Luna -08-
„Vor so einem Turnier muss trainiert werden. Wann und wo…“
„Jeden Dienstagnachmittag in der Turnhalle!“ sage ich schnell.
„Und wer…“ hakt Papa nach.
Er ist zu der Zeit noch mit dem Schiff unterwegs. Wieder antworte ich schnell.
„Mach dir keine Sorgen, Paps! Maik spielt in der Herrenmannschaft. Er begleitet mich. Mir passiert schon nichts!“
„Also gut,“ gibt er sich endlich geschlagen.
Ich ziehe den Mitgliedsantrag hervor und lege ihn ihm neben den Teller. Dabei schaue ich ihn noch einmal so an, wie es auch Beauty oft macht. Schließlich unterschreibt Papa den Antrag. Ich greife mir ihn und ziehe ihn spontan zu mir, um ihm einen dicken Kuss zu geben. Er lässt es geschehen und befreit sich erst allmählich von mir.
Er unterhält sich eine Weile mit Maik über die Schule, seine baldige Ausbildung, den Sport. Dann verabschiedet Maik sich höflich und fragt im Hinausgehen, ob er mich öfter besuchen und ab und zu mit mir ausgehen darf.
„…wenn sie spätestens um Zehn abends wieder zuhause ist!“ ruft Papa hinter ihm her.
Bevor ich die Wohnungstür hinter ihm schließe, antwortet er laut:
„Darauf werde ich achten!“
Zum Abschied beugt sich Maik zu mir herunter. Ich schließe ihn in meine Arme und ziehe mich ein paar Zentimeter aus dem Rolli, um ihm einen Kuss zu geben. Dann bekommt Papa einen extra innigen Gute-Nacht-Kuss und ich rolle in mein Zimmer, ziehe mich um für die Nacht und rolle dann ins Bad. Schließlich stelle ich den Rolli an seinen Platz und mache den einen Schritt in mein Bett. Beauty beobachtet mein Tun und legt sich dann auf ihren Platz am Fußende meines Bettes.

*

Zwei Tage darauf kommt Maik wie verabredet gegen 17Uhr. Ich bin mit den Hausaufgaben fertig. Mama lässt ihn herein und zeigt ihm mein Zimmer. Die Tür steht immer offen, damit Beauty laufen kann wohin sie will. Daher klopft Maik kurz an den Türrahmen. Ich schaue auf und lächele ihn an. Er tritt in das Zimmer und blickt sich um.
„Du kannst aber gut zeichnen,“ meint er anerkennend.
Ich habe mein Zimmer im Laufe der Zeit mit immer mehr selbst gezeichneten Anime-Bildern tapeziert. Bei unserem Umzug aufs Land habe ich den Tesafilm vorsichtig mit einer Klinge am Rand der Zeichenblätter abgeschnitten und hier alles eigenhändig wieder neu aufgehängt.
„Was zeigen die Bilder eigentlich alle,“ fragt er mich und setzt sich auf das Sofa neben dem Schreibtisch.
„Kennst du KEMONOMIMI?“ frage ich. „Nekomimi oder Inumimi?“
„Frag mich nach irgendwelchen Sportgrößen!“ versetzt er lächelnd. „Nein, leider kenne ich das nicht. Aber es interessiert mich, weil du mich interessierst!“
„Und du wirst niemals lachen oder mich verspotten?“
„Andrea!“ sagt er und wird unvermittelt ernst. „Ich weiß, was die Worte Achtung, Respekt und Toleranz bedeuten!“
„Entschuldige,“ lenke ich ein. „Ich wollte dich nicht kränken!“
„Mein Vater hat in der Großstadt Arbeit gefunden und in der Siedlung am Rand der Kleinstadt gebaut. Wir sind vor etwa zehn Jahren hergezogen – aus Süddeutschland. Damals habe ich einen ganz anderen Dialekt gesprochen, als hier auf dem Land. Inzwischen redet keiner mehr Dialekt. Damals aber wurde ich für meine Sprache ausgelacht und ausgegrenzt. Der Sport hat mir geholfen mich zu integrieren. Mein damaliger Sportlehrer hat mich auf die Schiene gesetzt. Und die positive Erfahrung möchte ich dir ebenso vermitteln, wenn du mich lässt.“
Ich lege den Stift hin, den ich in der Hand habe, drehe den Rolli in seine Richtung und stehe aus dem Sitz auf. Dann gehe ich die drei Schritte bis zu ihm in den Watschelgang, der mir einzig möglich ist, und lasse mich neben Maik auf das Sofa fallen. Er macht große Augen und hält seine Hände mir entgegen, als ob er mich auffangen wollte.
„Das nennt man Hüftluxation zweiten Grades,“ sage ich und schaue ängstlich zu ihm auf. Wie reagiert er wohl auf die Demonstration? „Ich bin als Baby operiert worden. Die Ärzte haben meinen Eltern erklärt, dass damit das Problem behoben sei. Wie man sieht war das eine Fehldiagnose!“
„Und jetzt?“ fragt er etwas atemlos und legt seinen Arm um meine Schultern.
„Nichts weiter. Ein paar Schritte kann ich ohne Schmerzen gehen, wenn es auch für Unbedarfte ungewöhnlich aussieht. Für längere Strecken habe ich den Rolli. – Oder dich krabbele auf allen Vieren. Das gefällt Beauty immer sehr.“
Ich lächele. In die entstehende Stille sage ich:
„Du wolltest etwas über Kemonomimi, Inumimi und Nekomimi wissen. Die Bildchen entstammen japanischen Zeichengeschichten, sogenannten Anime. Kemonomimi machen Anime-Anhänger, wenn sie sich eine Haarspange überziehen mit künstlichen Tierohren dran. Inu bedeutet Hund auf Japanisch und Neko bedeutet Katze.
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