Luna -33-
„Weißt du noch, dass du diejenige warst, die mich darauf gebracht hat? Dein Faible für Anime. – Dieser japanische Comic, in dem drei unterschiedliche Hündinnen sich in Mädchen verwandeln und sich nun in der Menschenwelt zurechtfinden müssen… Du bist aber keine Hündin, und du warst früher keine!
Du musst dich nicht in der Menschenwelt zurechtfinden. Umgekehrt entsteht daraus aber eine gewisse Faszination, die auch mich mit der Zeit erfasst hat:
Du verwandelst dich in deiner Phantasie in eine Hündin und musst dich nun in der Hundewelt zurechtfinden. Du lässt dein inneres Tier heraus und lebst deine Gefühle aus, wie auch Beauty das tut. Das Zusammenleben von Hunden und Menschen erleichtern die Hundekommandos und wie du dich ‚hündisch‘ äußern kannst, zeigen dir die Gestiken und Mimiken.“
„Das ist es ja! Einerseits fürchte ich das Unverständnis der Mitmenschen, andererseits fasziniert mich, was du mir mit großem Sachverstand gezeigt hast!“
„Niemand muss etwas von LUNA erfahren! Sobald Andere dabei sind bist du Andrea.“
Ich nicke und drücke meine Wange an seine Achsel.
„Du hast mir einmal gesagt, die Liebe zwischen Besitzer und Tier ist vergleichbar der Liebe zwischen Mutter und Kind. Damit ist die aktive Fürsorge gemeint. Ich fühle, dass ich das große Los gezogen habe. Es kommen Umwälzungen auf mich zu. Bald habe auch ich den Abschluss. Ich muss mich also langsam um eine Ausbildung kümmern. Beauty lebt nicht mehr lange. – Es wäre schön, wenn wir nach den nächsten Sommerferien zusammenziehen könnten…“
Nun ist ‚die Katze aus dem Sack‘! Was wird Maik jetzt sagen? Ich schaue ihn ängstlich an.
Er hält mich nur noch fester in seinen Armen und lächelt mich mit einem glücklichen Gesichtsausdruck an.
„Es ist noch ein gutes halbes Jahr, Andrea! Bewerbe dich in einem Beruf, der dir Spaß macht. In der Zwischenzeit wird sich bestimmt etwas ergeben. Meine Ausbildung dauert noch etwa drei Jahre. Dann warte ich bis deine Ausbildung zu Ende ist und schließlich ziehen wir nach Süddeutschland. Bis Onkel Hans sich ganz aus der Bewirtschaftung des Hofes zurückzieht, wird es noch Jahre dauern. Er wird mir das Ruder nur allmählich in die Hand geben.“
Während er das sagt, beginnt er meinen Rücken von der Schulter bis zur Hüfte und zurück zart zu streicheln, was ich mit geschlossenen Augen genieße.
„Wenn Frauen mit der Sehnsucht im Herzen, zu jemandem gehören zu wollen, allein vor dem Spiegel stehen,“ sinniert er leise, „sehen sie sich immer ganz: sie sehen die Devota (auch wenn sie frei sind) und sie sehen die freie Frau (selbst wenn sie unfrei sind). Die freie Frau verschwindet nicht, sobald sie sich untergeordnet hat. Die freie Frau kämpft immer noch und sie wird immer wieder hochkommen und sagen ‘Pah, ich hab‘s doch gesagt, du solltest dich nicht unterwerfen!’
Die Frauen können sich nackt im Spiegel anschauen und sehen, wie hilflos sie dann wirken und wie reizvoll, wie verletzlich und schön. Oder sie packen sich in hochgeschlossene Klamotten und schützen sich, wie es die freie Frau in ihnen möchte. Die freie Frau in ihnen ist eine Art Schutz, den alle Frauen brauchen. Jedes Lebewesen braucht Schutz und da Frauen von Natur aus eben verletzlich und schön sind, müssen sie sich halt schützen
Verständlich, wenn sie plötzlich Angst bekommen, sobald die Devota in ihnen zum Vorschein kommt. Denn diese Seite in ihr präsentiert sich vollkommen hilflos und verletzlich, auf Knien, demütig, ergeben, vollkommen offen, nackt - völlig ausgeliefert dem Mann ihres Vertrauens. So ist doch vollkommen klar, dass die freie Frau dagegen rebelliert und innerlich Alarm schreit! Davor hat die freie Frau in ihnen Angst. Und zu Recht, denn der Wolf kann das Schaf in Stücke reißen - der Mann könnte die Devota missbrauchen, ihre Hilflosigkeit ausnutzen, sie einfach nur benutzen und dann wegwerfen. Davor warnt die freie Frau in jeder Frau und davor haben viele Frauen halt Angst!
Es ist die Pflicht der inneren freien Frau, sich den Mann genau anzuschauen und zu prüfen! Das sollte sie im Vorfeld gut tun und das sollte eine noch freie Frau auch ruhig zulassen.