IWIPAPA - Stamm der Mutter Erde - 33
Ich bin nun alleine mit der jungen Wahine, LELE und RAKA’U, bis auf die beiden jungen Wächter am Käfig. Auch ich wende mich zum Gehen und rufe:
„LELE, RAKA‘U, ZU MIR!“
Ich beuge mich zu ihnen herunter und streichele ihnen durchs Haar, während sie ihre Wangen an meinem Bein sanft reiben, bevor ich aufbrechen will. Da ruft sie mich an:
„Hallo, Sie!“
Der Kahuna hat ihr zwar verboten zu sprechen, aber sie muss sich erst noch in ihre Rolle hinein finden. Normalerweise sollte ich mich taub stellen, aber ich will ihr Zeit geben, also wende ich mich ihr wieder zu und gehe näher an sie heran. Bei ihr gehe ich in die Hocke und setze mich dann im Schneidersitz neben den Käfig.
Wie immer folgen mir LELE und RAKA’U und lassen sich rechts und links neben mir nieder. Mit milder Stimme mache ich sie auf ihren Fehler aufmerksam.
„Du weißt, dass dir verboten wurde zu reden!“
Sie senkt den Blick, und antwortet leise:
„Ich weiß, aber ich weiß mich noch nicht anders auszudrücken. - Ich verspreche auch, nicht neugierig zu sein! – Aber wenn LELE geht, fühle ich mich einsam…“
Ich lache kurz auf und strecke meine Hand durch die Stäbe, um ihr über die Wange zu streicheln. Sie küsst flüchtig meine Hand.
Ich beruhige sie etwas, indem ich ihr versichere, dass LELE täglich ein paar Stunden hier ist, weil auch den Fortgang ihres Trainings miterleben will. Sie soll sich zusätzlich mit RA’A und HETU’U anfreunden, sage ich ihr, denn diese beiden sind rund um die Uhr mit ihr zusammen und zeigen ihr alles. Dann versuche ich ihr noch die Angst zu nehmen, dass ihr hier die sexuelle Selbstbestimmung genommen wird. Natürlich kann ich dazu viel sagen. Meine Worte sind Schall und Rauch. Der Alltag hier wird sie aber mit der Zeit überzeugen, dass meine Worte der Wahrheit entsprechen.
Es ist mir klar, dass ich nicht für alle Tangata sprechen kann. Die Zeiten, in denen sie sich einfach eine Frau genommen haben, sind noch nicht lange vorbei. Aber in der Schule ist sie sicher. Das ist einer der Gründe gewesen, warum ich sie gesucht und hierher gebracht habe. Der Kahuna und die Poki tane, die die Initiation hinter sich haben, habe jeder eine Wahine. Diejenigen Wahine in Ausbildung bleiben also von männlichen Bedürfnissen verschont. Sollte einer der Poki tane das Gebot übertreten, wird der Kahuna als Herr der Schule seine Konsequenz verkünden.
Nachdem ich geendet habe, schaut sie mich sehnsüchtig fragend an. Also erlaube ich ihr zu reden. Sie fragt mich, ob sie wirklich ablehnen darf, mit jemandem Sex zu haben. Ich bestätige ihr das noch einmal. Sie wird im Laufe der Ausbildung Männer sehen, die zuschauen. Findet sie einen davon sympathisch, soll sie sich ihn genau anschauen. Um eine Reaktion herauszufordern, darf sie sie ruhig dezent necken – und dann darauf achten, wie sie sich verhalten, wobei sie lachen, in welcher Situation sie sich verärgert zeigen… Alles ist wichtig als Auswahlkriterium. Derjenige, dem sie ihr Herz schenkt, folgt sie nach Ende der Ausbildung in sein Fale und lebt mit ihm den Rest ihres Lebens.
Schließlich verabschiede ich mich von ihr, indem ich ihr kurz sanft durch ihr Haar streiche, und entferne mich, um nachhause zu gehen.
In der Folgezeit bin ich täglich für ein paar Stunden in der Schule. Ich bringe dazu wie versprochen LELE und RAKA’U mit. Meine Beiden bringen hin und wieder eine Frau aus dem Wald mit in die Schule, die dann in die Ausbildung integriert wird. RA’A und HETU’U sind hervorragende Lehrmeisterinnen für die Neue in Bezug auf die Verständigung über Gestik und Mimik.
Die Poki tane des Kahuna bringen den Frauen die Kommandos bei, sowohl in sprachlicher Form, als auch über Gestik. Nach einigen Wochen wird ein Wettbewerb veranstaltet, bei dem sich herausstellen soll, wo die Stärken der Wahine liegen. Hier sind erstmals andere Tangata dabei, die die Wahine anspornen und später bewerten.
Nach diesem Wettbewerb werden die Wahine in unterschiedliche Gruppen eingeteilt und in den Tätigkeiten trainiert, bei denen sie im Wettbewerb am besten abgeschnitten haben. Die Neue ist in einer Gruppe, die ausgedehnte Spaziergänge über die Insel unternimmt. Sie lernen einen Mann zu begleiten, ob angeleint oder frei laufend. Dabei dürfen sie nicht nach eigenem Gutdünken durch den Wald streifen. Sie müssen BEI FUSS gehen und ihren Kopf auf Höhe der Beine des Mannes halten. Der Poki tane, der das mit ihnen übt, hat einen Bambusstab dabei, den er in vielfältiger Weise nutzt: Zum Einen stützt er sich darauf. Dann teilt er die Vegetation vor sich mit dem Stab und wehrt Tiere damit ab. Aber er nutzt den Stab auch als Verlängerung seines Armes, um die Wahine daran zu hindern, voraus zu laufen.
Auch bei diesen Exkursionen werden sie von Männern begleitet, die sich für die Wahine interessieren. Der Poki tane, der mit der Neuen übt, erzähl mir eines Abends, dass sie Mateo zu Fall gebracht hat. Sie ist von der Wirkung ihres Tuns selbst erschrocken gewesen. Er hat es aber mit Humor genommen. Sie hat ihn dann beim Aufstehen behindert, weil sie sich mittels Ablecken entschuldigt hat, so dass er sie von ihm weg rufen musste. Sie hat auf das Kommando vorbildlich reagiert. Auf dem restlichen Weg hat sie seine Nähe gesucht, was Mateo mit Sanftmut quittiert hat. Ich bin innerlich sehr erfreut darüber. Hier scheint sich etwas anzubahnen.
Als nun der Tag der Auswahl gekommen ist begleite ich Mateo zur Schule. Ich halte mich im Hintergrund und lasse Mateo allein agieren. Rechts und links neben mir haben sich LELE und RAKA’U auf ihre Fersen gesetzt. Bald aber lassen sie sich direkt auf dem Boden nieder, neben ihren Füßen.