Sarah, die Youtuberin (10)
Der Hausbewohner hat die Tür nach draußen geschlossen und ist an mir vorbei gegangen. Nun öffnet er die Tür linker Hand geradeaus. Dahinter befindet sich ein schmaler langer Raum mit komischen Dingern aus Holz drin, die vier Beine haben mit einer Platte darauf. Kleinere Dinger dieser Art haben noch ein hochstehendes Brett. Außerdem stehen dort wuchtige hohe Dinger mit kleinen Türen vorne dran.
Ich schaue mir alles aus der Nähe an und schnüffele daran, wie Maja es immer gemacht hat, wenn sie etwas noch nicht kennt. Der Mann schaut mir lächelnd zu, wie ich sehe, wenn ich zwischendurch zu ihm aufschaue. Bald setzt er sich auf so ein kleines Ding mit vier Beinen und an das große Teil. Er schneidet Brot ab und beginnt zu essen. Dabei beobachtet er mich weiter.
Nach kurzer Zeit hält er mir seine Hand hin und sagt, aufmunternd lächelnd:
„Na komm…“
Die Augen zusammenkneifend schaue ich zu ihm und nähere mich vorsichtig. Bei ihm angekommen, setze ich mich auf meine Fersen und begutachte den Inhalt seiner Hand. Das kenne ich! Es schmeckt süß bis leicht säuerlich, ist saftig aber von fester Konsistenz. Vorsichtig nehme ich ein Stückchen mit den Lippen auf. Ich kaue erfreut darauf herum und schlucke es hinunter. Dann nehme ich mehr davon mit dem Mund aus seiner Hand. Das mag ich! Schnell habe ich seine Hand leer gegessen und lecke nun den Saft von seiner Handfläche.
Danach bietet mir der Mann kleine Stücke der Nahrung an, die er auch gerade isst. Dafür stelle ich mich auf die Hinterbeine und stütze mich mit den Vorderbeinen auf so einem kleinen Ding ab, auf dem der Mann auch gerade sitzt. Jetzt kann ich auch die große Platte überblicken. Aber da steht nicht viel mehr drauf. Nur eine Kanne und die Tasse, aus der er mir vorhin zu trinken gegeben hat.
Der Mann hebt nun die Tasse an und hält sie mir hin. Darin befindet sich jetzt eine braune Flüssigkeit. Vertrauensvoll trinke ich etwas davon. Die Flüssigkeit ist schön warm, aber sie ist bitter. Prustend spucke ich aus, was ich im Mund habe. Ich mache schnell zwei Schritte rückwärts und ducke mich unwillkürlich weg. Aber der Mann lacht nur verhalten und beugt sich zu mir vor. Er nähert sich mir mit seiner Hand.
Zuerst schnüffele ich daran. Sie ist leer. Er dreht die Handfläche und berührt mich sanft an der Wange.
„Kaffee magst du wohl nicht,“ meint er. „Aber das ist nicht schlimm! Dann bekommst du eben anderes zu trinken.“
Kurz darauf erhebt sich der Mann von seinem Sitz und räumt die große Platte ab. Danach wendet er sich wieder mir zu. Ich habe inzwischen rückwärts gehend Abstand gesucht, ihn immer im Auge behaltend.
„Du möchtest bei mir bleiben? Von mir versorgt, gepflegt, beschäftigt werden?“ fragt er.
Ich hebe den Kopf und antworte mit einem „Wuff!“
„Hm,“ meint er daraufhin. „Die Verständigung ist doch sehr einseitig… Wunderbar, dass du so eine vielfältige Mimik zeigst und ich mich ein wenig auch mit der Gestik von Hunden auskenne. Du bist wohl von Hunden oder Wölfen aufgezogen worden… Es wird sicher helfen, wenn wir zur Verständigung gewisse Codewörter vereinbaren. Ich will sie dir gerne beibringen.“
Seine Stimme ist dabei so sanft, dass ich mich ihm wieder nähere und meine Wange an seinem Bein reibe. Er fährt mir dabei zart durch mein Haar.
„Zuerst muss ich aber noch einmal in den Garten,“ redet er weiter. „Wenn du magst, komm mit und schau mir zu.“
Er geht zur Tür und sieht sich nach mir um. Ich bleibe noch stehen und schaue ihm hinterher. Nun, als er die Tür weit offen hält, folge ich ihm hinaus in den Garten. Er reinigt den Stall, tauscht das Stroh aus und lädt es auf eine Karre. Dann öffnet er die Tür mit dem herzförmigen Loch, hebt eine Platte mit rundem Loch an und schaufelt den Kasten leer, um auch dort neues Stroh hinein rieseln zu lassen.
Das schmutzige Stroh fährt er zu einem Hügel am Ende des Gartens und lädt es dort ab. Nun schaufelt er Erde darüber, schiebt dann die leere Karre zurück an ihren Platz und reinigt sie mit einer Handvoll Stroh.
Jetzt nimmt er einen Dreizack und lockert damit die Erde auf, wo das Gemüse wächst. Währenddessen redet er die ganze Zeit mit mir und erklärt mir dabei, was er macht. Ich höre ihm gern zu.
Plötzlich fällt ihm das Loch auf, aus dem ich am frühen Morgen die orange Wurzel gezogen habe. Er lächelt, lockert den Boden und verschließt das Loch. Ich bin wieder vorsichtig auf Abstand gegangen.
Er zwinkert mir aber zu und sagt:
„Ah, du hast heute schon gefrühstückt! Keine Angst! Ich verstehe dich ja! Aber in Zukunft übernehme ich das. Du brauchst dir keine Sorgen mehr darüber zu machen, wo du dein Essen her bekommst!“
Nach einer Weile sieht er auch das angebissene runde Gemüse. Er nimmt ein Messer aus der Tasche und trennt die Kugel von seiner Wurzel. Mit dem Gemüse in der einen und dem Kratzer in der anderen Hand geht er zum Schuppen zurück, stellt das Gartengerät an seinen Platz und geht wieder auf das Haus zu. Neugierig folge ich ihm.
Dort, wo er vorhin gefrühstückt hat, setzt er sich wieder hin und legt den Weißkohl auf ein dickes Holzbrett. Er entfernt meine Bißspuren und schneidet ihn in ganz kleine Stücke, die er in mehrere Gläser füllt. Anschließend füllt er die Gläser mit Wasser auf, gibt etwas Salz hinzu und verschließt sie. Dann nimmt er die Deckblätter und die Schnittreste, und bringt sie draußen den Hühnern.
Zurück im Haus zeigt mir der Mann ein Apfelstückchen, und fordert mich auf:
„Na, komm! Hol es dir.“