Luna -29-
„Siehst du, die Bremse wirkt,“ meint er nur. „Im BEI FUSS sollst du so neben mir her gehen, dass dein Kopf auf Höhe meiner Oberschenkel bleibt – nicht zurückbleiben, und nicht vorlaufen.“
Wir umrunden den Stamm der Weide einmal. Dann sagt er „LINKS“ und tauscht Leine und Walking-Stick in seinen Händen. Dabei zerrt er mich sanft auf seine andere Seite.
„Wenn wir jemandem begegnen würden, der ebenfalls eine Doggie an der Leine führt – auf einen Event eher -, dann bleiben die Doggies immer außen!“ erklärt er mir, während wir eine weitere Runde um den Baum machen.
Nach einigen Metern sagt er „RECHTS“, und ich wechsele wieder die Seite. Auch Maik nimmt die Leine und den Walking-Stick wieder in die anderen Hände.
Nachdem wir drei weitere Runden gegangen sind, bleibt er mit mir am Strandtuch stehen. Er legt den Walking-Stick ab und nimmt einen quietsch-gelben Tennisball aus der Tasche im Rückenteil meines Rollis. Erst hält er mir den Ball vor die Nase, dann lässt er ihn auf das Strandtuch rollen und lächelt mir zu.
Ich springe zum Ball und versuche seinen Lauf zu stoppen und ihn in Maiks Richtung zu stoßen. Maik tritt hinzu, doch mich reitet der Schalk. Ich stoppe den Ball und gebe ihm einen Stoß in die entgegengesetzte Richtung, dann wieder zurück. Mit einem schnellen Seitenblick auf Maik versuche ich an seiner Mimik festzustellen, was er denkt. Er scheint mich gewähren zu lassen.
Dadurch verliere ich bald das Interesse am Ballspiel und lasse ihn in einer der Vertiefungen in der Wiese liegen. Stattdessen dränge ich mich an Maik heran, der es sich auf dem Strandtuch gemütlich gemacht hat. Er beginnt mich zu streicheln, also lasse ich mich neben ihn nieder.
Schließlich schaut er auf die Uhr und sagt:
„Wir sollten packen!“
Wir gehen vom Strandtuch herunter. Maik faltet es zusammen und legt es wieder auf die Sitzfläche des Rollis. Ich bin an den Rolli heran gekrabbelt und ziehe mich an ihm hoch. Nachdem ich mich gedreht und gesetzt habe, hat er auch die anderen Sachen in der Tasche verstaut und schiebt mich auf den Weg zurück. Eine halbe Stunde später sitzen wir zusammen beim Abendessen. Dann schauen wir mit seinen Verwandten noch etwas Fernsehen, bevor er mit mir im Rolli wieder die Treppe erklimmt.
Vor dem Schlafengehen legt er das zusammen gefaltete Standtuch in eine Ecke meines Zimmerchens und wirft ein Gummibärchen darauf, das er mir kurz zuvor vor die Nase gehalten hat. Ich schaue dem Gummibärchen hinterher und dann wieder zu ihm auf.
„Heute Abend keinen Hunger mehr auf eine kleine Süßigkeit, ein Betthupferl?“ fragt er mich lächelnd. „Sonst hole es dir.“
Er wirft ein zweites Gummibärchen auf das Strandtuch. Ich zucke kurz mit den Schultern und gehe auf allen Vieren zum Strandtuch. Um das zweite Gummibärchen zu erreichen, das gegen die Wand geprallt und dann hinten auf dem Strandtuch hingefallen ist, muss ich ganz auf das Strandtuch klettern.
Maik ist nähergekommen, bestimmt um zu schauen, wie ich die Gummibärchen aufnehme. Also beuge ich mich zu den Süßigkeiten hinunter und nehme sie mit den Lippen auf. Jetzt sagt Maik „DECKE!“ und streicht mir zärtlich über das Haar. Ich reibe meine Wange sanft an seinem Knie.
„Siehst du,“ sagt Maik. „So schicke ich dich als Doggie auf deine Decke, Kissen oder Körbchen, je nachdem was gerade da ist. Dann kannst du in einer stillen Ecke eine Weile zur Ruhe kommen.“

*

So wie gestern machen wir es jetzt immer. Maik hat mit seinem Onkel vereinbart, dass er vormittags im Betrieb mithilft und nach der Mittagspause bis zum Abendessen ‘mit mir die Umgebung erkundet‘. Am Ende der zwei Wochen wird Onkel Hans das Berichtsheft unterschreiben und damit das ‘Seminar‘ beurkunden, obwohl es nur halbtags verläuft.
Heute ist unser Ziel natürlich wieder die Weide am Ufer des Feuerteiches. Unter den herunterhängenden Weidenruten sind wir vor neugierigen Blicken geschützt und können unser Rollenspiel ungestört durchführen. Nur selten kommt ein Wanderer vorbei. Dann verhalten wir uns kurze Zeit still.
Nachdem wir angekommen sind und Maik das Strandtuch auf der Wiese ausgebreitet hat, wiederholt er die Kommandos von Gestern und das Gehen bei Fuß. Heute lässt er mich sogar von der Leine, so dass ich auf allen Vieren frei neben ihm her gehen kann. Wieder bremst er mich ein paar Mal, als er denkt, ich wäre zu weit vorgelaufen. Es scheint ihm dabei zwar nicht um Zentimeter, aber um Handbreiten zu gehen.
Dann holt er mich zu sich auf das Strandtuch und übt die Kommandos PLATZ und ROLL. Es sind Erweiterungen des Kommandos SITZ. Dann sagt er „MÜDE!“, als ich durch das Kommando ROLL auf dem Strandtuch auf dem Rücken zu liegen komme. Ich drehe mich also zur Seite und blinzele zu ihm auf. Er hat sich inzwischen neben mir niedergelassen und beginnt mich nun eine Weile zu streicheln. Dann legt er sich auch zurück und schaut träumend zwischen den Weidenzweigen hoch in den Himmel, beziehungsweise das was man vom Himmel gerade so sieht. Ich rutsche auf ihn zu und kuschele mich an ihn.
Nach einer Weile wälzt sich Maik zur Seite nachdem er sich über mich gebeugt und mir einen Kuss gegeben hat. Er rappelt sich auf und nimmt den Gummiknochen aus der Tasche meines Rollis, den er in der Mittagspause ausgekocht hat. Maik zeigt mir das Spielzeug und wirft es mir zu. Es prallt an meiner Schulter ab und fällt auf das Strandtuch. Ich lege meine Hand darauf und schaue ihn fragend an.
Er lächelt und sagt: „BRING!“
Dabei nickt er aufmunternd mit dem Kopf. Ich beuge mich also zu dem Gummiknochen hinunter und nehme ihn mit dem Mund auf. Dann mache ich zwei Schritte auf Maik zu, der sich in der Zwischenzeit auch mir genähert hat. Er bückt sich etwas, hält mir seine Hand unter mein Kinn und sagt nun:
„AUS!“
Also lasse ich den Gummiknochen fallen, darauf vertrauend, dass er schon in seine Hand fällt. Und wirklich, Maik hat den Gummiknochen aufgefangen. Er streicht mir zart über meine Wange und meint:
„Gut gemacht, LUNA.“