Luna -26-
Sie begleiten uns zu einem Geländewagen auf dem Bahnhofs-Vorplatz. Dann dauert es noch anderthalb Stunden, bis wir zu einem Bauernhof kommen, etwa einen Kilometer außerhalb eines Ortes. Onkel Hans zeigt uns unsere Zimmer im Giebel des Wohnhauses. Es sind zwei kleine Mansarde-Zimmer, zu denen hinzukommen mit einem Rollstuhl ziemlich beschwerlich ist. Aber zumindest haben wir auf dieser Etage ein eigenes Bad – und Maik hilft mir auf den Treppen. Trotzdem, es dauert jedesmal bestimmt zehn Minuten bis wir im Parterre sind oder von dort auf unserer Etage.
Nach einem gemeinsamen Essen mit der ganzen Familie bitte ich Maik, mich nach oben zu bringen. Ich möchte mich erst einmal ausruhen von der langen Fahrt. Maik sagt lächelnd zu. Oben sage ich mit unsicherer Stimme und scheuem Blick:
„Es tut mir leid, dass ich dir solche Unannehmlichkeiten mache…“
„Ach, Quatsch!“ unterbricht er mich. „Es geht nun einmal nicht anders – und ich tue das gerne für dich! Du bist mir keine Last!“
Spontan umarme ich Maik und lege mich auf das Bett nachdem Maik die Tagesdecke zurückgeschlagen hat. Ich frage ihn:
„Was machst du heute noch?“
„Nicht mehr viel,“ antwortet er mir. „Ich gehe runter zu Onkel Hans und lasse mir erklären, welche Arbeiten in den nächsten Tagen anstehen. Wenn ich mir einen groben Überblick verschafft habe, komme ich auch hoch.“
„Hier ist eine Wand zwischen dir und mir…“
Maik lächelt mich fröhlich an.
„Sei nicht traurig, Liebes! Die Leute hier sind halt noch sehr religiös. Sonn- und Feiertage werden eingehalten. Sie strukturieren damit das Leben auf dem Land ähnlich wie wir es mit den Wochenenden tun, in der Stadt. Und dazu gehört auch, dass man getrennt schläft, solange man noch nicht verheiratet ist. Das heißt aber nicht, dass ich dein Zimmer nicht betreten darf oder du meins. Auch darfst du mich ruhig in der Öffentlichkeit küssen, wenn dir danach ist!“
Ich bin etwas ruhiger, nachdem er das gesagt hat, und verabschiede mich von ihm mit einer Umarmung und einem Kuss.
Neben meinem Bett steht ein Radiowecker. Ich höre mir an, welche Sender es hier gibt und welche Musik sie bringen. Schließlich entscheide ich mich für einen Sender und lasse ihn laufen. Ich lege mich auf den Rücken und schaue zur Decke, ohne dort etwas wahrzunehmen. Meine Gedanken sind bei Maik. Allmählich falle ich in einen unruhigen Schlaf.

*

Als ich am nächsten Morgen aufwache ist es draußen schon hell. Maik hat den schweren blickdichten Vorhang vor dem kleinen Dachfensterchen weggezogen und sich neben mich auf das Bett gesetzt.
„Einen wunderschönen, sonnigen Ferienmorgen wünsche ich dir,“ begrüßt er mich.
Dann beugt er sich über mich, um mir einen Guten-Morgen-Kuss zu geben. Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und ziehe mich etwas aus den Kissen hoch, um seinen zarten Kuss zu erwidern.
Danach steht er auf und schiebt den Rolli direkt neben das Bett. Ich habe mich in der Zwischenzeit aufgesetzt und die Beine aus dem Bett geschwungen. Dann stemme ich mich hoch und stütze mich an der Armlehne des Rollis ab, während ich mich drehe und in den Sitz sinke. Nun fährt Maik mich hinaus auf den Gang und in das kleine Bad auf dieser Etage.
„Bist du schon fertig?“ frage ich ihn.
„Ja, ich war vorhin zuerst hier drin, bevor ich dich geweckt habe,“ bestätigt er mir. „Das Handtuch hier und der Waschlappen sind deine. Auch dieses Badetuch.“
Er zeigt mir die Tücher. Ich schaue ihn fragend an.
„Was soll ich gleich anziehen?“
Er schüttelt lächelnd mit dem Kopf.
„Mach dir keine Umstände!“ meint er. „Jeans und Pulli reichen völlig. Auch wenn wir heute schon vor die Tür gehen, um uns alles in Ruhe anzusehen.“
„Bringst du mir die Sachen?“ frage ich lächelnd zurück.
Er nickt und verlässt das Bad. Ich streife den Pyjama ab und stehe aus dem Rolli auf. Dann gehe ich kurz unter die Dusche. Maik kommt gerade wieder zur Tür herein, als ich aus der Dusche komme und mir schnell das Badetuch um die Schultern binde. Als nächstes rubbele ich mir die Haare mit dem Handtuch und binde es zu einer Art Turban. Maik legt die Oberbekleidung aus meiner Reisetasche über die Rückenlehne des Rollis und schaut mich dann fragend an.
„Socken, Slip und BH fehlen noch,“ meine ich lächelnd und küsse ihn flüchtig auf die Wange.
Er grinst und meint: „Deine Schuhe natürlich auch.“
„Bitte sei so lieb,“ sage ich und zwinkere ihm zu.
Maik verlässt das Bad noch einmal, währenddessen ich mich abtrockne. Dann ist er wieder zurück. Ich föne mir die Haare, putze die Zähne und lasse mir von Maik beim Ankleiden helfen, obwohl ich zuhause keine Hilfe mehr brauche. Aber es ist schön, jemanden bei mir zu wissen, der auf mich achtet. Dabei frage ich ihn:
„Gibt es bei deinem Onkel eigentlich feste Frühstückszeiten?“
„Ja-ein,“ antwortet Maik ausweichend. „Wir haben Ferien. – Klar, wenn ich alleine hier wäre, gäbe es feste Zeiten. Aber mit dir zusammen kann ich mir schon erlauben, die Essenszeiten nicht so streng einzuhalten.“
„Maaaik!“ ziehe ich den Namen lang und schaue mit gerunzelter Stirn zu ihm auf. „Ich will keine Extrawurst!“
„Das Haus ist nicht behindertengerecht,“ stellt Maik fest. „Wir müssten uns früher als der Rest der Familie fertigmachen. Das wissen die Anderen und nehmen Rücksicht!“
Wie zur Bestätigung hören wir in diesem Moment draußen an der Treppe Maiks Onkel rufen:
„Maik? Seid ihr soweit?“
Maik öffnet die Badtür einen Spalt und ruft zurück:
„Sofort, Onkel Hans!“
Ich bin inzwischen fertig und setze mich in den Rolli. Maik schiebt mich in den Gang. Ich wende mich halb zu ihm um und gebe ihm meinen Pyjama.
„Wir sind alleine hier,“ sagt er und hängt den Pyjama an den Haken innen an der Badtür.