erst einmal.“
Sie betreten den Raum, hängen die nassen Jacken an die Garderobe und setzen sich an einen Tisch.
„Darf ich euch etwas bringen?“ frage ich, freundlich lächelnd. „Kaffee, Tee, Cappu…“
Sie nicken lächelnd und bestellen jeder ein Getränk. Eine der Frauen bemerkt dazu:
„Kuschelig warm habt ihr es hier…“
„Muss sein – bei dem Wetter draußen,“ entgegne ich und verschwinde schnell in der Küche.
Als ich wenig später mit den Getränken an den Tisch komme, fragt mich die Frau, die anscheinend das Wort führt:
„Wir sind ja eigentlich gekommen, um eine Fotosession zu veranstalten – Sie wissen?“