Nicci (39)
Seine Doggie schaut zu ihm und hebt den Hintern an. Es sieht aus, als will sie gleich lossprinten. Bernd wirft das signalorange Teil in eine Ecke des Wintergartens und sagt dazu in gleicher Lautstärke:
„Hol!“
Jasi folgt dem Flug des Spielzeugs mit dem Blick, wendet dafür ihren Kopf und läuft auf allen Vieren in die Ecke. Dort beugt sie den Kopf zu dem Ding, nimmt es mit dem Mund auf und kommt zurück.
Unterwegs fiept sie kurz und lässt das Spielzeug fallen. Sie wendet sich in Richtung der offenen Tür des Wintergartens und lässt ein Geräusch hören, das entfernt an ein Knurren erinnert. Bernd steht auf und geht zu Jasi. Er lacht, kommt zum Tisch zurück und nimmt zwei Messer aus dem Besteckkasten, die er an der Schneide fasst. Zurück bei Jasi beugt er sich runter und klemmt etwas langes, dünnes zwischen die Messergriffe, das sich im Griff windet wie eine Schlange. Es ist aber gerade einmal so dünn wie ein Bleistift, und höchstens doppelt so lang.
„Was ist das?“ frage ich in faszinierter Distanz.
„Eine Schlange, die sich ins Trockene, Warme geflüchtet hat,“ kommentiert er das Geschehen.
„Ist sie giftig?“ setze ich nach.
Bernd schüttelt den Kopf.
„Es ist eine Ringelnatter, eine Würgeschlange! Schau hier, die beiden hellen, sichelförmigen Flecken hinter den Augen…“
Er ist mit seinem Fang nähergekommen, so dass wir die Schlange näher in Augenschein nehmen können. Ich rutsche mit meinem Stuhl ein paar Zentimeter zurück.
„Ich glaube dir ja!“ sage ich, vielleicht etwas zu heftig. „Du musst sie mir nicht unter die Nase halten. Bring sie lieber weg!“
Er lacht und bringt sie nach draußen. Zurückkommend schließt er die Tür des Wintergartens. Dann setzt er sich wieder zu uns. Jasi bringt ihm das Spielzeug, und Bernd wirft es wieder in eine Ecke.
„Habt ihr hier Schlangen…“
Es sollte eine Frage werden, ist aber eine distanzierte Feststellung geworden.
„Die Gleichen, wie es sie auch bei euch in der Natur gibt!“ meint er. „Die Ringelnatter… Dann die Kreuzotter. Die erkennt man durch das Zickzackmuster auf ihrem Rücken. Und dann noch die Blindschleiche, die aber eigentlich eine Eidechse ohne Beine ist. Alle sind für den Menschen ungefährlich!“
„Okayyy,“ ziehe ich die Antwort in die Länge.
Sicher kann man mir die Abscheu ansehen. Auf Dauer auf dem Land zu leben, kann ich mir zurzeit einfach nicht vorstellen. Nachdem wir uns satt gegessen haben schaue ich zu Lena und sage:
„Auf, Lena, wir wollen schlafen gehen. Morgen haben wir noch viel vor!“
Seufzend steht sie auf, während die beiden Doggies sich von ihr verabschieden, indem sie sich an sie drücken. Als Lena so unvorsichtig ist und sie zum Abschied streichelt, lecken Jasi und Nicci ihr kurz mit der Zunge über die Finger. Lena lächelt mit gerunzelter Stirn und folgt dann Markus und mir. Draußen nimmt Markus seine Freundin in den Arm und wir legen uns im Stroh schlafen.
Am nächsten Morgen werden wir von der Sonne geweckt, die gegen halb neun in unsere Zimmer scheint. Um zehn Uhr frühstücken wir mit den Leuten hier wieder im Wintergarten. Die Doggies haben auch heute Morgen ihre Kostüme an.
„Sag‘ mal,“ frage ich Peter während des Frühstücks, „Habt ihr ein Ersatzkostüm? Dann könnte ich Lena stilecht im Kostüm fotografieren!“
„Hm,“ macht Peter und schaut mich zweifelnd an. „Wenn ihr ein Outfit zufällig passt? Klar, hat jede Doggie noch ein Ersatz-Outfit. Im Zweifel könnte Lena noch etwas drunter anziehen. Umgekehrt würde man offene Verschlüsse sehen…“
„Ein Versuch wäre es wert,“ meine ich.
„Okay,“ antwortet Peter. „Ich hole euch nach dem Frühstück ein Outfit.“
Nachdem er fertig ist, steht Peter auf und verschwindet kurz im Haus. Danach kommt er mit einem Kostüm über dem Arm in den Wintergarten zurück. Er übergibt es mir, als auch wir fertig sind mit dem Frühstück, und meint:
„Heute soll es schönes Wetter geben! Die Wiese wird aber erst heute Nachmittag trocken sein…“
„Nein,“ nehme ich seinen Gedanken auf. „Wir fotografieren im Zimmer. Ich brauche nur die Scheinwerfer aufstellen und ausrichten. Dann nimmt Lena verschiedene Positionen ein, mit unterschiedlichen Assessoirs. Markus hilft mir dabei.“
„Wenn du nichts dagegen hast, bleibe ich im Hintergrund dabei?“ fragt Peter. „Die Anderen kommen sicher auch gerne gucken, wenn sie Zeit haben. Eine Fotosession erlebt man nicht alle Tage!“
Ich ziehe ein Gesicht, als hätte ich in eine Zitrone gebissen. Das passt mir eigentlich gar nicht! Andererseits haben die Leute das Hausrecht hier. Dagegen kann ich wenig machen.
„Haltet aber die Störung so gering wie möglich!“ sage ich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Sobald zum Beispiel die Tür aufgeht, muss ich die Helligkeit neu ausmessen und danach die Blende verändern…“
„Okay,“ bestätigt Peter. „Unser Haus ist kein Taubenschlag! Wir werden uns nach dir richten.“
Er kommt mit uns in den Anbau. Auch Bernd begleitet uns, während die beiden Doggies sich auf ihre Hinterbeine erheben, die Pfotenhandschuhe an den Klettverschlüssen öffnen und ausziehen und die Halbmasken vom Kopf nehmen. Ich schaue Bernd fragend an.
Er lächelt und sagt:
„Jasi und Lena kümmern sich kurz um den Haushalt, dann kommen sie nach.“
„Ah,“ mache ich.
Im Anbau steuern die beiden Männer ein anderes Zimmer an.
„Nehmen wir keins der gemieteten Zimmer?“ frage ich erstaunt.
Peter schüttelt den Kopf.
„In diesem Zimmer haben wir frisches Stroh ausgelegt. Die anderen Zimmer müssten wir mit frischem Stroh erst noch ausstatten. Macht euch erst noch fertig. Holt dafür ruhig alles, was ihr braucht in das Zimmer hier. Wir werden dann das Stroh in euren Zimmern wechseln für die nächste Nacht!“