Luna -31-
In den nächsten Tagen darf ich wieder Maik beim Arbeiten mit den Hunden zuschauen. Dafür fährt er mit mir am Wochenende in der Ferienmitte in den Europapark. Der Freizeitpark ist ein Erlebnis! Dann ist auch schon der Tag des Abschieds gekommen. Onkel Hans und Tante Katharina verabschieden uns herzlich am Morgen auf dem Bahnhof. Am Nachmittag schließen mich Mama und Papa erleichtert in die Arme. Auch ich freue mich, sie wiederzusehen, war dies doch mein erster Urlaub ohne sie. Trotzdem haben mir die zwei Wochen sehr gut getan.

*

Nach den Herbstferien hängt Maik fast jeden Abend bei mir ab. Für Mama und Papa gehört er inzwischen quasi zur Familie. Wir sitzen zusammen und hören Musik.
Darüber vergeht mehr als eine Woche, bis er mich fragt:
„Du lebst doch schon mit Beauty zusammen seit du denken kannst. Da spürst du sicher, was sie jeweils gerade von dir will und wie sie fühlt, wie es ihr geht?“
Ich frage mich, was er wohl gerade auf dem Herzen hat. Also schaue ich ihm prüfend in die Augen und frage zurück: „Jaaa?“
„Na,“ beginnt Maik mir sein Herz auszuschütten. „Was da zwischen dir und Beauty abläuft, nennt man ‘nonverbale Kommunikation‘. Ich denke mal, das läuft bei euch beiden intuitiv ab. Du weißt was Beauty will, kannst ihr aber nicht auf gleicher Ebene antworten, weil wir Menschen uns verbal unterhalten. So sprechen wir auch mit den Hunden.“
Ich schaue ihn mit großen Augen fragend an.
„Und?“
„Versetz‘ dich mal in Beauty,“ redet er weiter. „Wenn du sie mit ihrem Namen ansprichst hebt sie den Kopf und schaut dich an. Redest du dann weiter und es handelt sich nicht um ein Codewort, das sie kennt – also ein Kommando, dann versteht sie nur ‘Blablabla‘. Sie kann auf der Vibration deiner Stimme deine emotionale Verfassung herauslesen und wird dann dementsprechend reagieren: Bist du verärgert, wird sie versuchen, der Situation die Schärfe zu nehmen. Sie wird Beschwichtigungssignale senden, die allerdings von vielen Menschen missverstanden werden. Bist du liebevoll gestimmt, wird sie sich an dich drängen, an dir reiben.
Die Gestik und Mimik der Hunde, deren ‘nonverbale Kommunikation‘ also zu erlernen, wäre für die LUNA bestimmt von Vorteil…“
Ich muss lachen, umarme und küsse ihn.
„Du willst also weitermachen mit dem Training…
Maik lächelt verschmitzt und erzählt mir einiges darüber, das er sicher bei seinem Onkel gelernt hat. Dann nimmt er einen Ball und wir spielen ein paar Minuten, als wir ein Kratzen an der Zimmertür hören. Maik erhebt sich aus der Hocke und lässt Beauty zu uns herein.
Sie orientiert sich kurz und geht sofort mir gegenüber in die Spielverbeugung. Ich lächele und schiebe ihr gerne den Ball zu. Sie stoppt den Ball, legt die Pfote darauf und schaut scheinbar erwartungsvoll von einem zum anderen.
„Wer ein Spielzeug hat, dem gehört es!“ kommentiert Maik ihr Verhalten und lächelt.
Ich runzele die Stirn, da ich etwas enttäuscht bin. Das Spiel soll zu Ende sein, kaum dass es begonnen hat?
„Beauty wird den Ball bestimmt nicht so einfach aufgeben!“ meint Maik nun. „Aber sie wird erlauben, dass du mit ihr damit spielst. Du musst zum Einen eine Beschwichtigungsgeste senden und zum Anderen über die Spielaufforderung zeigen, was du möchtest. Also: schau Beauty nicht direkt an, dreh auch den Kopf weg und zeig ihr deine Körperseite – in dieser Reihenfolge, wenn die erste Stufe noch nicht wirkt, nimm die nächsthöhere! Dabei geh von Anfang an in die Spielverbeugung!”
Also beuge ich nun meine Ellbogen, so dass ich vorne tiefer bin und vermeidet es, Beauty direkt anzuschauen. Beauty knurrt leise und bewegt sich mit dem Ball langsam rückwärts. Darüber bin ich erstaunt, denn sonst ist Beauty sofort zum Spiel bereit. Ich schaue nun demonstrativ an ihr vorbei und drehe mich von ihr weg. Dabei gehe ich seitwärts auf Beauty zu, schaue aber Maik die ganze Zeit an. Beauty macht einen weiteren Schritt rückwärts.
Auf Maiks Rat hin, wackele ich mit dem Hintern und nähere mich Beauty langsam weiter. Jetzt bleibt Beauty an ihrem Platz. Auch knurrt sie nun nicht mehr. Ich schaue wieder zu Maik hoch. Er nickt mir aufmunternd zu. Also nähere ich mich Beauty noch mehr, bis ich schließlich ganz nah an ihrem Kopf bin.
„Stupse den Ball mit Mund oder Nase nur leicht an! Nicht direkt danach schnappen!” sagt Maik nun.
Ich befolge seinen Rat und Beauty überlässt mir tatsächlich den Ball!
„Stupse ihn jetzt einige Zentimeter weg und mache einen Schritt hinterher – und so weiter. Wenn Beauty hinterherkommt und das Spiel nach diesen Regeln mitmacht, stupst ihr euch den Ball gegenseitig zu,” rät er mir weiter.
Wirklich spielen wir nun abwechselnd mit dem Ball. So geht das eine ganze Weile. Dann fordert Maik Beauty auf SITZ zu machen und gibt ihr ein paar Leckerlies aus der Schale, die für Beauty in meinem Zimmer steht. Beauty setzt sich tatsächlich und schaut ihn erwartungsvoll an.
Ich bin in der Zwischenzeit ein paar Schritte weiter gegangen, den Ball vor mir her stupsend. Nun halte ich an und schaue mich neugierig um. Maik schaut lächelnd zu mir herüber, nimmt ein paar Erdnüsse aus der Dose, kommt auf mich zu und schiebt sie mir in den Mund. Dabei streicht er mir sanft durchs Haar und lobt mich, woraufhin ich mich bei Maik anlehne. Dann erklärt er mir den Ablauf der Situation genauer, damit ich verstehe, wie Beauty die Situation wohl empfunden haben muss.